Von Spar - Under pressure

Bureau B / Indigo
VÖ: 10.05.2019
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Kraut, Rüben, Käse

"Ahnherr der Schwätzer" – ein Titel auf Von Spars "Streetlife", der im Plattentests.de-Forum für ähnlich amüsiert hochgezogene Augenbrauen sorgte wie die kosmische Grundsicherungs-Hymne "Hearts fear". Ironie des Ganzen: Abgesehen vom überdreht kreischenden Debüt "Die uneingeschränkte Freiheit der privaten Initiative" halten die Kölner auf ihren Platten weitgehend die Klappe, laden sich stattdessen Gastvokalisten ein oder bestreiten sie wie den wirren, selbstbetitelten Zweitling "Von Spar" oder die 2017er EP "Garzweiler" gleich komplett instrumental. Nicht so "Under pressure" – Longplayer Nummer fünf soll offensichtlich Von Spars Pop-Album sein und enthält konzise Songs ohne Überlänge sowie namhafte Features, die das elektronische Krautstampfen mit übernehmen. Allen voran Indie-Crooner Christopher Cummings alias Marker Starling, der bereits dazu beitrug, dass "Chain of command" mitunter wie Coldplays "Trouble" im rumpeligen Disco-Mix wirkte. Wenn gerade schon von Pop die Rede war.

Ganz so einfach macht es "Under pressure" dem Hörer zumindest eingangs aber nicht, lässt grummelig pulsierende Synthies warmlaufen wie einst LCD Soundsystem bei "Get innocuous!", addiert flirrendes weibliches Fernost-Säuseln und kommt erst im zweiten Teil des eröffnenden Doppeldeckers "A dream" in Wallung – wobei Cummings' Stimme und die arg überzuckerten Elektro-Spritzer aber ebensowenig ein stimmiges Gesamtbild abgeben wie das etwas windschief James Blake nachmodellierende "Happiness". Popmusik wird nun mal leicht klebrig, wenn gesangliche Manieriertheit und improvisiertes Muckertum dabei selbstvergessen einen Eimer Mangobrause schlürfen. Dass es auch anders geht, belegt "Extend the song", das zu Ehren von Stereolabs Laetitia Sadier den "Lo boob oscillator" anwirft, während die Gitarren punktgenau zu Motorik-Beat und sich überlappenden Vocal-Schlaufen durch das Stück sensen. Womit die Suche nach dem Hit dieses Albums im Grunde eingestellt werden kann.

Zumal Von Spar trotz aller Geschmeidigkeit auf einen solchen weniger bedacht sind als darauf, möglichst viele rote Fähnchen auf ihrer Landkarte bisher unerschlossenen stilistischen Terrains abzuarbeiten. Der exaltierte Vortrag von Reggae-Punk-Professorin Vivien Goldman im funky-aufgekratzten "Boyfriends (Dead or alive)" etwa wäre auch auf einer Tom-Tom-Club-Platte gut aufgehoben gewesen, und R. Stevie Moore geistert so spukig durch die analoge Kaltschale "Falsetto Giuseppe", wie sich das für einen Säulenheiligen des Hypnagogic Pop gehört. Cummings hingegen fühlt sich beim Dubstep-Teilchenbeschleuniger "Not to forget" inklusive hinreißender Komentenmelodie richtig wohl, und mit "Mont Ventoux" sitzt abschließend auch ein umsichtig Space-rockendes Instrumental drin. Also doch allenfalls ein Pop-Album im weiteren Sinne, das listig sein Spiel treibt mit Kraut und Rüben, als persönliche Note verstandener, mutwilliger Käsigkeit und musikalischer Ahnherrenforschung. Aber immerhin kein Geschwätz von gestern.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Extend the song (w/ Laetitia Sadier)
  • Not to forget (w/ Christopher Cummings)
  • Mont Ventoux

Tracklist

  1. A dream (pt 1) (w/ Eiko Ishibashi)
  2. A dream (pt 2) (w/ Christopher Cummings)
  3. Happiness (w/ Christopher Cummings)
  4. Extend the song (w/ Laetitia Sadier)
  5. Better late (w/ Christopher Cummings)
  6. Not to forget (w/ Christopher Cummings)
  7. Boyfriends (Dead or alive) (w/ Vivien Goldman)
  8. Falsetto Giuseppe (w/ R. Stevie Moore)
  9. Mont Ventoux
Gesamtspielzeit: 38:32 min

Im Forum kommentieren

Armin

2019-05-16 20:25:16- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Erst hier ankündigen...

2019-05-09 23:49:56

... und dan keine rezi, schwach armin.

Arbeiter

2019-03-06 21:31:11

Das sind sehr erfreuliche Nachrichten. Neben Big|Braves "A Gaze Among Them" liefern die Kölner damit einen weiteren Grund, für den man den 10. Mai im Kalender markieren sollte.

Armin

2019-03-06 19:03:53- Newsbeitrag


Hallo liebe alle,

Wir freuen uns sehr, verkünden zu dürfen, dass am 10. Mai das neue Von Spar-Album "Under Pressure" auf Bureau B erscheinen wird!

Es ist ihr fünftes Album, sofern man in der Zählung die live eingespielte Can-Hommage gemeinsam mit Stephen Malkmus unterschlägt. 15 Jahre sind seit ihrem Debüt "Die uneingeschränkte Freiheit der privaten Initiative" vergangen, fünf Jahre seit dem Album "Streetlife".
Betrachtet man ihre Diskografie, bekommen Von Spar etwas Chamäleonhaftes. Ihre Platten sind Ergebnisse einer steten Wandlung, sie öffnen Wurmlöcher zu Postpunk, zu Krautrock oder zum Kunstpop der Achtzigerjahre. Die Konstanten: rhythmische Raffinesse und harmonische Quantensprünge, das An- und Abschwellen von Synthesizer-Arpeggi, rückwärts abgespielte Gitarren, die nichts von Rückwärtsgewandtheit haben.


Die acht Songs auf „Under Pressure“ wurden in Von Spars Dumbo Studio in Köln aufgenommen. Entscheidende Beiträge stammen von Gästen aus Toronto, Tokio, New York, London und Nashville. Die prägende Stimme ist, wie schon bei "Streetlife", die von Chris A. Cummings alias Marker Starling. Er legt sein unverkennbares Falsett über die Hälfte der Songs und will wissen: "Is there a cure for this / Unhappiness, happiness?"

Im Eröffnungsstück erkundet Cummings gemeinsam mit Eiko Ishibashi (u.a. Kafka's Ibiki, Jim O'Rourke, Merzbow) in einer japanischen Traumsequenz, wohin die Reise gehen kann, wenn man die Fesseln des Fleisches abstreift. Punk- und Reggae-Professorin Vivien Goldman (The Flying Lizards) greift den Gedanken auf und befreit sich in "Boyfriends (Dead Or Alive)" von den Gespenstern der Vergangenheit. Laetitia Sadier (Stereolab) singt auf dem Kraut-Pop-Hit des Albums, "Extend The Song", der mit seinem Motorik-Schwung ewig weiterlaufen könnte.

Von Spar verstehen das, was andere "Band" nennen, als modulares System. Die Kreativgemeinschaft von Sebastian Blume, Jan Philipp Janzen, Christopher Marquez und Phillip Tielsch befindet sich in einem Zustand konstanter Neukonfiguration. Von Spar sind eine Schnittstelle, ein Interface, das Zugang schafft zum Wieder-Entdecken und Neu-Erleben von nur scheinbar Bekanntem.

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