Life Of Agony - The sound of scars

Napalm / Universal
VÖ: 11.10.2019
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Keine Wucht

Eine der prägendsten Viva-2-Erinnerungen des Rezensenten ist folgende: Ein zierlicher Mann sitzt barfuß in einem großzügigen Sessel und spielt ein Akustik-Set. Dabei war nicht die Musik selbst das Bemerkenswerte, sondern das Mienenspiel des Sängers, welches sich ob Verzweiflung, Emphase und großer Zärtlichkeit in immer neuen Verzerrungen neu manifestierte. Dies war höchst faszinierend und weckte Interesse. Schnell konnte man rausbekommen, dass der Sänger Keith Caputo früher einer Band namens Life Of Agony vorstand. Die CD "River runs red" wurde blind gekauft, und enttäuscht war der Hörer im besten Teenager-Alter definitiv nicht, nur fand er den Ausdruck zärtlichen Leidens von dem Akustik-Konzert nur schwerlich wieder. Dies hier war ein roher Brocken, ungeschliffen, doch mit jeder Menge mitreißender Momente. Aber eben auch eher hart und brachial. Dass Caputo auf dem letzten Life-Of-Agony-Album vor der ersten Bandauflösung 1999 seine Band dann erst in diejenigen ruhigeren Gewässer führte, die dann zu jenen Solo-Veröffentlichungen führten, welche der Viva-2-Mitschnitt abbildete, erfuhr der Rezensent erst später. Was das alles mit der Gegenwart zu tun hat? Nun, Life Of Agony sind seit gut fünf Jahren wieder zusammen, aus Keith wurde Mina, und die Band veröffentlicht ihre neue Platte "The sound of scars." Diese greift die Thematik des juvenilen Außenseiters in der Nähe des Suizids von "River runs red" wieder auf und soll laut Band auch musikalisch große Parallelen aufweisen.

Und ja, grundsätzlich ist das richtig. "The sound of scars" ist nämlich ein hartes Album, brachial und mit viel Druck dargeboten. Das heißt, es gibt fast immer einen satten Groove und durchschlagskräftige Riffs. So weit, so gut, nur war "River runs red" gerade deswegen so eindringlich, weil es roh und nur grob behauen wirkte. Die Produktion besaß zum Beispiel einen gewissen Mangel an Tiefenschärfe, die das ganze Werk ein wenig verwaschen erscheinen ließ. Ob das Absicht war oder nicht, ist dabei zweitrangig, etwas Wunderbares in leicht angeschlagener Form vor sich zu haben, war jedoch ein starkes Gefühl, welches zur ganz eigenen Magie dieses Meisterwerkes beitrug. Und jetzt? Hochglanz! Alles sitzt schnurgerade und punktgenau, die Riffs und Soli sind mit dem Lineal gezogen. Life Of Agony erscheinen im Zusammenspiel als gut geölte Machine, bei der kein Bestandteil auch nur einen Milimeter von der vorgegebenen Richtung abweicht. "Scars" landet mit seinem Groove und seinen rotierenden Gitarren im B-Seiten-Vorgarten von Audioslave, rund, routiniert und auch kraftvoll, aber leider langweilig. Das Paradox des zentnerschweren Schwebens vermittelt "Lay down", in seinem Wechsel zwischen wuchtiger Riffigkeit und ruhiger Strophe greift es aber wieder allzu Erprobtes auf. Auch die Hook-Line "Won't lay down and die" ist eher Imitation oder Schlagwort-Bingo als echtes Gefühl. Wenn die Band dann selber die Referenz zu ihrem Meisterwerk zieht, vergleicht man natürlich, und da kann "The sound of scars nur verlieren.

Dabei gibt es durchaus ein paar Takeaways von dieser Platte, die für sich gesehen positiv stimmen. Ganz objektiv muss man feststellen, dass Mina Caputo eine inzwischen extrem facettenreiche Range in ihrer Stimme hat. Wie sie wehmütig durch die Metal-Wolken von "Black heart" gleitet oder sich in "Weight of the world" mit eleganten Vocal-Schwingungen an einer imaginären Wand entlangtastet, hat deutlich etwas für sich. Aber textlich hakt es auch hier: "The weight of the world is coming down on me." Wie oft man das schon gehört hat? Und doch gibt es kleine Kostbarkeiten abseits der Nummer-Sicher-Brachialität: Der Abschluss "I surrender" ist nicht nur eine Befreiungshymne wider Willen, sondern auch ein klanglicher Tornado, festgehalten in Zeitlupe. Dennoch hält "The sound of scars" fast natürlicherweise dem Vergleich mit seinem Geschwisteralbum nicht stand. Zu glatt und vorhersehbar sind Life Of Agony 2019. Verzweiflung, echte Emphase und echte Zärtlichkeit kommen so beim Hörer nicht an. Die Wucht, sie trifft einen nur oberflächlich.

(Martin Makolies)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Black heart
  • I surrender

Tracklist

  1. Prelude
  2. Scars
  3. Black heart
  4. Lay down
  5. Then
  6. Empty hole
  7. My way out
  8. Eliminate
  9. Now
  10. Once below
  11. Stone
  12. Weight of the world
  13. When
  14. I surrender
Gesamtspielzeit: 40:35 min

Im Forum kommentieren

HerrH.

2023-03-03 19:26:27

Ohne Flax, gestern abend wieder gehört und für extrem rund befunden (bis auf die "story-tracks"). Wird emotional nie an SSS herankommen, aber das verlangt auch keiner. Wenn ich unter der Dusche groove, muss es gut sein...

nagolny

2023-03-03 17:48:07

Weitaus besser als hier bewertet. Groovet wieder mehr, vom Eingängigkeitsfaktor her zwischen RRR und Ugly. Melodisch wird es zwischendurch auch mal, vor allem gesanglich merkt man, dass Mina es noch kann und sich das mit etwa Weeds von der SSS nichts nimmt. Zwei, drei Hits lassen sich ausmachen, insgesamt ist das Album rund, die Soundqualität ist top notch (im Gegensatz zu Broken Valley - brrrr), und trotz Groovelastigkeit gibt es nicht zu wenig Abwechslung. Die allermeistens Songs sind gut oder besser, und es gibt keinen, der nicht mindestens solide wäre. Minimal sehe ich das Album bei 8, beinahe schon bei 9 Punkten. Dass das alles nicht mehr so depressiv klingt wie auf Ugly ist eh klar, inzwischen sind die Musiker eben im Leben angekommen. Und das ist auch gut so.

Pierre Baguette

2019-10-15 23:28:40

Puh, die waren schon mal besser...
River runs red und ugly haben in meiner CD-sammlung einen Ehrenplatz.
Hier gibt es ein paar nette Gitarrenriffs, aber es bleibt wenig hängen. Sehr schade.

Armin

2019-10-05 18:25:07- Newsbeitrag


Hard rock and crossover metal veterans, LIFE OF AGONY, are set to release their critically acclaimed new album, The Sound of Scars, on October 11, 2019 with Napalm Records. Following the hit singles, Scars, and the recently premiered Lay Down, the NYC-based icons have just unleashed a brutal as hell track before The Sound of Scars drops next week! Musically „Black Heart“ represents the heaviest and blistering side of LOA's new album, but showcases the band's wide range of their unique and distinctive sound, which has influenced entire generations. Watch LIFE OF AGONY's brand new video of a „Black Heart“ HERE!

Armin

2019-10-02 23:21:01- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?


Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Threads im Forum