Crows - Silver tongues
Balley / CargoVÖ: 17.05.2019
Licht aus
Eine gespenstische Vorstellung: ein enger Raum. Vollkommene Finsternis. Ohrenbetäubender Lärm. Tja, unser Poststellen-Faktotum Erwin ist um seinen Arbeitsplatz im unverglasten Teil des ansonsten vollverglasten Redaktionsgebäudes wirklich nicht zu beneiden. Aber bevor nun die Gewerkschaft Sturm klingelt: nur ein kleiner Scherz auf Kosten des Seniors im Team von Plattentests.de – auch wenn ihm die nicht vorhandenen Lichtverhältnisse beim Techtelmechtel mit Sekretärin Birgit sicher gelegen gekommen wären. Kein Witz hingegen: Crows haben ihr Debüt tatsächlich in kompletter Dunkelheit aufgenommen, wie schon die 2016er-EP "Unwelcome light" postulierte. Ein treffliches Sinnbild für die Beklemmung und Ausweglosigkeit, die "Silver tongues" ausstrahlt – und da das Getöse, das der Vierer veranstaltet, kaum zu überhören ist, lotste Idles-Frontmann Joe Talbot die Londoner kurzerhand auf sein Label. Joy as an act of resistance? Das hätten Sie wohl gerne. Brutalism? Kommt schon eher hin.
Wo sich Idles oder die vergleichbar griesgrämigen Kollegen von Shame oder Fontaines D.C. jedoch am liebsten über die politische und soziale Schieflage auf den britischen Inseln auslassen, sind Crows ganz bei sich – und auch das ist alles andere als eine gute Nachricht: Ihr dunkelgrauer Post-Punk erzählt vielmehr von niedergetrampeltem Selbstbewusstsein und persönlichen Höllen. Kein Wunder, dass Sänger James Cox im eröffnenden Titelstück seinem Gegenüber wenig mehr als ein übellauniges "Leave me in peace" entgegenblafft und die in Endlosschleife dröhnenden Gitarren und Tribal-artig rotierenden Drums nur mit Mühe zu übertönen vermag. Als wäre der ganze Black Rebel Motorcycle Club mit einem Platten liegengeblieben, ohne auch nur einen Moment die Hand am Gasgriff zu lockern. Und falls sich noch jemand fragen sollte, was wohl seinem Rock'n'Roll zugestoßen ist: Von dem sind nach weniger als zwei Minuten "Demeanour" nur noch kokelnde Trümmer übrig. Punk pfeift auch schon auf dem letzten Loch.
Interessiert Crows natürlich nicht im Geringsten: Schließlich spielt sich das Quartett gerade erst in einen Rausch der Verzweiflung und Konfusion, der in herrlich nihilistische Untergangs-Hymnen wie "Empyrean" oder "Hang me high" mündet. Aus dem über 300 Kilometer entfernten Leeds könnte man sogar die ähnlich düster gesinnten Autobahn applaudieren hören – bei dem Krach aber ein ebenso hoffnungsloses Unterfangen, wie dieser desolaten Dreiviertelstunde so etwas wie Zuversicht abzugewinnen. Erst nach dem im Schlussdrittel gewaltig beschleunigenden "Crawling" und dem leidlich straighten Rocker "Chain of being" fährt sich "Silver tongues" allmählich herunter, seziert im imposanten Klagegesang "Tired and failed" das gescheiterte Selbst und landet mit "First light // false face" in einer Shoegaze-Vorhölle ohne Wiederkehr. Klingt deprimierend? Ist es auch. Gut also, dass Crows negative Gefühle in befreiende Energie umwandeln. Und nicht vergessen: Der Letzte macht das Licht aus, bevor ihn die Hunde beißen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Silver tongues
- Crawling
- Tired and failed
- First light // false face
Tracklist
- Silver tongues
- Demeanour
- Empyrean
- Wednesday's child
- Hang me high
- Crawling
- Chain of being
- Tired and failed
- First light // false face
- Dysphoria
Im Forum kommentieren
boneless
2019-06-06 19:56:09
Gerade aufgelegt, könnte was taugen...
MM13
2019-06-06 19:15:24
danke,für die info.für die musik spielt das ja auch keine rolle,finde das album immer besser.
Thomas
2019-06-06 02:07:53
@MM13: In UK wurde das Album am 22.03. veröffentlicht, hierzulande digital am 05.04. und physisch am 17.05. Wir richten uns ja immer nach der Deutschland-VÖ.
Sick
2019-05-24 23:36:25
Ich glaub ich find das gut. Ja...
MM13
2019-05-24 19:25:53
das ist post-punk wie er mir gefällt,hammer sound. 7,5/10
kleine nebensächliche frage wurde das album nochmal veröffentlicht? bei i-tunes steht der märz als datum.
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