Taylor Swift - Lover
Republic / UniversalVÖ: 23.08.2019
Farbenspiel
Es wird einem beinahe schwindelig von all den 180-Grad-Wendungen, die Taylor Swift mit der Zeit aufs Parkett legt. Startete sie als Country-Star, lugte spätestens "Red" ganz klar mit Hilfe des schwedischen Songwriter-Moguls Max Martin in Richtung Pop. Nach dem träumeligen "1989" gab sich "Reputation" stellenweise biestig. Die Öffentlichkeit wandte sich gegen sie und Swift giftete zurück. Dabei fanden sich auf jener Platte auch sentimentale Liebesbekundungen wie "King of my heart", die zwischen den Event-Singles und dem mit kantiger Schriftart ausgestatteten Schwarzweiß-Cover untergingen. Ihr siebtes Album "Lover" schließt genau an diese softeren Songs an, riecht schon beim Ansehen förmlich nach Zuckerwatte. Dazu Regenbogenfarben, Glitzer am Auge. Der Inhalt zieht entsprechend nach.
Swift gab selbst kürzlich zu, dass ihr die Zeit um 2017 herum als Sündenbock und Beef-Partizipientin persönlich zu schaffen machte. "Lover" setzt sich damit auseinander, aber in einer abgeklärten, besänftigten Weise und durch die rosarote Brille ihrer Beziehung zum Schauspieler Joe Alwyn. Zwar lässt beispielweise der Opener "I forgot that you existed" bereits das Mausen nicht und tritt mit "It isn't love, it isn't hate, it's just indifference" gegen einen Ex, recht wahrscheinlich EDM-Star Calvin Harris, nach. Das geschieht jedoch zu solch lieblichen Klängen, dass keinerlei Bissigkeit mitschwebt. Diese wattige Weichheit ist eine Grundlinie, welche die stolzen 18 Songs verbindet. Was "Lover" zum vielleicht bisher besten Taylor-Swift-Album macht, ist schlichtweg die Klasse des Songwritings fast aller Tracks.
Nachdem sich das Album mit dem netten St.-Vincent-Cowrite "Cruel summer" warmgespielt hat, folgt mit dem Titeltrack bereits das erste Highlight. Ein kleiner Blick zurück auf die Country-Zeit, ein warmes Klangbild. "We can leave the Christmas lights up 'til January / This is our place / We make the rules." Wenn das künftig als Walzer auf Hochzeiten läuft, ist das weder Zufall noch unverdient. Das Gefühl zieht sich durch: Der ätherische Closer "Daylight" wirft zwar noch einmal den Blick zurück, aber der Optimismus siegt: "Maybe I've stormed out of every single room in this town / Threw out our cloaks and daggers because it's morning now / It's brighter now." Das alles funktioniert auch deshalb toll, weil der zurecht derzeit so gefragte Jack Antonoff in den meisten Songs seine Finger im Spiel hatte und sein Melodiegespür einbrachte.
Zwei Momente stechen besonders hervor. "The archer" sagt sich von jeglichem Beat los, sondern betritt den Pfad der sphärischen Achtziger-Reminiszenz, welchen Lorde auf "Melodrama" so erfolgreich nahm. "I search for your dark side", singt Swift, von der Unsicherheit in der gefundenen Liebe, von den dunklen Stunden zusammen. Und der Song erhebt sich majestätisch. Später tauchen die von der Country-Szene als Landesverräter gebrandmarkten Dixie Chicks auf und begleiten "Soon you'll get better", eine berührende akustische Ballade über den Kampf von Swifts Mutter gegen den Krebs. "It's been years of hoping / And I keep saying it because / 'Cause I have to". Swift hielt in ihren Songs selten mit Persönlichem hinterm Berg. Wenn sie von der Angst bei der Arztdiagnose erzählt, wirkt sie jedoch so nahbar wie nie zuvor.
Umso unverständlicher hingegen, warum die zurecht allerseits verrissene Single "Me!" nicht noch von der Tracklist flog. Sie ist mindestens genauso nervig wie die jüngsten Ergüsse von Panic! At The Disco, der Hauptband von Feature-Gast Brendon Urie. Dass sich Swift nach Jahren des politischen Schweigens mit der zweiten Single "You need to calm down" klar für LGBTIQ-Rechte positionierte und gegen Intoleranz stellte, war ehrenwert, aber leider auch nur etwas besser in der Ausführung. Dem Album als Ganzes fügen die Auskopplungen jedoch maximal einen Kratzer zu. Denn wenn inmitten dessen "False god" mit einem Saxofon sinnlich umschmeichelt und "Afterglow" mit dramatischer Melodie den Liebhaber zum Bleiben auffordert, überpinselt das diese Momente der Schwäche. Für ein so ausuferndes Album ist "Lover" bemerkenswert konstant stark. Vielleicht liegt es daran, dass Swift die gleiche Stabilität für sich gefunden hat.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Lover
- The archer
- Miss Americana & the heartbreak prince
- Soon you'll get better (feat. Dixie Chicks)
- False god
Tracklist
- I forgot that you existed
- Cruel summer
- Lover
- The man
- The archer
- I think he knows
- Miss Americana & the heartbreak prince
- Paper rings
- Cornelia Street
- Death by a thousand cuts
- London boy
- Soon you'll get better (feat. Dixie Chicks)
- False god
- You need to calm down
- Afterglow
- Me! (feat. Brendon Urie)
- It's nice to have a friend
- Daylight
Im Forum kommentieren
Edrol
2019-08-31 21:20:44
Ich bin ja durchaus popaffin, aber Taylor Stift fand ich schon immer glatt, blass und langweilig. Ihre Songs kriegen mich einfach nicht. Allenfalls "The Man" und "Miss Americana ..." haben für mich Replay-Value. Ja, und der weihnachtliche Titeltrack vielleicht auch noch.
Armin
2019-08-31 20:50:12- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
qwertz
2019-08-25 09:47:28
Denke auch, dass der Titelsong am ehesten Bestand haben wird. Wirkt wie fürs Hochzeitsparkett geschrieben und dürfte damit "Perfect" von Ed Sheeran ablösen.
MM13
2019-08-24 16:10:44
an sich nicht schlecht,wenns auch nicht meine musik ist,aber der titelsong gefällt mir.
Felix H
2019-08-23 08:45:40- Newsbeitrag
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