Motorpsycho - The all is one

Stickman / Indigo
VÖ: 28.08.2020
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Der Ego-Trip

Mama, das ist ein sehr leckeres Essen aber ich bin satt bis obenhin! Kürzlich verlieh ein User im Plattentests.de-Forum, eigentlich waren es mehrere, seinem Wunsch den Ausdruck, die Band Motorpsycho möge doch mal wieder etwas anderes machen, als ihren zur Perfektion getriebenen Prog-Rock. Nun, auch der Rezensent hat zu den Großtaten "The tower" und "The crucible" in Verzückung geschwelgt. Doch muss man die Frage stellen und hätte das auch schon bei den beiden letzten Alben tun können, worin die musikalische Relevanz der Norweger noch besteht. Zugegeben, kompositorisch komplex aufgebaute Rocksongs mit bestechender Hymnik, dies kann das Trio wie fast niemand sonst. Und Spannungsbögen über Gebirge und Ozeane spannen, auch das eine Spezialität dieser Band. Was jedoch fehlt, ist das Gefühl, dass sich die Skandinavier herausfordern, sich vielleicht sogar in Frage stellen würden. Und so ist auch das neue Opus "The all is one" eher Bestätigung, Fortsetzung und Verfestigung des eingeschlagenen Wegs. Es sei direkt gesagt: Beeindruckende, für sein Genre überwältigende Momente finden sich auch hier wieder, nur ist auch der brillanteste Witz irgendwann auserzählt.

Und wenn die Bewohner des Psychoverse von dieser Rezension, die zugebenermaßen eher eine Meinung darstellt, erwarten, hier die klanglichen Details, die Spitzfindigkeiten von "The all is one" aufgezählt zu bekommen, muss man sie leider enttäuschen. Klar, mit Lars Horntveth von JagaJazzist und dem Violinisten Ola Kverberg haben Motorpsycho sich für die zentrale "N.O.X."-Suite, welche mit über vierzig Minuten Spielzeit den Löwenanteil des Albums ausmacht, einige Jazz-Kompetenz mit an Bord geholt. Und es gehört dann auch zu den Stärken dieses Albums, dass sich deren Mitwirken auch wirklich niederschlägt. Der Grund dafür, dass sich dennoch Ermüdungserscheinungen bemerkbar machen, sind jedoch Songs wie das Titelstück oder "The same old rock (One must imagine Sisyphus happy)". Ersterer ist ein derartiger Motorpsycho-Standard, dass einem der Vorwurf des Selbst-Plagiats schnell über die Lippen kommt. Die blumigen Streicher, das Schlagzeug mit reichlich Speck auf den Hüften, die weit ausholenden Gesangsharmonien, alles schon da gewesen und zwar in besser.

Und so findet man eher Vergnügen an den Kleinigkeiten, die abseits vom ausgetretenen Weg liegen. Die Hippie-Miniatur "Delusion (The reign of Humbug)" in ihrer Bescheidenheit zum Beispiel. Auf der anderen Seite jedoch so etwas wie "The magpie": Eine für Motorpsycho typische Schussfahrt, bei der sich zwar die melodische Ausgestaltung und die gespielten Töne zur Vergangenheit unterscheiden, der kompositorische Modus Operandi jedoch bis zur Erschöpfung ausgereizt ist. Dass da noch ein zwar beseeltes, aber eben klischeebeladenes Gitarren-Solo eingebaut wird, passt ins Bild und weckt den Verdacht der Ego-Masturbation.

Und dann wäre dann ja noch besagtes "N.O.X." Dieses stellt wie gesagt das Highlight des Albums dar, da hier dezent über den Tellerrand geblickt wird. Neben den Jazz-Elementen ist es zum Beispiel der elektrifizierte Drive von "N.O.X. II: Ouroboros", der mit seiner unwiderstehlichen Intensität für Furore sorgt. Auch die organischen Percussions und die Retro-Orgel tragen viel zur komplexen Stimmung bei. Und auch das mit getriebener Rhythmik ausgestattete "N.O.X. IV: Night of Pan" gefällt in seiner kompositorischen Genügsamkeit, ohne aufgeblasenen Bombast. Dieser wird auch im abschließenden "N.O.X. V: Circles around the sun pt 2" nur dosiert abgerufen, viel eher wirbelt und schwirrt der Abschluss der Suite wild durch den Raum, Motorpsycho on fire.

Würde "N.O.X." für sich alleine stehen, man könnte von einer gelungenen Modifikation sprechen. Nur trägt "The all is one" jedoch den Ballast der restlichen Songs, welche konservativ das bisher Erreichte erneut auffahren. "Dreams of fancy" könnte noch als Beleg dafür angeführt werden. Wieder sind Melodiestruktur, Gitarrenarbeit und dramaturgischer Aufbau sattsam bekannt. Und so wird der Motorpsycho-Fan vielleicht vom besten Album seiner Band sprechen, aus seiner Sicht berechtigt. Aus einem anderen Blickwinkel ist "The all is one" zumindest in Teilen redundant.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Delusion (The reign of Humbug)
  • N.O.X. II: Ouroboros (Strange loop)
  • N.O.X. IV: Night of Pan
  • N.O.X. V: Circles around the sun pt.2

Tracklist

  1. The all is one
  2. The same old rock (One must imagine Sisyphus happy)
  3. The magpie
  4. Delusion (The Reign of Humbug)
  5. N.O.X. I: Circles around the sun pt.1
  6. N.O.X. II: Ouroboros (Strange loop)
  7. N.O.X. III: Ascension
  8. N.O.X. IV: Night of Pan
  9. N.O.X. V: Circles around the sun pt.2
  10. A little light
  11. Dreams of fancy
  12. The dowser
  13. Like chrome
Gesamtspielzeit: 84:45 min

Im Forum kommentieren

Felix H

2023-01-26 11:23:58

Verwirren Sie mich bitte nicht am Donnerstagmorgen! :-D

Affengitarre

2023-01-26 10:55:16

:D

The MACHINA of God

2023-01-26 09:57:17

Ok, ich versuche es nochmal: Du solltest das Album-Sequencing hier ähnlich komisch finden und deshalb ausrasten. Also "The all is one" sollte mMn auch für dich zum Ausrasten sein. :)

Felix H

2023-01-26 09:51:06

Ne, ich bastel auch manchmal Sequencing um. Höre bei der "Zeitgeist" bspw. auch nur noch mein eigenes.

The MACHINA of God

2023-01-26 09:48:46

Ich? :-D Ich mache so Kram doch ständig selbst. ;-)

Ja, ich meinte, du würdest beim Sequencing ausrasten. Tust du nicht?

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