Fynn Kliemann - Pop

Two Finger
VÖ: 29.05.2020
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Musik wie YouTube

Dass sich seit seinem Debüt-Album "Nie" bei Fynn Kliemann nicht viel verändert hat, heißt paradoxerweise, dass sich doch so einiges getan hat. Denn dass er einfach und stetig macht, ist sein Markenzeichen, seit er mit Heimwerkervideos zahlreiche YouTube-Guckende beglückt. Er kaufte einen Hof, das Kliemannsland, und baute ihn zum Kreativzentrum um. Dann das Hausboot von Gunter Gabriel, das er gemeinsam mit Olli Schulz ebenfalls zu einem Kulturtempel ummodeln will. Für "Nie" hat er 2018 das Label Two Finger Records gegründet, auf dem nun auch das zweite, schlicht "Pop" betitelte Album erscheint, wieder nur einmal exakt so oft gepresst, wie es vorbestellt wird. Deswegen kommen wir auch hier der Bitte nach, die Rezension und damit eine Hilfe zur Kaufentscheidung schon rund einen Monat vor Veröffentlichung online zu stellen. Zudem feierte kürzlich auch noch seine Doku "100.000 - Alles, was ich nie wollte" im Internet Premiere. Machen als Erfolgsrezept also.

Man könnte bei all dem Talent und Mut zum Scheitern leicht in Ehrfurcht erstarren, aber Kliemann bleibt immer nahbar, flucht und scherzt sich durch seine YouTube-Videos und Instagram-Beiträge und erzeugt so den Eindruck von Authentizität. Everybody's bester Kumpel, mit tausend guten Ideen im Kopf. Nur: Was sich bei "Nie" schon abzeichnete, macht "Pop" nun noch mal deutlicher: Tausend gute Ideen sind grundsätzlich wunderbar, im Medium Album dann aber doch ein paar zu viel. Fast jeder Song startet mit einem charmanten musikalischen Gedanken, wird dann allerdings so sehr mit Synthies, Trap-Beats, Effekten auf dem Gesang und Sound-Schnipseln zugekleistert, dass man sich schon jetzt wünscht, MTV Unplugged würde mal im Kliemannsland Halt machen. Genau wie viele YouTuber neigen auch Kliemanns Songs zum Schrillen, zum Schnellen und zum Artifiziellen und rauben so den eindringlichen Piano-Parts und seinem kratzigem Gehaule die Wucht.

"Schmeiß mein Leben auf den Müll" beispielsweise gipfelt in einem seltsam bombastischen Zwischenteil, der den sonst angenehm dahinschwebenden Song unangenehm aus dem Gleichgewicht bringt. "Ruinierung" klingt, als hätten die House-Produzenten Major Lazer mitgewerkelt, der Track geht im Album-Kontext nicht auf. Besser gelingen Kliemann wieder die Balladen, etwa "Warten", in dem er das Hin- und Hergerissensein zwischen seiner Getriebenheit und seiner Freundin thematisiert. Das Gefühl von Machen-Müssen am Abend stellt Kliemann dem Frust am nächsten Tag gegenüber: "Und immer morgens, wenn ich mich heiser leise lege zu Dir / Verpasst hab', wie Du einschläfst / Hasse ich mich dafür." Diese emotionalen (wenn auch grammatikalisch nicht ganz korrekten) Momente verpackt Kliemann mit seiner druckvollen Stimme sehr eindringlich. "Frieden mit der Stadt" schwenkt in Richtung Old-School-HipHop und überzeugt mit der Abhandlung von Großstadtanonymität.

Textlich hantiert Kliemann weiter mit eigensinnigen, gewitzten Reimen und singt anscheinend über alles, was ihn gerade so beschäftigt, seien es Gerüche oder die Frage, was alles so in einer Minute passieren kann. Der Closer "Schlaflied" führt schließlich ein echtes Schlagzeug ein und macht damit noch mal klar, dass genau solche akustischen Elemente der Musik gut tun. In diesem Album ist so viel drin, und trotzdem lässt einen das Gefühl nicht los, dass da noch viel mehr geht.

(Simon Conrads)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Warten
  • Die Hook
  • Frieden mit der Stadt

Tracklist

  1. Eine Minute
  2. Alles was ich hab
  3. Warten
  4. Die Hook
  5. Liebster Wahnsinn
  6. Regen
  7. Alles nur geliehen
  8. Frieden mit der Stadt
  9. Ruinierung
  10. Der Flötist an den Toren des Morgengrauens
  11. Twingo
  12. Schmeiß mein Leben auf den Müll
  13. Vokabeln I
  14. Schlaflied
Gesamtspielzeit: 43:28 min

Im Forum kommentieren

maxlivno

2020-11-27 16:14:12

fynn kliemann ist die personifizierte "du kannst alles packen, wenn du es nur willst"-illusion und genau deshalb finde ich ihn gelinde gesagt zum kotzen

Hier stand Ihre Werbung

2020-11-27 14:41:08

Auf Twitter wird auch "Hand gegen Koje" als ähnliches Prinzip genannt. Ich finde die Idee nicht verwerflich, dann sollte man das aber eher an 18jährige Abiturienten oder 23jährige Studenten richten, als an Handwerker mit Berufserfahrung. Nun ja. Man wird sehen.

Hier stand Ihre Werbung

2020-11-27 14:36:36

Bis auf die Voraussetzung Berufserfahrung gibts das ja als "WWOOF"ing, insbesondere in der Landwirtschaft. So wirkt das aber schon ein bisschen seltsam.

Klaus

2020-11-27 14:26:27

" Ich weiß ja nicht, hat der gar keine Schattenseiten, davon abgesehen, dass er langweilige Musik macht? Mir sind solche Leute ja unheimlich. "

https://twitter.com/creamspeak/status/1331585038119563267/photo/1

Ich glaube ja nicht, dass die Maschen der "Irgendwas mit Medien, Kultur und instagram" Kultur bei Handwerkern zieht. Ne falsch, ich hoffe es einfach.

Armin

2020-05-29 19:24:34- Newsbeitrag

127 Tage und 150 Interviews später ist es nun soweit, heute erscheint POP. Das zweite Album von Fynn Kliemann. Parallel dazu geht das Musikvideo zur fünften Single „Twingo“ zu sehen - ein etwas anderes Roadmovie- online:


Noch bis zum 29.05.2020 23:59h ist es möglich das Album in physischer Form vorzubestellen, danach nie wieder. So wird kein Material verschwendet und es haben am Ende nur die Menschen in der Hand, die es wirklich wertschätzen. Auf oderso.cool hat man die Wahl zwischen einer CD, einer Vinyl, einem Bundle (mit beiden Tonträgern und viel Kleinkram) oder der Box mit eigens dafür kreierter Regenjacke.

Seit Start des Vorbestellungszeitraums am 24.01.2020 ist viel passiert. Fynn Kliemann hat zum Beispiel vier sehr unterschiedliche und individuelle Musikvideos veröffentlicht.
Das Video zu „Schmeiß mein Leben auf den Müll“ musste bedingt durch die Corona Pandemie umgeplant werden und so entstand innerhalb von nicht mal 10 Stunden und aus über 50.000 Einsendungen eine Musikvideocollage aus Bildern von Fynn und 2906 eingeschickten Frames seiner Fans.

Doch das ist nicht die einzige Aktion, die Corona hervorbrachte. Aufgrund der Schließung von kulturellen Einrichtungen wurde der geplante Kinotag für die Doku "100.000 Alles, was ich nie wollte“, die Fynn beim Entstehungsprozesses seines ersten Albums „nie“ begleitet, einen Monat vor- und in die Wohnzimmer der Zuschauer verlegt.
Innerhalb von kürzester Zeit wurde eine Streamingseite sowie das Ticketing für einen 24-Stunden Kinostream erstellt.
Für den Stream am 25. und 26. April wurden insgesamt 120.000 Tickets verkauft und im Anschluss an die Premiere gab es einen, von Steven Gätjen moderierten, Livestream auf Youtube, quasi eine digitale Premierenparty mit über 70.000 Zuschauern. Damit auch die Kinos nicht leer ausgehen und in ihrer schwierigen Lage Unterstützung bekommen, wurden 25% des Gewinns der verkauften Karten an über 1.000 teilnehmende Kinos weitergegeben.

Auch mit seinem Shop oderso.cool hat Fynn Kliemann sich der Lage schnell angepasst.
Die Fabriken in Portugal, in denen er sonst seine Klamotten produziert, standen kurz vor einer Krise, da die meisten Aufträge durch die Corona-Pandemie storniert wurden. Wieso also nicht auf Masken umstellen?!
Es gab es großen Bedarf, was den Preis für eine simple Maske enorm in die Höhe trieb. Fynn fragte sich, wieso und war der Meinung, dass es auch günstiger gehen muss. Er behielt Recht und bietet seine Masken nun fast zum Selbstkostenpreis an. Anfangs wurden Abnehmer wie Pflege- und Medizineinrichtungen bevorzugt beliefert, denn auch wenn die Masken nicht zertifiziert sind, sind sie immer noch besser als keine Maske und ungeschützte Mitarbeiter unseres Pflegesystems.




„Twingo“ - ein etwas anderes Roadmovie- :

“Alles, was ich hab“ - den Song und gleichzeitig einen Trailer für die Filmdoku findet man hier: .

„Schmeiss mein Leben auf den Müll“



Hier ist der Trailer zum Album: https://we.tl/t-3VNQCfU9DN

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum