Felix Meyer & Project Île - Die im Dunkeln hört man doch
SPVVÖ: 06.09.2019
Verkünde es vom Berge
Meine Damen und Herren, holen Sie den Sonntagsstaat heraus, machen Sie es sich in den Sitzen nicht allzu bequem und setzen Sie möglichst ein feierliches Gesicht auf. Sie kommen nämlich in den Genuss von DER MORAL, dargereicht von unserem liebsten ehemaligen Straßenmusiker, Felix Meyer. Vorbei die Zeit, in der Meyer auf "Menschen des 21. Jahrhunderts" über Artischockenherzensuppe oder Fischrestaurants sang. Jetzt, auf seiner neuen Platte "Die im Dunkeln hört man doch" wird gepredigt, Jesus, Moses, darunter macht es Meyer im Eröffnungsstück "Der Mensch dem Menschen" nicht, denn: "Nur der Mensch kann dem Menschen ein Mensch sein / Wenngleich der Rest der Welt verloren zu gehen droht." Tja und so was verpackt man dann ganz unbescheiden in eine Mischung aus Udo-Jürgens-Mahnlied und apokalyptische Rockoper. Nur ist dies derart bräsig, geradezu spießig umgesetzt, dass es fast einer Parodie gleichkommt. Dies passt allerdings hervorragend zu den leeren Formulierungen auf Textebene, die einfach möglichst viel Moral von oben herab in die Zeilen quetschen wollen, "Also nach allem / Fassen wir mal zusammen / Es wird erst richtig und gut sein / Wenn es hier allen mit allem gefallen kann." Dies ist ja richtig in der Sache, kommt aber derart oberlehrerhaft und unspiriert daher, dass man müde weghört.
Bei Stücken wie dem schwungvollen "Einfach so" drängt sich musikalisch der Vergleich zu Element Of Crime auf. Doch wird auf dem neuen Output Meyers die große qualitative Differenz schmerzhaft deutlich. Wo bei den Berliner Straßenkötern Geschichten und Anekdoten bizarre Alltagswahrheiten ausschwitzen, die auf eine Allgemeingültigkeit verweisen, feiert Meyer über seine Songs eher die eigene Zugehörigkeit zum Bildungsbürgertum. Von da aus kommt dann auch der müde Imperativ "Steh auf!", nur echt mit Ausrufezeichen, der wie ein müder Reflex der satten Musikerkaste wirkt, die mögliche Ecken und Kanten der eigenen Songs wegpoliert und lieber einen von Mumford & Sons bis zum Erbrechen ausgewrungenen Tanz-Folk auf die Leute loslässt. Denn das kennt die Masse, dadurch wird sie nicht irritiert. Ebenso wenig übrigens von dem wenig originellen Aufgreifen kanonischer Redewendungen. Man steckt zu schnell den Kopf in den Sand, ist das Glas halb voll oder halb leer, jetzt bitte nicht einschlafen.
Nochmal: Gesellschaftliche Spannungen und Missstände anzusprechen, ist wichtig, vielleicht wichtiger denn je. Doch wenn man es so konservativ und streberhaft macht wie Meyer, löst das eher eine Abwehrhaltung aus. Und da berührt die anekdotische Kindheitserinnerung "Das große Fest" mit seiner liebevollen Ausgestaltung durch Akkordeon und mild gleitende Gitarre viel eher, ist authentisch. Auch der locker-süffige Rock von "Nichts ist egal", der durch die Textebene die Kneipe verlässt und weite Landschaften in sich aufnimmt, bewahrt sich eine unprätentiöse Qualität, die leider oft hinter der Schlagwort-Sucht Meyers zurück bleibt. Und so verspielt er auch viel Wirkung, wenn er das fein aufgebaute "Europa", "Und Du, Mädchen spieltest im Sand / Und wurdest von Kindern, den Tieren und Göttern / verehrt und Europa genannt", wieder in eine moralische Abrechnung überführt, die erneut in der Sache richtig ist, jedoch zu sehr auf die gehaltvolle Punchline zielt: "Sag mir, wie fühlt sich das an / Als Dir so viel Blut durch die Finger rann?" Na, da muss man recht gut aufpassen, dass der feine Anzug keinen Schaden nimmt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Das große Fest
Tracklist
- Der Mensch dem Menschen
- Einfach so
- Steh auf!
- Nabel der Zeit
- Wald
- Das große Fest
- Nichts ist egal
- Wie in einem Lied
- Die Ballade von Laure und José
- Zeitlupe
- Europa
Im Forum kommentieren
Armin
2019-08-31 20:48:39- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Armin
2019-06-26 11:57:01- Newsbeitrag
Am 06.09.19 veröffentlicht Felix Meyer sein neues Album „Die im Dunkeln hoert man doch!“. Auch wird es eine ausgedehnte Tournee im November geben. Daten siehe unten.
Seit nunmehr 10 Jahren erspielt sich der Autor Felix Meyer mit seiner bewegten europäischen Straßenmusik Geschichte irgendwo abseits der poppigen Plattenfirmen und der platten Popmusik eine immer wichtiger werdende Nische zwischen internationalem Chanson, Poesie und Systemkritik, Lagerfeuer, Lebenslust und Liebesballaden. Mit vielen Freunden, Kollegen und Weggefährten wie Dota Kehr, Hans-Eckardt Wenzel, Sarah Lesch, Konstantin Wecker, der Band Keimzeit, Max Prosa oder Maike Rosa Vogel ergeben sich immer wieder Projekte, Lieder und gemeinsame Auftritte.
Das neue Album „Die im Dunkeln hoert man doch“ handelt von Gerechtigkeit und Gitarrensoli, Melancholie und Mehrstimmigkeit, Reimen, Reibereien und Reisebildern. Es geht um den Untergang in Zeitlupe, den Schutz der Schwachen vor den Starken, Küsse unter Sternen, das Herzklopfen und den Tod, einen Tag oder ein ganzes Leben im Wald. Friedfertigkeit und Fantasie. Dazu spielen die Musiker der Band „project île“ mal Jazz und mal Folk oder Chanson, Montuno und Musette. Sie schaffen es damit nach Belieben, den Inhalt zum Tanzen zubringen oder doppelt und dreifach zu unterstreichen.
Bei ihrer Tour im letzten Jahr begeisterten „Felix Meyer und project île“ ihr Publikum vom Jazzhaus in Freiburg bis in die Elbphilharmonie in Hamburg. Im letzten Sommer sang Felix Meyer mit Konstantin Wecker „Sage nein!“ vor Hunderttausenden auf der großen #unteilbar Demonstration in Berlin. Das Publikum des Bardentreffens in Bayern, des Rudolstadt Festivals in Thüringen und des Burg Herzberg Festivals in Hessen hat ihn mit seiner Band auf den großen Bühnen gesehen.
FELIX MEYER & project île | Die im Dunkeln hört man doch Tour 2019
04.11.2019 Stuttgart | Wizemann
05.11.2019 Köln | Stadtgarten
06.11.2019 Rostock | Peter Weiss Haus
07.11.2019 Stralsund | Eisengiesserei
09.11.2019 Oldenburg | Kulturetage
12.11.2019 Hamburg | Knust
13.11.2019 Hannover | Pavillon
14.11.2019 Magdeburg | Moritzhof
15.11.2019 Jena | Volksbad
16.11.2019 Zwickau | Alter Gasometer
22.11.2019 Berlin | Frannz Club
23.11.2019 Dresden | Beatpol
24.11.2019 Frankfurt | Brotfabrik
25.11.2019 München | Ampere
26.11.2019 Leipzig | Werk 2
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Referenzen
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
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