Post Malone - Hollywood's bleeding
Republic / UniversalVÖ: 06.09.2019
Zwischen den Stilen
Post Malone ist ein so untypischer Welt-Pop-Star, dass er in Zeiten von Billie Eilish und Co. eigentlich gar nicht weiter auffällt. Die äußere Erscheinung von Austin Richard Post samt Gesichtstattoos und wildem Haarwuchs suggeriert nicht wirklich seine sanfte Stimme und den leicht melancholischen Trap-Country-Pop, mit dem er Genre-Grenzen gleichermaßen schmilzt wie sie in radiofreundliche neue Formen gießt. Der ehemalige Metal-Gitarrist mit einem Faible für Bob Dylan und Fleet Foxes konnte alle 18 Songs von "Beerbongs & bentleys" in den US-Charts unterbringen, brach diverse Streaming-Rekorde und wurde für einen Grammy nominiert. "Got so many hits, can't remember'em all", gockelt er unbescheiden in "On the road" – mit Wohlwollen ließe sich diese Line in einem so generischen, blutleeren Track immerhin als Meta-Seitenhieb auf das Musikbusiness deuten. Zum Glück ist jener Song aber sowieso nicht repräsentativ für "Hollywood's bleeding", Posts unterhaltsamstes und ambitioniertes Album bislang.
Mit sanften Gitarrenanschlägen eröffnet der atmosphärische Titelsong die Platte, Post trauert einer verlorenen Liebe hinterher und beschreibt die ausbeuterischen Mechanismen der Traumfabrik mit Vampir-Metaphern. Beginnend mit der dunklen Seite des Ruhms scheint der selbsternannte Nicht-Rapper zunächst nur klassische HipHop-Tropen abzuhaken: "Saint-Tropez" ist ein Trap-Banger mit stumpfen Bling-Bling-Gepose, "Enemies" eine Abrechnung mit falschen Freunden, die zumindest eine Ohrwurm-Hook und einen hungrigen Part des Newcomers DaBaby vorzuweisen hat. Man muss Post zugutehalten, dass er selbst beim Abklappern unreflektierter Stereotype etwas neben der Spur klingt, als würde ein nicht sofort erkennbarer doppelter Boden darunter stecken. Dennoch bewegt er sich in "Goodbyes" auf ganz dünnem Eis, wenn er sich allen Ernstes mit Kurt Cobain vergleicht, und auch "Die for me" ergeht sich unangenehm im käsigen Selbstmitleid. Letzteres rettet eine – ob bewusst oder nicht – herrlich selbstironische Halsey-Line immerhin ein bisschen: " I sold 15 million copies of a break-up note."
Die größten Durchhänger wären damit abgehakt, der Rest von "Hollywood's bleeding" nimmt ein ausgiebiges Bad im Eklektizismus. "Allergic" klingt, als würde Julian Casablancas Neunziger-College-Rock mit Sixties-Pop kreuzen wollen, während Post das ganze Spektrum seiner variablen Stimme präsentiert. Gemeinsam mit SZA sonnt er sich Synthie-Pop von "Staring at the sun", tanzt in "Wow." auf dem Kristallboden von Drakes R'n'B-Kühlhaus und verpackt den Herzschmerz von "Circles" gar in süßlichen Indie-Pop. Für jenen Song zeichnet sich Tame Impalas Kevin Parker verantwortlich und wird damit zum Teil einer namhaften, in ihrer Zusammenstellung obskuren Gästeliste vor und hinter den Kulissen. Kanye West macht aus platter Kritik an der Instagram-Kultur in "Internet" eine fast schon grotesk dramatische Streicher-Ballade, während niemand geringeres als Father John Misty an der Retro-Soul-Verbeugung "Myself" mitgeschrieben hat. Das alles bestärkt den Mixtape- bzw. Spotify-Playlist-Charakter des Albums – nicht zuletzt wird auch "Sunflower" vom "Spider-Man: Into the Spider-Verse"-Soundtrack wiederverwertet –, aber Spaß machen diese bunten, verrückten Pop-Collagen absolut.
Zwei Songs stechen auf besondere Weise heraus. Zum einen ist das die dunkle Power-Ballade "Take what you want" mit Feature von Ozzy Osbourne (!) und einem völlig übertriebenen Hard-Rock-Solo, das wie von Slash auf einem untergehenden Flugzeugträger gespielt wirkt. Zum anderen fasziniert "A thousand bad times", in dem Post sich über die destruktive Kraft falscher Liebschaften hinwegsetzt und damit die Geschlechter tauschende Version des klassischen Trennungs-Empowerments einer Taylor Swift feiert – mit seinem Pop-Rock und der emotionalen Performance klingt der Track auch exakt so. "I'm gonna be what I want / I'm gonna do what I want, when I want", croont der erst 24-Jährige in "I'm gonna be" über einer gar nicht mehr so absurden Mischung aus Dreampop-Gitarren und Trap-Beat. Es ist ein "My way" für die Post-Alles-Generation, aus deren Mainstream-Musik der Begriff des Genres immer mehr zu verschwinden scheint. Ob Austin Richard Post mehr als nur der Schutzpatron dieser Entwicklung sein kann, wird das aktuelle Jahrzehnt wohl nicht mehr beantworten.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Allergic
- A thousand bad times
- Take what you want (feat. Ozzy Osbourne & Travis Scott)
- Staring at the sun (feat. SZA)
- Myself
Tracklist
- Hollywood's bleeding
- Saint-Tropez
- Enemies (feat. DaBaby)
- Allergic
- A thousand bad times
- Circles
- Die for me (feat. Future & Halsey)
- On the road (feat. Meek Mill & Lil Baby)
- Take what you want (feat. Ozzy Osbourne & Travis Scott)
- I'm gonna be
- Staring at the sun (feat. SZA)
- Sunflower (Spiderman: Into the Spider-Verse) (feat. Swae Lee)
- Internet
- Goodbyes (feat. Young Thug)
- Myself
- I know
- Wow.
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Armin
2019-09-18 15:31:33- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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