Hannah Cohen - Welcome home

Bella Union / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 26.04.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
4/10

Gleitkultur

Entschuldigung, werte Hannah Cohen, aber was wollen Sie eigentlich? Da heißt es in den ersten Zeilen des dritten Albums der frischgebackenen Ex-New Yorkerin "This is your life / Don't let it just happen to you", doch der dazugehörige, fein schwingende Dream Pop kann als zwingendes Argument herhalten, mal ganz gepflegt alles unaufgeregt vorbeigleiten zu lassen. Der glockenhelle Gesang schmeichelt und streichelt, im Hintergrund verdient sich eine harmoniefreudige Akustikgitarre ohne große Anstrengung ein paar Dollar dazu und generell kündet recht wenig von einem kämpferischen Aufbruch. Vielmehr appellieren die Songs auf "Welcome home": Danke für die Einladung, für ein verständnisvolles Zusammensein. "All I really wanted is you / Play your records every time / I memorize your every line." Verehrung und Sehnsucht sind nicht nur in "All I wanted" das von behäbig gemütlicher Percussion und Jazz-Club-Gitarre umhegte Ideal. Hannah Cohen verbannt jeglichen Missklang aus ihrem Sound, lässt fluffig aufgeschlagene Synthies, einen sanft grummelnden Bass und ein mit der Natürlichkeit eines gesunden Pulses ausstaffiertes Schlagzeug ihre Songräume mit warmen Pastellfarben auskleiden.

Die Stücke besitzen einen gleichmäßigen Fluss, die Synthietupfer in "Dissolving" bilden eine zarte Fußspur am Meeresstrand, dazu ein Sehnen und Zusichern in Cohens Gesang, das für freudige Zuversicht sorgt: "Wanna be the sun on your back / Be the breeze that kisses your neck / The water of the ocean / That turns to salt on your skin." Man gerät bei solch weichen Songkissen ins Driften und Schwelgen, eine vom Sonnenlicht auffunkelnde Gitarre sorgt mit wohlig klingenden Licks für ein angenehmes Schaudern und man labt sich fortwährend an diesem klaren, zutraulichen Gesang. Der etwas vehementere Bass in "Holding on" bewirkt eine gesunde Gesichtsfarbe, Cohen beschwört völlig unironisch basale Charakterstärke – "You'll never catch me caught in a lie" – und feiert dies mit einem schwungvollen Refrain. In "What's this all about" scheint das Klavier auf einem Boardwalk einer dieser Städte der amerikanischen Ostküste zu stehen, deren ehemaliger Glanz abblättert wie der Lack an den antiquierten Fahrgeschäften. Man meint, das Meer in den versonnenen Tönen solcher Stücke zu spüren, ein stetes Auf und Ab, dazu ein gleichmäßiger, angenehmer Wind.

Und auch das von der Akustikgitarre getragene "Old bruiser" strahlt eine gemächliche Zufriedenheit aus, der sanfte Gesangsvortrag, das verschlafene Pendeln vom Schlafzeug, all das bildet eine Schutzhülle vor zudringlichen Eingriffen des Alltages in diese sanft dahinfließende Traumwelt. "Get in line" erlaubt sich zwar ein wenig mehr Druck durch die Percussion, und in Cohens Gesang ist an den weit entfernten Rändern so etwas wie Hitzigkeit auszumachen, doch das vorherrschende Stimmungsbild bleibt harmonisch und zutraulich. Auch der spürbare Verdruss in "Wasting my time" bleibt gedämpft, selbst wenn die Synthies einen dramatischeren Ton anschlagen, Hannah Cohen bewegt sich immer und ständig in gemäßigtem Tempo und rundgeschliffener Emotionalität. Dabei entwickelt sie eine melodische Sprache, die sanfte Veränderungen durchlebt, sich jedoch von plötzlichen Höhepunkten und Knalleffekten fernhält. Dass sie damit eher dem Müßiggang und dem passiven Dahingleiten das Wort redet, war vielleicht nicht die Grundintention, widerspricht diesem "This is your life" sogar, doch ist das Zufriedenheit ausstrahlende Gleichgewicht dieser Musik ebenfalls ein kostbares Gut.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • This is your life
  • Holding on
  • Wasting my time

Tracklist

  1. This is your life
  2. All I wanted
  3. Dissolving
  4. Holding on
  5. What's this all about
  6. Old bruiser
  7. Get in line
  8. Wasting my time
  9. Return room
  10. Build me up
Gesamtspielzeit: 39:09 min

Im Forum kommentieren

saihttam

2020-02-24 23:50:14

Spotify hat mich gerade darauf gestoßen. Der Opener ist super, der Rest klingt eigentlich auch ganz schön.

MasterOfDisaster69

2019-08-27 19:10:43

also der letzte Kommentar hier hat manchmal schon seine Berechtigung, uU nicht bzgl. dieser Platte. Bin gerade dabei, das gar nicht so schlecht zu finden.
Liegt aber wahrscheinlich nur am neuen Tarantino-Film, den ich gerade gesehen habe, und Sharon Tate...(?)

https://www.youtube.com/watch?v=pcI5WFGmST0
https://www.youtube.com/watch?v=M1bOguIqV5g

Angepasster Leser

2019-04-25 21:30:18

Jeder scheiß wird hier rezensiert aber Lenas Album only Love, L ne 1/10 geben so ein Saftladen hier meine Fresse

Armin

2019-04-25 20:37:29- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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