Spellling - Mazy fly

Sacred Bones / Cargo
VÖ: 03.05.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Auf Stimmenfang

Wenn es nur das wäre ...Viele Pop-Songschreiber schaffen es, die Hörer zielgerichtet zum Tanzen, Lachen, Weinen und Schmachten zu bringen, das ist ihr Job, das beherrschen sie in der Regel gut. Doch was ist mit all den Zwischentönen auf der emotionalen Farbpalette? Nun, da dünnt sich der Kreis der Fähigen schon ziemlich aus. Definitiv dazu gehört Chrystia Cabral aus der Bay Area, welche als Spellling nicht nur ihre Songs, sondern vor allem ihre Stimme auf unwägbare Entdeckungsreise schickt. Auf ihrem neuen Album "Mazy fly" scheint es fast so, als habe Cabral eine Horde Pop-Songs bei der Hand genommen und diesen einen Besuch im Spiegelkabinett gegönnt. Gemorpht, verzerrt, gedoppelt: Aufs erste Hören wirken die Stücke von "Mazy fly" vielleicht grotesk, aber schnell merkt man, dass hier keine vorgeschobene Artyness im Vordergrund steht, sondern Wahrheiten auf den zweiten Blick. Trotz variablem Einsatz diverser Synthesizer ist Cabrals Stimme der größte Faktor auf diesem Album. Ob hohe oder tiefe Gesangsregionen, die Cabral durchschreitet, ob es sich um ein kristasynthetischen Manipulationen erscheint die Stimme der Kalifornierin immer als Aspekt einer zutiefst menschlichen Gefühlsspannbreite.llines Flüstern oder ein aus dem Bauch kommendes Grollen handelt, ja selbst bei

Die kühlen Synths von "Haunted water" sind da nur ein Spiegel für Cabrals Sehnen und Raunen, glasklar oder verraucht, es ist erstaunlich, welche Mutationen der Gesang in diesem Stück durchmacht. Im Hintergrund verliert dabei der Beat ab und an sein Gleichgewicht oder es brandet der Klang schroff vibrierender Gitarrensaiten heran. Es entsteht so ein Gemisch aus organischen und künstlichen Settings. Das Weltall und ein in Super 8 gefilmter Herbstnachmittag im Jardin de Luxembourg passen in einen Song, siehe "Under the sun", welches seine melancholische Melodie in interstellares Synthiepulsieren einkleidet. "Hard to please" und dessen Reprise vereinen ebenfalls konträre Punkte, es wird ein Disco-Stampfer in direkter Nachbarschaft zu einen außerweltlichen Soundexperiment angedeutet. Die bluesige Gitarre von "Golden numbers" erdet im Einklang mit dem Soul-Schmelz in Cabrals Stimme das Album an dieser Stelle, obwohl man gerade diesen Song als himmlichen Wohlklang bezeichnen könnte.

Grundlage für "Mazy fly" war übrigens die Gleichzeitigkeit von Zerstörung und Fortschritt, utopische Errungenschaften, die sich im Laufe der Zeit zur Dystopie wandeln. Dies zieht sich dann eben nicht nur durch die Texte, auch die Musik selber ist wie gesagt ein Wechselbad. "Secret thread" macht es sich mit Holzbläsern und Kinderlied-Charme auf einer Blumenwiese bequem, wird dann aber von grotesk blubbernden Synthezisern psychedelisch verfremdet und verlässt in seinem Verlauf immer mehr den sicheren Boden. Eine ausgeleierte Orgel bereitet in "Afterlife" den Boden für eine dezent neben der Spur laufende Alien-Revue, die durch Cabrals stimmlichen Wandel von einer Elfe zur Soul-Diva und wieder zurück gehörig Spannung entwickelt. Dazu spielt eine geerdete Bluesband inklusive Saxophon frei auf, viele Eindrücke, aber alles passt. Dies liegt letztendlich daran, dass Cabral eine große Regisseurin ist, die alle klanglichen Mittel, nicht nur den Gesang, passend zu steuern vermag, da sitzt alles am richtigen Platz, nichts drückt, nichts zwängt, trotz der außergewöhnlichen Erscheinungsformen.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Haunted water
  • Under the sun
  • Secret thread

Tracklist

  1. Red
  2. Haunted water
  3. Hard to please
  4. Golden numbers
  5. Melted wings
  6. Under the sun
  7. Real fun
  8. Hard to please (Reprise)
  9. Afterlife
  10. Dirty desert dreams
  11. Secret thread
  12. Falling asleep
Gesamtspielzeit: 42:37 min

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Armin

2019-05-09 20:41:24- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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