Wincent Weiss - Irgendwie anders

Universal
VÖ: 29.03.2019
Unsere Bewertung: 3/10
3/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Reise ins Ungefähre

Da lügen Sie jetzt aber! Nicht genug damit, dass der Titel von Wincent Weiss' zweitem Album kurzerhand aus dem gleichnamigen Song herausoperiert wurde und nun als sinnentstellende Klammer fungiert: Der 26-Jährige aus Schleswig-Holstein, so ist zu erfahren, gibt als sein größtes Ziel "Papa werden" aus, mag Heavy Metal und verdingte sich außerdem als Co-Ratefuchs von Annette Frier bei "Frag doch mal die Maus". Nein, Wincent Weiss ist keineswegs "Irgendwie anders" – wer weitere Belege dafür braucht, sollte spätestens nach diesem Longplayer überzeugt sein. Dass der Vorgänger "Irgendwas gegen die Stille" hieß, scheint dabei Methode zu haben: Seit Weiss zum ersten Mal als Unheilig-Support auftrat und "Musik sein" wollte, hat sich an der windelweichen Konturlosigkeit seiner Lieder nicht viel geändert. Willkommen zur Reise ins Ungefähre.

Andererseits: Vielleicht ist Weiss gar nicht so schlecht beraten, das Ganze in einer Art wohltuenden Jim-Pandzko-Diffusität zu belassen, statt die Dinge beim Namen zu nennen und damit in einem Kombi-Spot für Baufinanzierer, Direktbank und Mitte-Rechts-Partei zu landen. Dummerweise will "Kaum erwarten" aber gar nichts anderes sein – vom versonnen einleitenden Piano bis zum Bekenntnis "Hab hier alles, was ich will / Mein Haus, mein Kind, mein Garten / Auch wenn es noch nicht so ist." Verkündet der Sohnemann am Ende stolz, bei ihm stehe ebenfalls Nachwuchs ins Haus und entkorkt so die nächste mittelprächtige Generation, weiß man: Schlimmer kann ein Opener kaum sein – Musik für alle, die auch Spießer werden wollen, wenn sie groß sind. Und auch die an Max Giesinger und Kollegen erprobten "Ohohoh"-Chöre schlagen schon im zweiten Stück zu.

Wenigstens ist der Hörer diesmal vorbereitet – zumindest auf die penetrante, sattsam bekannte Beziehungs-Utopie "An Wunder" und das leidlich schwungvolle "Hier mit Dir", das zur Abwechslung keine aufkeimende oder verdorrende Liebe thematisiert, sondern eine unkaputtbare Jungmännerfreundschaft. Genauso krisensicher: die luftigen Breakbeats, die den Song leichtfüßig ins Ziel tragen. Alles andere als ein musikalisches Novum zwar, aber neben allzu gefühliger Singer-Songwriter-Dutzendware immerhin Garant für eine Dynamik, die hier die Ausnahme bleibt. Lediglich "Was machst Du nur mit mir" scharwenzelt noch popowackelnd um aktuelle Neo-R'n'B-Auswüchse herum und macht einen ziemlich schlanken Fuß – würde dieser nicht bei Zeilen wie "Wenn Du mich so ansiehst / Und mich damit so anziehst" schleunigst wieder einschlafen.

Denn bald lässt sich nicht mehr leugnen, dass gelegentliches Aufblitzen von Erträglichkeit noch lange kein gutes Album macht. Vor allem nicht, wenn Weiss die anvisierte Vaterschaft mit halbgaren, die beleidigte Leberwurst mimenden Herzschmerz-Balladen wie "Pläne", "Warum" oder "Endlich leichter" konterkariert, nachdem es kurz zuvor noch so schien, als sei er der Single, der sich alle elf Minuten bei Parship verliebt. Aber Vorsicht: Die einlullenden Qualitäten von "Irgendwie anders" gehen zuweilen so weit, dass man es vorübergehend für eine gute Idee halten könnte, tatsächlich in einer Doppelhaushälfte am Stadtrand lebendig zu entschlafen. Dass Plattentests.de-Rezensenten erst einmal froh sind, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben, steht auf einem anderen Blatt und ist daher kein Argument – aber das, was Wincent Weiss singt, erst recht nicht.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Hier mit Dir

Tracklist

  1. Kaum erwarten
  2. Hier mit Dir
  3. An Wunder
  4. Auf halbem Weg
  5. Zeichen
  6. Irgendwie anders
  7. Pläne
  8. Was machst Du nur mit mir
  9. Jemanden vermissen
  10. Warum
  11. Endlich leichter
  12. 1993
  13. Hoffe es geht Dir gut
Gesamtspielzeit: 39:59 min

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kusubi

2023-12-02 22:00:58

@Corristo:
Habe dein Wortspiel erst jetzt verstanden! Danke fürs lächeln :)

Corristo

2023-11-02 22:08:47

Ich finde, das ist nicht wie das Weiss vom Baumarkt, sondern irgendwie anders.

kusubi

2023-11-02 14:03:51

Also quasi die Art Rsumfarbe von der man froh ist, dass sie keine Musik macht?

Mr Oh so

2023-11-02 13:54:58

Weiss ist halt gerade in. Vor allem eine gewisse Klientel, die keinen Geschmack hat, klatscht sich das an die Wand. Da ist Hellwig wohl auf den Zug mit aufgesprungen. Ist aber im Endeffekt auch kein anderes Weiss als das von Baumarkt, Praktiker oder Obi. Ziemlich cheesy. Wenn du da länger als ne Minute draufguckst, wird dir übel.

kusubi

2023-11-02 05:59:39

Ist Vincent Weiss wirklich nicht die Farbhausmarke von Hellwig? Vielleicht auch Toom?

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