Angel Olsen - All mirrors
Jagjaguwar / CargoVÖ: 04.10.2019
Wer ist die Tollste im ganzen Land?
Na, wer hat es schon 2017 vorausgesehen? "Frauen im Spiegel" lautete da die Überschrift zu Angel Olsens Sammelwerk "Phases", zwei Jahre später veröffentlicht die 32-Jährige ihr viertes Album und nennt es tatsächlich "All mirrors". Ist schon gut, Angel! Wir sind eben doch Homies. Aber mal Wunschfantasien einer namenlosen Rezensentin beiseite: Auch mit ihrem neuesten Output schafft Olsen es scheinbar mit Leichtigkeit, den Hörer in ihren Bann zu ziehen – dabei ist "All mirrors" insgesamt tatsächlich alles andere als leichte Kost. Das deutete der ätherisch anmutende Titeltrack als Leadsingle bereits an, auf so einen Giganten wie die zweite Single war wohl aber kaum jemand vorbereitet.
Dabei ist es gar nicht unbedingt so, dass Olsen noch nie ein Epos wie "Lark" produziert hätte – allein auf "My woman" finden sich mit "Sister" und "Woman" gleich zwei davon. Und doch ist die schiere Wucht, mit der "Lark" sich Schicht um Schicht regelrecht aufbaut, besonders erwähnenswert. Zwei, drei, vier Songs in einem sind das, zum Finale gibt es ein spektakuläres Feuerwerk, aber keine Erlösung. Olsen sucht hier nicht das Licht, sondern den Schatten, die Verantwortwung im Düsteren, das Geradestehen für das eigene Fehlverhalten, und sie zieht ihre Anhänger mit in den Abgrund. Oder folgen wir nicht doch aus völlig freien Stücken?
Kühl wirkt das, vor allem aber auch kühn – Olsen ist längst auf einer Stufe der Karriereleiter angekommen, auf der sie nicht mehr gefallen muss zum Überleben. Und so gibt sich "All mirrors" an vielen Stellen regelrecht unnahbar, und sogar die wenigen halbwegs einladenden, offenen Momente bergen ein gewissen Gefahrenpotenzial für den sensiblen Geist. So ganz mag man der säuselnden Stimme nicht trauen, die sich durch das new-wavige "Too easy" schmust, und die anfängliche Ruhe von "Impasse" ist auch nur die Ankündigung für den kommenden Sturm. Danach folgt Noise, Drama, Grauen, das ganze Programm für alle, die erholsamen Schlaf für ein überholtes Konzept halten und lieber die volle Dröhnung wünschen.
Kaum Ähnlichkeiten bestehen jedenfalls noch zu einem früheren Olsen-Werk wie "Burn your fire for no witness", was angesichts der unglaublichen Qualität auf "All mirrors" freilich in Ordnung ist. Wie zur Versöhnung schmuggelt sie dafür eine kleine, sanfte Perle wie "Tonight" in die Tracklist, die auch der Titelsong irgendeiner Schwarz-Weiß-Romanze aus den Fünfzigerjahren sein könnte. Oder wedelt mit einem zumindest halbwegs befreiten Hippie-Blümchen wie "Summer" vor der Nase des Hörers, als wäre es eine Karotte zum Anlocken. Zum Schluss, wenn "Chance" den Vorhang für dieses Drama aus elf Akten langsam und mit viel Pomp fallen lässt, wenn Streicher den Weg aus dem tiefen Tal zurück ans Tageslicht begleiten, wenn die Sängerin endgültig klarmacht, dass sie sowohl Prinzessin als auch böse Königinnen-Stiefmutter sein kann, kommt der Befreiungsschlag von ganz allein – von Olsen selbst, versteht sich. Wer braucht schon einen Ritter in glänzender Rüstung?
Highlights & Tracklist
Highlights
- Lark
- Summer
- Chance
Tracklist
- Lark
- All mirrors
- Too easy
- New love cassette
- Spring
- What it is
- Impasse
- Tonight
- Summer
- Endgame
- Chance
Im Forum kommentieren
saihttam
2021-03-26 13:29:22
Für mich stechen die ersten beiden Songs und Summer erst mal sehr heraus. Der Rest ist ein bisschen dezenter im Klang. Dennoch gibt es da schon noch viele Perlen zu entdecken. Mags mittlerweile doch auch echt gerne, aber an My Woman kommt es nicht heran.
MopedTobias (Marvin)
2021-03-20 18:18:28
"Tonight" find ich noch sehr toll.
nörtz
2021-03-20 17:56:45
Die sind natürlich richtig gut, aber wurden bei mir dann doch von "Spring" abgelöst, weil mich dessen Text und ihr Gesang so verdammt melancholisch und wehmütig machen.^^
"Chance" wäre dann wohl mein Viertliebster. Den Rest muss ich mir wohl noch einmal anhören. Da blieb kaum etwas hängen.
AliBlaBla
2021-03-20 17:45:12
@MopedTobias (Marvin)
Word
MopedTobias (Marvin)
2021-03-20 11:30:11
Die ersten beiden Songs sind wirklich immer noch unfassbar gut.
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