Ada Lea - What we say in private

Saddle Creek / Rough Trade
VÖ: 19.07.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Kein Bild machen

Und da lauert sie, die Gefahr von Promo-Informationen. Man liest über Ada Lea, Musikerin aus Montreal, dass sie sich obendrein der Malerei verschrieben habe. Gruselige Rezensions-Sätze wie "Ihre Musik kommt Bildern gleich" lauern da an der schattigen Grenze der Einfallslosigkeit. Bei Lea wären solche Ausgeburten der Oberflächlichkeiten auch noch fatal, da absolut irreführend. Denn wenn die Songs auf "What we say in private" eines nicht besitzen, dann das zusammenfassende, verallgemeinernde Motiv eines Gemäldes. Die Stücke auf diesem Debütalbum sind höchst wandelbar, hauen sich teils widersprüchliche Elemente als Kontrast um die Ohren und lassen sich niemals auf einen repräsentativen Moment einkochen. Man beachte nur die verschiedenen Zustände von "Mercury" dem Opener. In der Strophe mit offensiv-einfachem Riff durchaus agil vorranschreitend, verliert es sich in Richtung Refrain in einer dämonisch unterwanderten Trägheit, ja Verzagung. Der Rhythmus stockt, der Gesang entrollt sich wie klebriger Leim, man ist gefangen als willenloses Treibgut am Grunde eines Gewässers. Dass dann jedoch zum Abschluss ein in seiner Niedlichkeit beruhigendes Säuseln folgt, ist wie eine Pointe, deren Sinn man nicht direkt begreift.

Ada Lea setzt öfters auf solche die Gewissheiten aushebelnden Momente. "Wild heart", als liebliches Folk-Stück gestartet, verliert seine Gefasstheit in der Bridge, das Zärteln in Leas Stimme versandet zwischen den ins Leere greifenden Akkorden der Akustikgitarre, und auch der folgende Refrain wirkt zwar innig, ohne Schlagzeug-Begleitung aber sonderbar nackt. Es sind des Öfteren aus dem Hintergrund hereinbrechende Gitarrengarstigkeiten oder entgleiste Takte, die eine klare Verortung der Stücke schwierig, aber auch deren Reiz ausmachen. Wenn Ada Lea in "For real now (not pretend) ein "Today is gonna be a good day" proklamiert, weisen die in manischer Aufgekratzheit kreiselnden Instrumente auf einen Abgrund jenseits der Hysterie, das Stück öffnet lansam seinen bedrohlichen, neongrellen Schlund. Doch ganz wichtig für dieses Album ist eben auch jene angeknackste Zartheit und Milde. Nur steuern die lieblich schmachtenden Gitarren von "What makes me sad" eben auf eine verzerrte Übersteuerung hin. "The dancer" dagegen treibt in wolkigen Formationen federleicht vor sich hin, bevor ein gesunder Schlagzeug-Beat eine neue gerade Ausrichtung vorrantreibt, wo man vorher scheinbar ziellos durch eine Landschaft wandelte, sitzt man jetzt in einem Zug.

Was den Umgang mit Gesang und den Melodien im Allgemeinen betrifft, schafft es Lea, Momente außerweltlicher Schönheit in Situationen des Zusammenbruchs übergleiten zu lassen. "Yanking the pearls off around my neck" wird in weichem Tändeln da einer gesanglichen Climax zugeführt, die wie ein verzweifelter Aufschrei wirkt, der in seiner Gedämmtheit umso mehr berührt. "180 days" stellt hingegen angerauhte Gitarren neben glimmende Harfen, öffnet sich einem melodischen Ausdruck der Hoffnung, nur um dann die Decke wieder über den Kopf zu ziehen. Das soll dann mal einer auf einem einzigen Bild festhalten.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The party
  • What makes me sad
  • Yanking the pearls off around my neck

Tracklist

  1. Mercury
  2. Wild heart
  3. The party
  4. For real now (not pretend)
  5. Just one, please
  6. What makes me sad
  7. The dancer
  8. Yanking the pearls off around my neck
  9. 180 days
  10. Easy
Gesamtspielzeit: 37:52 min

Im Forum kommentieren

saihttam

2021-10-07 11:33:24

Das zweite Album ist seit kurzem draußen und scheint auch wieder sehr schön geworden zu sein.

saihttam

2019-08-20 01:20:49

Gutes Album! Schöner, recht eigenständiger Gitarrensound auch für eine Indie-Rock-Platte.

Armin

2019-07-20 22:34:48- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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