Heinz Strunk - Aufstand der dünnen Hipsterärmchen

Audiolith / Broken Silence
VÖ: 23.08.2019
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
4/10

Mehr Evolution wagen

Irgendwie hat es Heinz Strunk geschafft. Der Mann, der vor ungefähr zwei Jahrzehnten noch mit Studio Braun großen und kleinen Unfug an der Schrottgrenze fabrizierte, ist nicht erst seit der Verfilmung seines Werks "Der goldene Handschuh" so etwas wie ein anerkannter Kulturschaffender. Keine geplante, aber eine stattliche Karriere, die der "Heinzer" da hingelegt hat. Apropos "Heinzer": Wer sich an Strunks semi-autobiographischen Roman "Fleisch ist mein Gemüse" erinnert, weiß um das musikalische Talent des Hanseaten. Die Zeiten der Schützenfeste sind gottlob vorbei, das Interesse am "Abliefern" ist jedoch geblieben. Das, was Strunk auf "Aufstand der dünnen Hipsterärmchen" veranstaltet, schließt direkt an seine bisherigen Alben an. Eine gewisse Liebe für den abseitigen Humor des Hamburgers muss man also mitbringen.

Musikalische Scheuklappen sind ihm weiterhin fremd. Ohne Rücksicht auf Verluste bedient er sich überall dort, wo es schmerzt. Schon der Titeltrack geht in die Vollen: Zu einer schrulligen Mixtur aus Eurotrash und Dorfdisco-Trance erörtert der Norddeutsche Ursache und Wirkung des Hipstertums. Die entscheidenden Fragen beantwortet er dabei selbst: "Handys in Nordkorea? Kein Empfang / Hipster in Nordkorea? Unbekannt." Das bewusste Verstümmeln von Ideen zieht sich als roter Faden durch das Album. So ist "Drohnen" ein hingeschluderter Haufen Mist, der genau deshalb sein Ziel erreicht. Sofern Misthaufen denn Ziele haben. Heinz Strunk dürfte derlei Gehirnakrobatik völlig egal sein. Er verwurstet lieber "Patrona bavariae" des Original Naabtal Duos in einem Ständchen für die "Costa Concordia". Geschmacklos? Na hoffentlich.

Glücklicherweise werden auch wirklich wichtige Themen besprochen. So erhalten "Saugetücher" endlich die Würdigung, die sie verdienen, Flötensolo inklusive. Und auch des Deutschen liebste Quizsendung bekommt ihr Fett weg: In "Wer wird Millionär" erklärt Strunk unter anderem, weshalb Jogi Löw bisher nicht zur Promiausgabe erschienen ist. "Kleins Wohnung" schließt hingegen thematisch an den Gossensplatter von "Der goldene Handschuh" an. Der Ekel des Banalen fungiert als Spiegel, den der Musiker dem Hörer vorhält. Es gibt garantiert Menschen, die sich über so etwas aufregen. Es gibt aber auch Menschen, die Oettinger Alt für gutes Bier halten.

Kultivierte Personen konsumieren selbstverständlich andere Getränke, Kaffee und Wein zum Beispiel. Wobei angesichts des gruseligen Instrumentals des Zwillingspaares "Braunes Gold (Coffee-Song)" und "Rebengold (Wine-Song)" auch diese Entscheidung überdacht werden sollte. Doch genau aus solchen Gegensätzen zieht Strunk Inspiration. Vergleiche mit Helge Schneider sind möglich, aber sinnlos. Heinz Strunk ist der Heinz Strunk seiner Generation. Die besten Ideen sind sowieso jene, die sich nicht vermeiden lassen. Echte "Originals" eben. Manchmal gelingen dabei sogar Hits wie "Abgelaufen". Leider ist die Spezies noch nicht weit genug, um dies anzuerkennen. Mehr Evolution wagen, bitte.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Abgelaufen
  • Originals
  • Saugetücher
  • Costa Concordia

Tracklist

  1. Aufstand der dünnen Hipsterärmchen
  2. Braunes Gold (Coffee-Song)
  3. Abgelaufen
  4. Drohnen
  5. Originals
  6. Saugetücher
  7. Kleins Wohnung
  8. Alter Vater
  9. Costa Concordia
  10. Wer wird Millionär
  11. Deutsches Laub
  12. Rebengold (Wine-Song)
Gesamtspielzeit: 35:24 min

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Mr. Orange

2019-08-31 23:08:59

Interview:

https://youtu.be/k6agWGfalME

Armin

2019-08-31 20:49:54- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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