In Flames - I, the mask

Nuclear Blast / Warner
VÖ: 01.03.2019
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Schulschluss

Man muss den Tatsachen mittlerweile ins Auge sehen: In Flames haben sich über die Jahre von der Göteborger Schule weitgehend entfremdet. Der melodische Death Metal der Anfangszeiten, als zahlreiche Bands in Südschweden wie die Pilze aus dem Boden schossen und Proberäume wie auch Bandmitglieder miteinander teilten, ist spätestens seit dem Album "Siren charms" aus dem Jahr 2014 der Suche nach der richtigen Strömung im so genannten Modern Metal gewichen. Also in etwa ab dem Zeitpunkt, als sich Frontmann Anders Fridén stärker ins Songwriting neben dem Gitarristen Björn Gelotte einbrachte. Und erst recht ab dem Zeitpunkt, ab dem Fridén nicht mehr wie ein gestandener Metaller daherkam, sondern die Optik eines Klischee-Hipsters irgendwo in Prenzlberg übernahm. Nun ist das hier kein Fashion-Mag, sondern ein Musik-Magazin, doch die mit dem optischen Wandel einhergehende musikalische Orientierungsarmut auf "Siren charms" oder dem Nachfolgealbum "Battles" war schon überdeutlich.

Album Nummer drei nach dem Stilwechsel, könnte man jetzt also zynischerweise sagen und anfügen, dass die Schweden mit "I, the mask" allmählich einmal liefern müssen, wenn sie sich nicht längerfristig zwischen Tradition und Moderne zerreiben lassen wollen. Und dann knallt mit "Voices" ein Brecher aus den Boxen, dass man meinen könnte, die Hipster-Phase wäre direkt wieder vorbei. Ein wunderbar groovendes Riff, also eines von der Sorte, wie sich Gelotte immer noch locker aus dem Ärmel schütteln kann, dazu ein wunderbarer Chorus – wie gemacht als Ouvertüre, wie gemacht für die nach wie vor spektakulären Bühnenshows. Wie gemacht aber auch als Vorbereitung für das Inferno, dass die Band mit dem Titeltrack abbrennt. Endlich wieder einmal zeigt sich das feine Gespür für eingängige Melodien, die auch funktionieren, wenn ein Song im Tempo der frühen Children Of Bodom heruntergehackt wird.

Und auch wenn sich "Call my name" mehr als nur dezent bei Trivium bedient, ist dieses erste Albumdrittel sehr überzeugend, überzeugender zumindest als so manches, was die Göteborger in den letzten Jahren so produzierten. Danach allerdings häufen sich die Fragezeichen. Die Power-Ballade "Follow me" ist zumindest unter der Prämisse des Stilwechsels gut gelungen, doch was dieses Intro von "(This is our) House" bedeuten mag, wissen wohl nur die Band und Produzent Howard Benson. Und ja, die Botschaft ist schon klar: Mit "our house" ist die Erde gemeint, die Kinder sind die Zukunft – geht es noch plakativer? Aber okay, zumindest geht der Refrain gut ins Ohr. Was die folgenden "We will remember" und "In this life" erst recht im Regen stehen lässt. Klar, das ist durchaus gefällig, noch nicht einmal ärgerlich. Aber insbesondere diesen beiden Songs fehlt die Seele, nahezu jegliche kreative Kante. Dem Zeitgeist angepasst wie Fridéns Bart.

Natürlich besteht die Gefahr, "I, the mask" aus der Sicht eines Fans des großartigen "The jester race" oder auch dem erst spät gewachsenen "Come clarity" zu beurteilen und dabei ungerecht zu werden, zumal stilistische Änderungen erstens völlig legitim und zweitens durchaus üblich sind. Doch wie kann man fair beurteilen, wenn dem Bandsound abgesehen vom furiosen Beginn mittlerweile jegliche Ecken und Kanten abgehobelt wurden? Wenn Anders Fridéns Gesang bei der Powerballade "All the pain" eben nicht mehr schmerzerfüllt-leidend wie durchaus in der Vergangenheit, sondern eher lustlos? Das schlimme ist ja, dass die Songs nicht einmal so richtig schlecht wie in "ärgerlich schlecht" sind. Sondern dass In Flames im Jahr 2019 tatsächlich kein Problem mehr damit haben, belanglose Liedchen wie "Stay with me" auf die Platte zu pressen. Das Mainstream-Potenzial ist im Vergleich zu den letzten Alben sogar noch höher, die Hooks poppiger und zugänglicher. Das mag angesichts der stilistischen Ausrichtung konsequent und modern sein. Ob es letztlich glaubwürdiger ist, sei dahin gestellt.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Voices
  • I, the mask

Tracklist

  1. Voices
  2. I, the mask
  3. Call my name
  4. I am above
  5. Follow me
  6. (This is our) House
  7. We will remember
  8. In this life
  9. Burn
  10. Deep inside
  11. All the pain
  12. Stay with me
Gesamtspielzeit: 50:57 min

Im Forum kommentieren

Günni

2019-05-15 10:59:54

Denke ich nicht. I Am Above und den Titeltrack fand ich sehr stark, aber sonst ist das Album auch nicht so toll. Aber immer noch besser als die letzten Sachen.

Jens

2019-05-15 07:34:42

Das weiß ich leider nicht. Aber ich könnte dir ein bisschen Samen in den Mund spritzen. Ok?

jayfkay

2019-05-15 01:23:03

hab seit come clarity nix von denen gehört. lohnt sich aufzuholen meint ihr?

drumhrad

2019-03-06 13:30:00

klar, die spielen auch geilen metal.

qwertzu

2019-03-06 11:53:49

Bin ja schließlich auch behindert. Kennt ihr übrigens Eskimo Callboy? Übelst geile Band!

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