Destroyer - Have we met

Dead Oceans / Cargo
VÖ: 31.01.2020
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Murder on the dancefloor

Na, Zuckerpuppe? Kennen wir uns? Zwinker, zwinker? Zu Dir oder zu mir? Oder einfach gleich hier? Irgendwo finden wir doch sicher ein friedliches Plätzchen. Ich zeig Dir meine Briefmarkensammlung und Du erzählst mir was von den Sternen. Bock? Oder fühlst Du Dich etwa schon merkwürdig unwohl? Dann hat Dan Bejar sein Ziel erreicht. Lasziv steht er da auf dem Cover von "Have we met", dem zwölften Album seiner Band Destroyer. Das Hemd gerade so weit aufgeknöpft, dass die Brusthaare rausblinzeln, die Augen gefühlvoll geschlossen, das Mikro bereits wie eine Waffe vorm Mund gezückt. Und trotzdem birgt diese Sexiness auch ein wenig Unbehagen.

"Have we met" ist ein Album mit großer, ausladender Geste, wie man sie von den Kanadiern gewohnt ist. Es ist dunkel, ohne düster zu sein – der Soundtrack für schlaflose Nächte, in denen man lieber eine Kerze anzündet als das Licht einschaltet. Und es ist voll. Voller toller Melodien, voller kleiner Aha-Momente, voller Ambivalenz. Ein bisschen also wie Großraum-Disco. Doch Bejars Spiel zwischen Gut und Böse geht auf: Freut man sich hier in der einen Sekunde noch über das große Miteinander, rücken einem die anderen Leute auf der Tanzfläche plötzlich auf die Pelle. Tanzen gerade noch alle fröhlich miteinander, ertönt alsbald ein Schrei. Grelles Licht durchflutet den Raum, es bildet sich ein Kreis. In der Mitte: das Opfer am Boden.

Vielleicht kommt dieses Ungewisse aus Bejar selbst. Der beschrieb das Album unlängst als sein intimstes, persönlichstes Werk, mit dem er die Zuhörer zu sich an den Tisch ziehen wollte, an dem er die Songs schrieb. Und so ein Mensch besteht nun mal eben aus verschiedenen Facetten: Durchlebt man mit dem 47-Jährigen gerade noch in "It just doesn't happen" heldenhaft eine Grusel-Videospiel-Sequenz, schmiegt sich der Neo-Soul von "Cue synthesizer" schon eine Nummer zu nah an den eigenen Körper ran. Fast schon trotzig klingt Bejar hier, roh, grob, und dann doch wieder selbstbewusst. Der Opener "Crimson tide" schwebt schwerelos im Wasser, das ist gleichzeitig beruhigend wie beunruhigend, weder lebhaft noch leblos, bis plötzlich der Pop ausbricht und Bejar mal zu sich selbst, mal zu seinen Fans zu sprechen scheint.

Ungleich lieblicher wird es im zwar zaghaft arrangierten, aber immer wieder heftig aufstampfenden "University Hill", das man ebenso wie den Abschlusstrack "Foolssong" bereits seit einigen Jahren von den Live-Auftritten Destroyers kennt. An der Hand von Bejar geht es durchs Dunkel hindurch von einem Raum in der Disco zum nächsten, die anderen Gäste rufen "It's called love" hinterher, man folgt bereitwillig und weiß doch, dass hier auch etwas Schlimmes passieren könnte. Der instrumentale Titeltrack begleitet den kommenden Trance-Zustand, Farben vermischen sich miteinander, "The man in black's blues" eilt zur Hilfe. "When you're looking for nothing / And you find nothing / Is more beautiful / Than anything you ever knew", ist in Ordnung, wo geht es aus dieser Disco bloß wieder raus? Dann, plötzlich: Die Musik verstummt, das Licht geht an, "Foolssong" ertönt von oben wie die Lieblingsmusik irgendeines Gottes. "I walked into a room / And was made sick by the room", sagt da jemand. Du stehst auf, klopfst Dir den Staub von der Kleidung ab. Um Dich herum lauter Menschen. Du schaust zu Boden. Kreideumrisse. Ein Polizist fragt in die Runde: "Kanntet Ihr Euch?" Was ein Albtraum mit diesem Traum von einem Album.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Crimson tide
  • University hill
  • The man in black's blues

Tracklist

  1. Crimson tide
  2. Kinda dark
  3. It just doesn't happen
  4. The television music supervisor
  5. The raven
  6. Cue synthesizer
  7. University Hill
  8. Have we met
  9. The man in black's blues
  10. Foolssong
Gesamtspielzeit: 42:24 min

Im Forum kommentieren

Gordon Fraser

2020-03-02 16:45:46

Mit frischem Eindruck aus dem Konzert: richtig gutes Album, vor allem natürlich "The Raven".

Gordon Fraser

2020-01-31 22:08:44

"Kaputt" war bekanntlich sogar mein AdD, daher wundert es natürlich nicht, dass mir vieles auf diesem Album beim ersten Durchgang sehr gut gefallen hat, auch wenn es im ganzen mehr Ecken und Kanten als "Kaputt" hat.

Unangemeldeter

2020-01-31 13:31:05

Ich freu mich inzwischen total auf das Album, die Vorabsongs finde ich alle fantastisch. Destroyer haben mit Kaputt und Poison Season zwei meiner Lieblingsalben der letzten Jahre gemacht, danach fiel Ken leider dann ganz schön ab (trotz ein paar weniger schöner Songs).

Armin

2020-01-27 20:44:13- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Armin

2020-01-08 18:25:12- Newsbeitrag

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