
Clipping. - There existed an addiction to blood
Sub Pop / CargoVÖ: 18.10.2019
Hier kommt keiner lebend raus
Vom Weltall ins Spukhaus: War "Splendor & misery", das 2016 veröffentlichte letzte Album der kalifornischen Experimental-Rapper von Clipping., noch eine kleine Grusel-Oper im Raumschiff rund um den Space-Sklaven 2331, geht es mit ihrem vierten Album "There existed an addiction to blood" zumindest wieder zurück auf die Erde. Ein Grund zur Freude ist das nicht wirklich, denn die Welt und ihre mysteriösen Einwohner haben es auf Dich abgesehen. Clipping. machen daraus kein Geheimnis: "Nothing is safe / Nothing to pray for / Nothing is safe / Nothing is / Death is comin' for you / But you already knew that." Zwei Fragen: Wusste man das wirklich? Und: Wo geht es hier bitte wieder zurück zum Raumschiff?
Die Kunst von Clipping. ist nie einfach nur Musik, nie einfach nur HipHop, nie einfach nur ein paar Beats mit ein paar Reimen zusammengeklatscht. Immer geht es auch um einen Mindfuck, um eine Geschichte, um Emotionen, je aufgewühlter, desto besser. Wenn "He dead" aus Polizisten mal eben Werwölfe macht, die hinter Dir her sind, ist das nur im ersten Moment lustig, im zweiten schon ein Statement auf die real existierende Polizeibrutalität, unter der hauptsächlich People of Color leiden und, ja, sterben, im dritten die Ursache für ebenfalls real existierende Gänsehaut am ganzen Körper. "When they screamin' out murder, they lookin' for you / They always lookin' for you / Why the fuck they always lookin' for you?" Ja, warum?
Hier geht es nicht um Unterhaltung, um schlichtes Zusehen und Hinhören, sondern um Mitfühlen, Clipping. verursachen absichtlich ein Unbehagen und zwingen jeden Menschen vor dem Lautsprecher zum Mitfürchten. Gründe gibt es genug, dafür braucht es nicht unbedingt Deinen vermeintlichen Feind, pardon, Freund und Helfer, sondern manchmal auch das organisierte Verbrechen wie in der Single "La mala ordina": Die zumindest startet wie ein halbwegs gewöhnlicher Rap-Track, der sich mit einem Siebzigerjahre-Horrorfilm-Soundtrack in irgendeiner düsteren, schmutzigen Ecke von Los Angeles paart, kratzt sich in seiner zweiten Hälfte aber glatt die Haut vom eigenen Körper und verzerrt nicht nur sich selbst, sondern auch die Sicht. Alle noch da? Natürlich nicht.
Selbst diejenigen, die es bis hierher geschafft haben, müssen nicht mehr komplett sein: "Can't afford to talk / Cat got his tongue / And she might get his lips next just for fun", heißt es im erst entspannten, dann regelrecht drückenden "The show". Nein, mit "50 shades of Grey" hat dieser Red room wahrlich nichts zu tun – wenngleich manch ein Literatur-Fan bei Ersterem auch ein gewisses Unwohlsein verspüren mag. Die schwersten Geschütze fahren Clipping. aber gegen Schluss auf, wenn "Attunement" nach einer gefühlt ewig andauernden Noise-Welle von den Freuden des Wegschmelzens der Haut berichtet: "Nice, the ropes are tight enough to hold but never burn / That would defeat the purpose / Nothing beneath the surface." An dieser Stelle ist dann irgendwie auch alles egal, sogar für die Überlebenden, falls es denn welche geben sollte. Und deswegen endet "There existed an addiction to blood" mit zwei in die Höhe gehaltenen Mittelfingern und der 18-minütigen – achtzehn! – Aufnahme "Piano burning". Dabei handelt es sich um eine Komposition von Annea Lockwood aus dem Jahr 1968, bei der man tatsächlich hört, wie ein Klavier langsam abfackelt. Endlich Ruhe? Da hat wohl jemand nicht richtig aufgepasst.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Nothing is safe
- He dead (feat. Ed Balloon)
- La mala ordina (feat. The Rita, Elcamino & Benny The Butcher)
- The show
Tracklist
- Intro
- Nothing is safe
- He dead (feat. Ed Balloon)
- Haunting (Interlude)
- La mala ordina (feat. The Rita, Elcamino & Benny The Butcher)
- Club down (feat. Sarah Bernat)
- Prophecy (Interlude)
- Run for your life (feat. La Chat)
- The show
- Possession
- All in your head (feat. Counterfeit Madison & Robyn Hood)
- Blood of the fang
- Story 7
- Attunement (feat. Pedestrian Deposit)
- Piano burning
Im Forum kommentieren
MasterOfDisaster69
2019-12-19 12:09:40
ok, danke. glaube, da kenne ich nur Little Simz, wurde hier ja auch rezensiert. Der Song Venom hat ja einen aehnlichen Grusel-Gaensehaut-Touch wie Nothing is safe. Letzterer Song wird es wohl in die Top5 von 2019 schaffen.
boneless
2019-12-18 19:45:28
Malibu Ken und Danny Brown waren ähnlich super, wenn auch nicht in der Nähe von clipping, die stehen 2019 wirklich für sich.
Hörbar ansonsten:
Sean Price & Small Professor
Beast Coast
Little Simz
Tsu Surf
Blu & Damu The Fudgemunk
Viele mochten auch die JPEGMAFIA, aber meine Tasse Tee war das nicht.
MasterOfDisaster69
2019-12-18 12:26:22
Stark, hoere sonst eher wenig Hip-Hop, aber das hier kann was.
gab es im Bereich Hiphop/Rap eine aehnlich gute Platte anno 2019 ?
Danke fuer die Rezension.
ƒennegk
2019-12-06 10:54:50
Ich unterschreibe direkt mal die drei Posts über diesem von mir jetzt!
Der Untergeher
2019-12-05 22:24:05
(ich habe übrigens ziemlich lange gebraucht, um zu checken, dass das auf dem Cover Nägel sind, die einem da entgegen ragen.)
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