
Dota - Kaléko
Kleingeldprinzessin / Broken SilenceVÖ: 03.04.2020
Anders gesagt
Dota Kehr scheut das Risiko nicht. Für eine Musikerin, die vor allem wegen ihrer brillanten, vielschichtigen und lebendigen Texte gefeiert wird, hat es schon eine gewisse Fallhöhe, wenn man diesen Bereich mit Fremdschöpfungen abdeckt. Die Texte auf ihrer neuen Platte "Kaléko" stammen von der jüdischen Dichterin Mascha Kaléko, die in den Jahren vor Hitlers Machtergreifung mit ihrer Großstadtlyrik ein gewitztes Bild von Berlin zeichnete. Und die verwendeten Texte sprühen tatsächlich vor Witz, sind manchmal nachdenklich, aber eigentlich immer eine Bejahung des Lebens und des jetzigen Moments. Dies packt Kehr mit ihrer Band in eine akustisch gewichtete Musik, die tatsächlich oft einen Wink in Richtung Weimarer Republik und deren kulturellem Flair bietet.
Nur eines fällt dann doch auf: So charmant und beseelt Kalékos Texte auch sind – ein wenig eindimensional erscheinen sie dann doch, weil sie etwas platt in Richtung Wortspiel schielen. Ja, Passagen wie "Eines Morgens wachst Du auf / Und bist nicht mehr am Leben" oder "Die anderen sind das weite Meer / Du aber bist der Hafen" haben zwar eine gewisse Wucht, doch sind auch eine Idee zu naheliegend und plakativ. Doch zählt auch die Kombination mit der Musik und da punktet diese Platte in vielen Bereichen recht ordentlich. Denn Kehr hat eine Geheimwaffe – und zwar ihre Gesangspartner, die eine Vielzahl der Songs mit Dota teilen. Max Prosa gibt einen wunderbar beruhigenden Widerpart zu ihrer hellen Stimme in "Für einen" und vermittelt Gemütlichkeit, Geborgenheit auf wunderbar unaufgeregte Weise. Auch das fluffig dahinschunkelnde "Kein Kinderlied" hat einen Schuss Extra-Witz, erhält aber auch dank der Kooperation mit Uta Koebernick gesangliche Harmonie.
Auch der kernig knisternde, von müder Lebenserfahrung geprägte Gesangspart Hannes Waders in "Auf eine Leierkastenmelodie" ist ein emotionales Highlight. Sehnsucht und die Vergeblichkeit derselben wachsen im Zusammenspiel der kontrastreichen Stimmen zu einer dicken Träne, die dem Hörer still die Wange runterkullert. "Kompliziertes Innenleben" mit Konstantin Wecker, eher im abgedämpften Pathos unterwegs, verarztet mit durchaus angespannter Songstruktur erneut ein melancholisches Sehnen, das sich erstaunlich weich anschmiegt.
Willkommene Einwürfe sind die zwei jazzig angehauchten Instrumentals, die sich vom recht klassischen Aufbau der eigentlichen Songs entfernen. Hier fiindet man auch mal jene aus der Reihe tanzenden Verrücktheiten und Spleens, die dem Rest der Platte bei aller sorgsamen Behandlung ein wenig abhandengekommen ist und die bei Dota früher noch recht häufig anzutreffen war. So ist "Kaléko" ein liebevoll ausgearbeitetes Album, das sich jedoch zu häufig mit gängigen Strukturen zufriedengibt. Und manchmal eben doch das Risiko scheut.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Für einen (Feat. Max Prosa)
- Auf eine Leierkastenmelodie (feat. Hannes Wader)
- Kompliziertes Innenleben (feat. Konstantin Wecker)
Tracklist
- Resignation für Anfänger
- Ein sogenannter schöner Tod (feat. Francesco Wilking)
- Kein Kinderlied (feat. Uta Koebernick)
- Für einen (feat. Max Prosa)
- Fraemd (Instrumental 1)
- Chanson von der Fremde
- Julinacht an der Gedächtniskirche
- Für Chemjo zu Pessach 1944
- Was man so braucht (feat. Karl die Große)
- Auf eine Leierkastenmelodie (feat. Hannes Wader)
- 1979 (Instrumental 2)
- Kompliziertes Innenleben (feat. Konstantin Wecker)
- Ganz kleiner Schwips
- Einem Kinde im Dunkeln (feat. Alin Coen)
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Armin
2020-04-01 21:12:01- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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