Tindersticks - Waiting for the moon

Beggars / Zomba
VÖ: 09.06.2003
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Gute Nacht

Romantik! Die Welt ist gemein und dunkel. Doch später wird es immer Nacht und dann sitze ich auf dem Balkon. Ich warte auf den Mond. Irgendwann hängt er dann am Himmel und ist mindestens ebenso sehr blasser Trauerklos wie ich. Ich will eins sein mit ihm. Gib mir die Blaue Blume, jetzt sofort. Unerreicht, so weit weg, Riesenenttäuschung. Doch es ist gut, daß ich nicht bekomme, wonach mir verlangt. Es ist okay, daß das Universum und ich nicht vereint werden können. Denn sonst wäre der ganze Weltschmerz plötzlich für die Katz. Romantik ade. Der Kampf mit den Gefühlen, der Kampf mit den Worten. Wozu?

Die Tindersticks kämpfen unverdrossen weiter. Im Halbdunkel, denn tagsüber sind die Gefühle für diese Musik verschenkt. "Waiting for the moon" funktioniert nicht im Gewühl der Großstadt oder am Baggersee, wo kein Mensch traurig sein mag. "Say goodbye to the city", sei eins mit der Natur. Abends, wenn die Vögel den Tag langsam in die Nacht verabschieden, wenn das Gemurmel von den Balkonen verschwindet und der Duft von Grillwürsten sich in diesem tollen Frühsommer langsam über den Hausdächern niederlegt, dann darf man sie hören. Endlich tätowieren es sich die Tindersticks explizit auf die Brust: ROMANTIK. In Großbuchstaben.

Seit "Curtains" haben die Tindersticks nicht mehr so vertrackt musiziert. Die letzten Alben waren eingängig, geradezu fröhlich - wenn man dieses Wort überhaupt in einer Tindersticks-Renzension erwähnen darf. Doch mit "Waiting for the moon" ist plötzlich alles wieder dunkel. "Until the morning comes." Endlich gibt es wieder bezaubernde Duette mit wahrscheinlich wunderhübschen Frauen. Es darf geweint werden. Endlich finden Taschentücher wieder jenseits von Heuschnupfen Verwendung. Bei den Tindersticks wird Trauer nie peinlich.

Natürlich kann es manchmal zum Halse raushängen, wenn Melancholiker genügsam in ihrem Schicksal baden. Doch diese Trauer wird wieder dekonstruiert in bis zur Unendlichkeit quietschenden Geigen, in von einem Theaterstück inspirierten, zornigem Sprechgesang wie bei "4.48 psychosis". Nur bei "Just a dog" wird es noch einmal fröhlich. Doch was heißt hier fröhlich? Bei jeder anderen Band wäre selbst dieser Song der Soundtrack zum Weltuntergang. Die Tindersticks erfinden sich nicht neu. Angesichts der Spezialität ihres Outputs wäre dies auch ein sicherlich kompliziertes Unterfangen. Zu sehr dominieren Melodieführung und Gesang von Sänger Stuart Staples das Geschehen.

Schicksalsergeben nimmt man die Tränen hin. Worüber sonst lohnte es sich denn auch heute noch zu weinen? Über verlorene Qualifikationsspiele? Über SARS oder Haushaltslöcher? Wie profan. Und wie einfach haben es doch die melancholieverlorenen Romantiker. Ihnen bleiben nur die Luft, die Liebe und die Tindersticks. Ach, könnte mich doch heute irgendeine Frau verlassen! Nur um des musikalischen Genusses Willen, den "Waiting for the moon" verheißt.

(Sebastian Peters)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Until the morning comes
  • Waiting for the moon
  • Sometimes it hurts

Tracklist

  1. Until the morning comes
  2. Say good bye to the city
  3. Sweet memory
  4. 4:48 psychosis
  5. Waiting for the moon
  6. Trying To find a home
  7. Sometimes it hurts
  8. My oblivion
  9. Just a dog
  10. Running wild
Gesamtspielzeit: 45:42 min

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