Blackmail - 1997-2013 (Best of & rare tracks)

Unter Schafen / Al!ve
VÖ: 24.04.2020
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Wie sieht's aus in Koblenz?

Wie steht es um Blackmail? So ganz genau wissen das wohl derzeit nur die Beteiligten selbst. Das letzte Studioalbum "II" ist mittlerweile jedenfalls auch schon sieben Jahre alt, seitdem gab es von der Band nur noch wenige Lebenszeichen. Folglich fragte sich nun so mancher, in Anbetracht der Best-of-Platte, ob diese Veröffentlichung als Auftakt zum Comeback oder vielmehr als Abschiedsgeste zu werten sei. Auch die Tracklist gab Rätsel auf: Lediglich ein Dutzend Songs der regulären acht Alben sind enthalten, so dass vielen Fans und Anhängern der Koblenzer Alternative-Rockband der ein oder andere Bandfavorit abgeht. Was ist zum Beispiel mit dem tollen, wuchtigen "Couldn't care less"? Warum fehlt das melancholische "Airdrop", obwohl es doch eines der Highlights von "Friend or foe?" war? Wie kommt man auf die Idee, den Hit "Never forever" nicht zu berücksichtigen? Die schlicht "1997-2013 (Best of & rare tracks)" betitelte Best-of-Compilation gibt auf den ersten Blick also mehr Fragen auf, als sie zu beantworten im Stande ist. Neben der klassischen Best-of-Auswahl umfasst die Veröffentlichung zudem noch einen zweitel Teil mit diversen Non-Album-Tracks, die vormals beispielsweise auf EPs herausgebracht wurden.

Freilich könnte man sich nun ganz auf die Musik konzentrieren und sämtliche Fragen und Zweifel beiseite schieben, doch das wäre falsch. Bei jedem Hördurchgang dieses Doppelalbums bleiben die Gedanken an den eingangs erwähnten Fragestellungen haften, die es einem schwer machen, "1997-2013 (Best of & rare tracks)" als Werk einzuordnen. Alleine die Tatsache, dass von jedem Studioalbum maximal zwei Tracks aufgeführt werden, stößt etwas auf. Insbesondere die Bandmeisterwerke "Bliss, please", "Friend or foe?" und "Aerial view" hätten doch etwas mehr Ehrung verdient. In jener fast schon goldenen Phase zwischen 2001 und 2006 gelang der Band um den damaligen Frontmann Aydo Abay die nahezu perfekte Verbindung eingängiger Hooks und gewaltiger, dynamischer Soundkaskaden. Stellvertretend stehen hierfür "Same sane", das seine Stärke vor allem aus dem Zusammenspiel von Abays melancholischen Vocals und den stürmischen Arrangements zog, sowie das Hochgeschwindigkeitsfeuerwerk "It could be yours", das einem mit mächtig Druck auf dem Kessel einmal die Synapsen durchlüftet.

Auf der Tour zum Album "Tempo tempo" erfolgte 2008 dann die Trennung von Sänger Aydo Abay, der sich in der Folge um seine Projekte Ken beziehungsweise Abay kümmerte. Natürlich markierte sein Abgang einen ziemlichen Einschnitt, denn bis dato war seine Stimme schon ein bestimmendes Trademark im Sounddesign der Band. Mathias Reetz ersetze Abay und auch wenn der Unterschied weniger frappant war als zunächst erwartet, so fehlten doch immer die letzten Prozentpunkte, um die vormalige Intensität zu erreichen. Songs wie die beiden hier ebenfalls aufgeführten "Deborah" oder "Impact" lieferten letztlich soliden Alternative-Rock der wuchtigen Bauart. Interessanter ist da vielleicht ein Blick auf den zweiten Teil der Compilation, wo sich das ein oder andere Schmankerl versteckt: "Foe" erschien 2003 auf der gleichnamigen EP im Nachklapp zu "Friend or foe?" und musste sich natürlich nicht vor den Albumtracks verstecken. Und "Mad world", eine Coverversion des Tears-For-Fears-Klassikers aus dem Jahr 1982 gewinnt in der Blackmail-Version ein paar mehr Ecken und Kanten und folglich auch an Dringlichkeit. Hierin manifestiert sich die große, womöglich sogar die herausragende Fähigkeit der Band Blackmail: Ihre Songs besaßen eine Unmittelbarkeit, die einen sofort packte. Und die einen auch heute noch im Handumdrehen in den Schwitzkasten nimmt. Nur die Fragezeichen, die bleiben einstweilen bestehen.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Gone too soon too far
  • Same sane
  • It could be yours
  • Moonpigs
  • Mad world

Tracklist

  • CD 1
    1. When I start today
    2. Gone too soon too far
    3. Ken I die
    4. Same sane
    5. It could be yours
    6. Evon
    7. Moonpigs
    8. Everyone safe
    9. (Feel it) Day by day
    10. It's always a fuse to live at full blast
    11. Deborah
    12. Impact
  • CD 2
    1. Today
    2. The light of the son is the son of the light
    3. Booth baby
    4. Euthanasia
    5. Foe
    6. Slow summer
    7. Love like blood
    8. Mad world
    9. Carmine
    10. Dare defender
Gesamtspielzeit: 86:35 min

Im Forum kommentieren

tbc

2020-06-21 19:48:15

Zu der Best of: Ich kann mir vorstellen, dass die Songs auf eine Schallplatte passen sollten. Die Auswahl finde ich an sich mittelmäßig. Für mich ist Friend or Foe ganz klar ihr bestes Album, von dem man lediglich die zwei Songs, genommen hat, die damals promotet wurden. Airdrop und Friend fehlen hingegen.

Zu der rare Tracks: Bei vieler solcher Zusammenstellungen bekommt man ja in der Regel zu viele Akustik- und Proberaumaufnahmen sowie Remixe und Halbfertiges. Die Songs hier hingegen sind auf einem konstant hohem Niveau und stammen fast ausnahmslos aus ihrer besten Schaffensphase zwischen 2001 und 2003. Leider ist nichts bisher Unveröffentlichtes dabei.

Tipp: Unverständlicherweise nicht dabei ist folgender Song von 2002, den die Band vor 5 Jahren online gestellt hat:

https://soundcloud.com/blackmail/blackmail-the-space-behind-your-eyes-andy_gill_london_sessions?fbclid=IwAR3yBlABRCZ0rYusrC7aLyLkZMuDHABE4Bhqpsut-hT3c4oTSyiNRg8vfG4

derdiedas

2020-05-30 10:39:00

Interview mit Aydo auf Testspiel.de

paar interessante Sachen dabei, z.B.:

Der Song „Today“ kommt mir so bekannt vor, ich kann ihn aber nicht mehr zuordnen.

Den hatten wir damals als Bonustrack auf der CD-Version von „Ariel View“. Bei dem Song hatte ich immer das Gefühl, dass er nicht fertig ist. Von meiner Seite aus war der Text nie komplett ausgefeilt. Deswegen war es nur ein Bonustrack, obwohl es ein gutes Lied ist.


Dachte immer, das sei eine Entscheidung vom Label gewesen, das war so die Hochzeit des Rausschnipselns von "Bonussongs". Was auch immer, egal was Aydo sagt, ist es immer noch einer ihrer besten Songs

Auch eine ganz realistische Einschätzung der Zeit nach Friend or Foe. Auf den nächsten Alben sind auf jeden Fall fantastische Sachen, aber etwas auf der Stelle getreten sind sie schon

Ich kann mich nicht entscheiden, ob „Bliss, Please“ oder „Friend or Foe“ mein Liebling ist, wahrscheinlich ist es ein Hybrid. Welches Album hatte auf dich einen größeren Einfluss?

Für mich gehört noch “Science Fiction“ von 1999 dazu, die drei Alben gehören für mich zusammen. Sie stehen für eine musikalische Findungs- und Weiterentwicklungsphase von Blackmail. Nach “Friend or Foe“ war in dem Genre alles gesagt. Unsere beiden Nachfolgeralben waren zwar noch sehr gut, aber irgendwie war da nichts musikalisch Neues mehr. Wir haben weiter gesucht, aber nichts richtiges gefunden.


Und die obligatorische Journalistenfrage zur Zukunft von Blackmail:

Natürlich drängt sich bei den kürzlichen Re-Releases und dem Best Of die Frage auf, wie es um die Zukunft von Blackmail steht.

Das weiß ich nicht. Ich kann nur für mich sprechen und ich habe ein krasses Gefühl gehabt, als ich die Platten nach Ewigkeiten wieder gehört habe. Remastered und optisch schön aufgemacht, das ruft natürlich Erinnerungen wach. Die guten sehr viel stärker als die schlechten Erinnerungen. Der Groll ist weg, wir schreiben uns ab und zu. Ob wir uns wieder zusammentun, das stand noch gar nicht zur Debatte. Da habe ich auch noch gar nicht drüber nachgedacht. Ich feier es natürlich, dass wir mit so einer Musik durchgekommen sind und auch ein Erbe hinterlassen haben. Aber in den Best-Of-Listen des Jahrtausends, die ich mir so angeguckt habe, tauchen wir trotzdem nicht auf.

Dagon

2020-04-25 13:55:22

Ohne jetzt die Best Of zu bewerten, muss ich sagen, dass ich mich sehr über die B-Seiten freue, da ich davon noch nicht alle kannte.
Und die sind teilweise richtig gut... Was war das nur für eine großartige Band!

8hor0

2020-04-16 13:01:52

und amelia!

8hor0

2020-04-16 13:00:55

meine ersten beiden blackmail songs waren frop und all mine. die gehören für mich für immer zum best of.

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