Sido - Ich & keine Maske

Urban / Universal
VÖ: 27.09.2019
Unsere Bewertung: 3/10
3/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

No voice

Man kennt es häufig genug, dass ein Album durch seine herausragenden Songs definiert wird. Den einen Hit, die positiv auffallenden Stücke, den zentralen Fixpunkt. Sidos achter Longplayer "Ich & keine Maske" ist gewissermaßen ein Gegenentwurf dazu. Denn nebst viel Standard und Graubrot sind es hier vor allem die grottigen Ausschläge nach unten, welche die Suppe so dermaßen versalzen, dass einem stellenweise wirklich das Grauen kommt. Doch der Reihe nach. So wie der Albumtitel nach solch kreativen Auswüchsen wie "Maske", "Ich", "Ich und meine Maske" oder "VI" nur der Linie treu bleibt, reflektieren die Songs das gesetzte Leben des Paul Würdig zwischen Familienleben, Jurortätigkeit bei "The voice of Germany" und gelegentlichen Filmauftritten: vom "Drecksviertel" zum "Speckgürtel", wie er es selbst formuliert. Früher war er eine interessante, kontroverse Figur, heute macht er seinen Kram halt solide und unaufregend. Meistens jedenfalls.

Die Rückbesinnung auf pure(re)n Rap von "Das goldene Album" findet demnach keine Fortsetzung. Stattdessen gibt es mit "2002" und dem Paradiesvogel Apache 207 eine wehmütige, von Autotune getränkte Erinnerung an bessere Zeiten und mit "Wie Papa" und "Jedes Geheimnis" gleich zwei Songs für und über seine Sprösslinge, denen er trotz vollem Terminkalender ein guter Vater sein will. Alles ist gepackt in leicht verdauliche Beats, wie fürs Primetime-Programm gemacht. Das ist – wie er es mit dem immerhin sehr gut aufgelegten Casper formuliert – "Schono ke". Man erwartet und möchte schließlich keinen "Arschficksong" mehr von jemandem, der demnächst die 40 überschreitet. Auf Dauer wäre aber mehr Wagemut und Bissigkeit bei Disstracks wie "Das Buch" nett gewesen. Und wie bereits angesprochen brechen "Ich & keine Maske" vor allem die unsäglichen und leider schwer wiegenden Lowlights das Genick.

Dass Sido die Formel seines ersten Nummer-eins-Hits "Astronaut" noch mal aufwärmt, ist wenig überraschend. Doch das grausige "Pyramiden" ist der mit Abstand hässlichere Zwilling. Statt Andreas Bourani knödelt sich Johannes Oerding durch den Akustik-Schlager, "Wir müssen in den sauren Apfel beißen / Abreißen und neu machen", heißt es mit nur leicht umformuliertem Sentiment. Die Strophen sind quasi zwischen beiden Songs austauschbar. Schlimmer noch als dieses Stück ist jedoch "Leben vor dem Tod". Feine Sahne Fischfilet sind schon für sich genommen Geschmackssache, aber selbst deren härteste Fans müssen zugeben, dass Sänger Monchi für diesen melodischen Refrain nicht einmal die mindesten Voraussetzungen mitbringt. So entsetzlich das klingt, so ironisch ist es wohl, dass Sido bei ProSieben ansonsten Gesangleistungen anderer Leute beurteilt. Der Drops für die Message "Leb' Dein Leben, geh' Deinen Weg, blablubb" ist auch abseits davon bereits mehr als gelutscht.

Und wenn man denkt, wirklich alle Tiefen ausgelotet zu haben, kommt mit "Fällig" ein katastrophaler Sex-R'n'B-Schmonz, mit Dauerlatte, aber ohne jedes musikalische Gefühl. "Baby, heut Nacht bist du fällig", säuselt Nico Santos zwischen Sidos notgeil sabbernden Strophen. "Dein Instagram-Feed macht mich heiß / Doch ich brauche das mal wieder live / Komm wir chill'n übertrieben / Lassen Netflix links liegen" – wie war das noch gleich mit der "Liebe in Zeiten der Follower"? Da kann man Flachgeschosse wie Kay One oder Pietro Lombardi ohne Skrupel im selben Atemzug nennen. Wenn der Rest einfach mäßig bis achselzuckend egal ist, wirken solche Fehltritte umso schlimmer. Was dafür sorgt, dass "Ich & keine Maske" weniger als die Summe seiner Teile ist und unterm Strich scheinbar nur zum Selbstzweck existiert. Neues Album weil neues Album. Es hat nichts zu sagen, es verströmt keinen Drang. Operation gelungen, Patient tot.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Papu
  • Schono ke (feat. Casper)

Tracklist

  1. Wie Papa
  2. Junge von der Straße
  3. Melatonin (feat. Yonii & Baka)
  4. 2002 (feat. Apache 207)
  5. Leben vor dem Tod (feat. Monchi)
  6. Beste Zeit
  7. High (feat. Samra & Kool Savas)
  8. Energie (feat. Luciano)
  9. Jedes Geheimnis
  10. Papu
  11. Fällig (feat. Santos)
  12. Das Buch
  13. Schono ke (feat. Casper)
  14. Pyramiden (feat. Johannes Oerding)
Gesamtspielzeit: 44:44 min

Im Forum kommentieren

Armin

2019-10-03 00:12:33

Problem erkannt, Link korrigiert, vielen Dank!

edegeiler

2019-10-03 00:02:18

Habe gestern "Fällig" gehört und 10 Minuten gelacht. Von daher Empfehlung meinerseits!

Affengitarre

2019-10-02 23:48:31

Der Link passt leider nicht. Angezeigt wird die Rezension von TaxiWars.

Armin

2019-10-02 23:22:36- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

almin

2019-05-10 22:45:21

bewertung 1/10 grund: deutscher interpret, deutscher text, kein niveau

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