Rina Sawayama - Sawayama

Dirty Hit
VÖ: 24.04.2020
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

How bizarre

Rina Sawayama ist wahrlich eine Wucht. Die in Japan geborene und in London aufgewachsene Sängerin ist schließlich gekommen, um Grenzen, Mauern und Schranken aller Arten einzureißen. Ihr schizophren anmutender Pop-Entwurf flirtet auf irre Weise mit Electro, Soul, R'n'B und, joa, auch Metal und bindet quasi im Vorbeigehen noch Referenzen an die asiatische Popkultur ein. Es werden also stilistische und kulturelle Brücken gebaut, es gilt das Diktum: Alles kann, nichts muss. "Sawayama" ist das erste richtige Album der Künstlerin, die bereits vor drei Jahren das richtungsweisende "Rina" veröffentlicht hatte, das man je nach Perspektive Mini-Album oder EP nennen könnte. Doch erst auf Langstrecke entfaltet diese Achterbahnfahrt ihre volle Wirkung: Hitverdächtige Melodien treffen auf verstörende Arrangements, laute Lärmattacken kuscheln sich im Dunkeln an kaugummisüße J-Pop-Tracks. Und ja, manchmal ist das alles auch einfach zu viel des Guten.

"Dynasty" gibt da direkt zu Beginn schon mal die Richtung vor, erinnert in seiner Verquickung von leicht angekitschten Metal-Anklängen und bedingungsloser Eingängigkeit an grenzwertigen 00er-Jahre-EMP-Kitsch wie Nightwish oder Within Temptation. Und macht, trotz allem, irgendwie Spaß. Natürlich stellt sich rasch die Frage: Meint die Künstlerin das ernst? Denn schon im nächsten Song, "XS", folgt man einem fidelen R'n'B-Beat, der so oder so ähnlich vor zwanzig Jahren auch auf MTV oder VIVA in Dauerschleife hätte laufen können. An derlei stilistische U-Turns muss man sich freilich gewöhnen, möchte man hier nicht aus der Bahn geworfen werden. Und klar, kein Zweifel: Eine kohärente Binnenstimmung stellt sich dabei nicht ein. "Sawayama" verschwendet gar keine Gedanken an derlei Firlefanz. Viel eher funktioniert das Album als buntes Mixtape, das auf absonderliche Art Dinge zusammenbringt, die im eigenen Kopf gar nicht in eine Schublade passen. Da zum Nachdenken aber ohnehin kaum Zeit bleibt, darf man sich auch einfach über eine fancy Hitsingle wie "Comme des garçons (Like the boys)" freuen, die so infektiös ist, dass selbst Christian Drosten und Alexander Kekulé nicht weiter wissen.

"STFU!" beginnt hingegen mit kernigen Gitarrensalven, die einen wohlig-gruseligen Schauer auslösen: Erinnerungen an den feisten NuMetal der frühen 2000er-Jahre werden wach, wenngleich Sawayama auch in diesem Stück die ein oder andere ungeahnte Wendung hinlegt und zwischendurch in einen zarten Popballadenmodus switcht. Nicht selten entfalten Sawayama-Tracks darüber hinaus Erinnerungen an besonders denkwürdige Eurovision-Song-Contest-Beiträge: "Who's gonna save u now?" wirkt in seiner kraftmeiernden Wucht wie ein tribalistisches Emotionsfeuerwerk aus der Ukraine oder der Republik Moldau, insbesondere wenn die titelgebende Zeile bis zum Überdruss wiederholt wird. "Tokyo love hotel" dagegen schmiegt sich als zeitgemäßer R'n'B-Song sachte an und verbleibt bis auf Weiteres ohne sämtliche Kuriositäten. Und das ist im Rahmen dieser Platte, für die man in jedem Fall gute Nerven braucht, dann auch schon wieder fast komisch.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Comme des garçons (Like the boys)
  • Paradisin'
  • Tokyo love hotel

Tracklist

  1. Dynasty
  2. XS
  3. STFU!
  4. Comme des garçons (Like the boys)
  5. Akasaka sad
  6. Paradisin'
  7. Love me 4 me
  8. Bad friend
  9. Fuck this world (Interlude)
  10. Who's gonna save u now?
  11. Tokyo love hotel
  12. Chosen family
  13. Snakeskin
Gesamtspielzeit: 43:35 min

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Saschek

2020-04-21 17:53:24

Naja. Klar. Ziemlich gutes Album. Gefällt mir ehrlich gesagt besser, als Dua Lipa. Eklektisch trifft es gut. Hoher Humorfaktor. Melodien, die ins Schwarze treffen, super Ideen, teilweise extrem abgefahrene Arrangements - Rina Sawayama checkt schon echt viele Boxen hier.

Armin

2020-04-15 20:30:55- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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