The Strokes - The new abnormal

Cult / RCA / Sony
VÖ: 10.04.2020
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Stellt Euch vor

Stellen wir uns einmal vor, wir wären The Strokes. Oder eher nicht direkt in der Band, sondern im beratenden Umfeld der New Yorker. Mit Fug und Recht dürfen Julian Casablancas, Albert Hammond Jr. und Co. behaupten, einst mit "Is this it" ein genreprägendes Meisterwerk geschaffen zu haben. Nun zogen aber die Jahre ins Land, der Rockstar-Status nach wie vor sattelfest, doch die großen Ahas entfacht man eher selten. Angenommen also man könnte – zu was würde man einer Band wie The Strokes raten? Markenschärfung durch Veredelung des selbstreferenziellen Sounds? Oder musikalische Experimente, zumindest im Stile Radioheads, um auch für die Nerds weiterhin als spannend zu gelten? Oder sich an The Cure orientieren, die ihren Legenden-Status trotz kaum mehr überragender Platten aber durch hohe Live-Präsenz extra fest in Zement gießen?

Es lohnt sich, diese Fragestellung in Zusammenhang mit einem Album wie "The new abnormal" im Hinterkopf zu behalten. So "abnormal" klingt das neue Werk natürlich nicht, wenngleich bereits das vergleichsweise kompakte "Comedown machine" gekonnt und verspielt die Nuancen im Sound verschob. Der Vorbote "At the door" überraschte allerdings ob seines Klangkleides schon ziemlich: ungewohnt spärliche Instrumentierung, bis auf ein Keyboard und Casablancas' flehender Gesang zu feiner Melodie passiert wenig. Stellvertretend für "The new abnormal" jedoch ist das erste Lebenszeichen des Fünfers seit langer Zeit nicht unbedingt. Denn inklusive des länglich geratenen "Bad decisions", das ansonsten souverän auf seinem fuzzy Eighties-Basslauf tanzt, lässt sich ein Großteil der neun Stücke ganz gut bei The Strokes verorten – wenngleich es fluffiger, entschleunigter und stellenweise auch elektronischer zugeht als etwa noch auf "First impressions of Earth".

Dennoch sind sie unverkennar, die typischen Gitarrensoli und Bassläufe, die zwar etwas unterschwelliger operieren, aber sich im feinen Opener "The adults are talking" trotzdem hartnäckig in den Gehörgang fräsen und die Füße zur Frühlingssonne zappeln lassen. Ob Casablancas der kleine Hit "Brooklyn Bridge to chorus" bei einem spätsommerlichen Brücken-Spaziergang zwischen Manhattan und Brooklyn in den Sinn kam, ist nicht überliefert. Sicherer ist indes, dass der Frontmann das Rezept eines Achtziger-Songs lüften will, die schrille Keyboard-Line den Trash-Faktor signifikant erhöht und sein Selbstmitleid über Rockstar-Leben und falsche Freunde nach all den Jahren irgendwie putzig daherkommt. Gesangstechnisch auffällig präsentiert sich die Klimax des kompakten Indiepop-Dramas "Selfless": Selten zuvor hat man Casablancas so markant gehört, natürlich ohne seine gewohnt nölende Intonierung abzulegen, was auch für "At the door" und das inbrünstige Finale des kauzigen aber tollen Closers "Ode to the Mets" gilt.

Einen minimalen Stimmungs-Bruch leitet der Track ein, dem man es wegen des irreführenden Titels eher nicht zutraut: "Eternal summer" startet seine über sechsminütige Cabriofahrt zwar auf Phoenix-infiziertem Synthie-Teppich, schrammt dann im Refrain aber angenehm dissonant an der Leitplanke entlang. Das macht definitiv Laune, ruft jedoch eine grundlegende Beobachtung zum sechsten The-Strokes-Album auf den Plan: Häufig sind es bloß ein bis zwei kleinere Ideen, die etliche Songs über eine lange Zeit tragen müssen. Das fällt ob des Talents der New Yorker aber kaum ins Gewicht, denn auch das flehende "Not the same anymore" punktet mit Intensivität und "Why are Sundays so depressing" mit Co-Auftritt von Albert Hammond Jr. am Mikro entpuppt sich mit der Zeit als entspannt-perlender Frühjahrs-Drink.

"The new abnormal" ist trotz ein paar schräger Momente ziemlich konsistent, kommt dabei auch ohne fulminant blinkende Highlights wunderbar aus – wenngleich die "Future present past"-EP vielleicht auch mehr erwarten ließ. Lyrisch liefern Casablancas und Co. intime wie schräge Momente des Vor-sich-hin-Lebens im Wahnsinn New Yorks, und dennoch prangt über dem Album keine "Weiter so!"-Leuchtreklame vom Broadway. Wohin The Strokes wollen, lässt sich allein ob des leicht entrückten Tempos und der vagen Sounds kaum absehen. Sich weiter rar machen, undurchsichtig bleiben und dann (zum Glück) doch nicht groß überraschen? Auch das könnte ein Rezept sein. Wer mehr weiß, wird es ohnehin ins Plattentests.de-Forum schreiben.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The adults are talking
  • From Brooklyn Bridge to chorus
  • Ode to the Mets

Tracklist

  1. The adults are talking
  2. Selfless
  3. From Brooklyn Bridge to chorus
  4. Bad decisions
  5. Eternal summer
  6. At the door
  7. Why are Sundays so depressing
  8. Not the same any more
  9. Ode to the Mets
Gesamtspielzeit: 45:07 min

Im Forum kommentieren

fuzzmyass

2022-01-04 01:29:38

Und ja, ich liebe das Album auch - habe es richtig viel gehört damals und es war eines meiner Jahreshighlights (neben BRMC, Muse, Stripes etc. :))

fuzzmyass

2022-01-04 01:24:55

@ijb

Jap, das unterschreibe ich alles zu 100%. Ich hatte ja auch schon erwähnt, dass es weit weg von Nevermind oder den Beatles ist z B... von Clash etc. sowieso auch, selbst von Oasis und Co.
Unter "wichtig für die 00er" meinte ich exakt das, was Du ausgeführt hast - der jungen unerfahrenen Generation "den Rock" wieder schmackhaft gemacht und ggf. auch für die bandeigenen Einflüsse sensibilisiert sowie generell mehr Aufmerksamkeit für diese Art von Musik und Style ermöglicht... selbstverständlich sind die Strokes kein musikhistorischer Gamechanger, sondern eben nur für die 00er beim Wiederaufleben wichtig.

ijb

2022-01-03 23:55:48

@ fuzzmyass

Klar, das habe ich alles gut verstanden und teile zum allergrößten Teil deine vielen Ausführungen hier in den letzten paar Tagen.

Naja, es war eines von ca. 7-8 Alben, die in der Zeit 2000-2002 sehr gut eingeschlagen sind und "Rockmusik" wieder etwas populärer gemacht haben, auch für die nachfolgenden Jahre und Generationen... wenn man die "wichtigsten" "Rockalben" der 00er aufzählen sollte, wäre es schon in den Top 10 dabei denke ich, oder zumindest Top 20 - die genaue Platzierung ist dann natürlich Geschmackssache...

Naja, okay, ob man es deshalb "wichtig" findet, ist natürlich ne andere Frage. Es ist ohne Frage ein tolles Album, aber warum ich üblicherweise zögere, es als "besonders wichtig" zu bezeichnen, liegt wohl vor allem daran, dass "Is This It" eigentlich nur für Leute, die damals (2001) plusminus Teenager waren und noch nicht superviel interessante Rockmusik gehört hatten, so "durchschlagend" gewesen sein kann.
Denn jeder/m, der sich 2001 schon ein paar Jahre lang mit Rockmusik befasst hatte, war ja schon damals klar, dass das jetzt "nix Neues" ist, einfach ne sehr gut gemachte altmodische Platte - nicht mehr, aber natürlich auch nicht weniger – bei vielen "erfahrenen Hörern" jener Zeit weckte "Is This Is" sicherlich eher nostalgische Gefühle – gerade eben nach NuMetal, Prodigy, Garbage, BigBeat und allem, was sonst damals die Charts beherrschte – à la: Endlich mal wieder ne gute altmodische Rock'n'Roll-Scheibe mit Sex&Drugs&attraktiven Typen, die aus der Arroganz ne unterhaltsame Show machten, wie zehn Jahre zuvor etwa Axl und Slash etc... Musikalisch sind das natürlich alles schön gemachte Abzüge von früheren, bei Kennern, Hipstern, Kritikern und Rocknostalgikern lange beliebten "It"-Bands. Deshalb zog das 2001 natürlich - wie du sagst, natürlich auch in Kombination mit einer Reihe anderer Bands, die mehr oder weniger auf diese "Good Old Times"-Rocknummer setzten.

Aber "wichtig"? Klar, individuell für die jungen Fans von 2001 natürlich - aber doch nicht im Sinne von "musikhistorisch wichtig" im Sinne von "Hier macht eine Band mal was anders, total eigenes", wie eben sagen wir Rockbandss z.B. Radiohead in jenen Jahren oder The Clash Ende der Siebziger/Anfang der Achtziger, Joy Division, oder meinetwegsn auch Modern Lovers /Jonathan Richman mit dieser Ironie und Bissigkeit oder die Talking Heads 77-83 mit dieser Großstadt-Neurose plus dann auch afrikanischen Einflüssen (Hallo Vampire Weekend), später könnte man Pixies, Sonic Youth etc anführen... oder in den 90ern dann vielleicht The Prodigy, mit ihren ersten drei Alben, die man ja gewissermaßen auch in die Rockschublade stecken darf.

Will sagen, für die 2000er waren z.B. Arcade Fire doch weitaus eigenwilliger, weshalb ich da die Bezeichnung "wichtig" eher stehenlassen würde. Ich sehe nicht, was die Strokes und ihr Debüt in vergleichbarem Maße "wichtig" macht, auch wenn ich die Platte auf jeden Fall damals auch (auf LP!) gekauft und viel gehört habe.

fuzzmyass

2022-01-03 22:57:32

P.S. just for the record: Meine Favoriten aus der Ära waren damals und sind heute immer noch BRMC und die Black Keys (zweitere haben ihre Popularität aber erst viele Jahre später bekommen und waren Anfang der 00er noch kaum ein Faktor)...

fuzzmyass

2022-01-03 22:51:05

Mir ging es doch nur um eines:
die Grundaussage war es gab vor Is This It eig fast nur Nu Metal im Mainstream und dann kamen die Strokes und haben alleine "den Rock" gerettet bzw. die Tür für alle anderen "Rockbands" aufgeschlagen - Hauptargument war der mediale Hype um Is This It und sie hätten "die Massen" bewegt... darauf hin kam dann eine "Genau so war es" Argumentation...
daraufhin habe ich beispielhaft mehrere "Rock"- Alben und -Bands genannt, die noch davor, zeitgleich oder kurz danach ebenso auf mehreren Ebenen nachweislich eingeschlagen sind - Hype in den Medien und Jahreslisten, Besucherzahlen bei den Gigs und Airplay (MTV und Alternativ-Radios)... ergo kann man IMO nicht im Geringsten behaupten Is This It hätte hier etwas losgetreten, was nicht da war und was es sonst nie gegeben hätte im sogenannten "Rock".... das Gegenargument eine der genannten Bands sei eig. Britpop und nicht Rock sowie zudem mit Coldplay verglichen worden ist evident falsch.

That's it, no offense an niemanden hier...

"Aber was macht "Is This It" so wichtig?"

Naja, es war eines von ca. 7-8 Alben, die in der Zeit 2000-2002 sehr gut eingeschlagen sind und "Rockmusik" wieder etwas populärer gemacht haben, auch für die nachfolgenden Jahre und Generationen... wenn man die "wichtigsten" "Rockalben" der 00er aufzählen sollte, wäre es schon in den Top 10 dabei denke ich, oder zumindest Top 20 - die genaue Platzierung ist dann natürlich Geschmackssache...

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