Motorpsycho - The crucible

Stickman / Soulfood
VÖ: 15.02.2019
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Der nächste Turm

Motorpsycho tun gut! Inmitten von zeitgeistigen Relativierungen und ironischen Brechungen ist es eine Wohltat, einer Band dabei zuzusehen, wie sie immer wieder das größte Rockalbum aller Zeiten aufnehmen will, ohne doppelten Boden. Mit "The tower" waren die drei Norweger auch schon ziemlich nah dran, gilt doch dieses Album, was Proportion und Spannungsbögen betrifft, als eines ihrer Meisterwerke. Jetzt also der schwierige Akt, einen properen Nachfolger auf die Beine zu stellen. Man ist nach Wales gegangen und hat sich von dem prominenten Produzentenduo Andrew Sheps und Deathprod unter die Arme greifen lassen. Einen Schwanzvergleich mit dem Vorgänger umgeht das "The crucible" betitelte Werk, indem es sich auf 40 Minuten Laufzeit beschränkt. Der andere Teil der Wahrheit ist aber, dass die Tracklist aus lediglich drei Songs besteht, mit dem 20-minütigen Titelstück als Kronjuwel.

Der Auftakt gestaltet sich unerhört brachial, "Psychotzar" ist ein wuchtiges "Wir sind Motorpsycho!", mit schweren Riffs und walzender Rhythmusgruppe rollt dieses Stück in seiner ersten Hälfte mächtig dahin, keine Querschläge und Pirouetten, rohe Energie für den durstigen Motor. Gerade die zunächst herrschende Simplizität nordet den Hörer unangestrengt ein für das, was kommen wird. Dies sind dann im zweiten Abschnitt des Songs Kirchenglockenbombast, aber auch mit viel Feingefühl eingesetztes Sentiment. Der Song dient damit quasi als gelungener Crash-Kurs für Neulinge, die mal in das Werk dieser kultisch verehrten Band hineinschnuppern wollen. "Lux aeterna" spezialisiert sich da schon eher auf die weiche, psychedelisch eingefärbte Freude an gigantischen Melodien. Der wundervolle Harmoniegesang von Bent Sæther und Hans Magnus Ryan ist natürlich dick aufgetragen, doch mit Streichern und Hornbläsern wird derart nachhaltig die Himmelstür aufgestoßen, dass etwaigige Kitschvorwürfe an dieser überlebensgroßen Hymne einfach abprallen, schon vergessen? Diese Band will alles und erreicht es meist auch. Und ein der Gänze des Stückes eigentlich völlig fremdes Element wie diesen Freak-Jazz-Part im Mittelteil schlüssig einzubauen, gelingt auch nicht jedem.

Etwas spezieller verhält es sich mit dem titelgebenden Schlusstrack. Dass Motorpsycho über die ganz lange Distanz Spannung und Wucht entfalten können, zeigten sie zuletzt mit "A pacific sonata" und "Ship of fools" auf dem Vorgänger. Jetzt also ganze zwanzig Minuten ... Und Motorpsycho tun gut daran, den Hörer nicht über die Laufzeit des Songs mit einer bombastischen Feuerwerkseinlage nach der anderen zu überfordern. Dieses Stück nimmt sich zu großen Teilen zurück, gleitet durch weite Landschaften, mal im Galopp, mal im ruhigen Gang. Hier kosten die Skandinavier einen psychedelischen Drive aus, der das Kernelement dieses Stückes bleibt, auch wenn es dezente Ausbrüche und markante Melodien zu bestaunen gibt. Es geht mehr um Atmosphäre als um Handlung, die Gitarren schweifen hinaus in die Fläche, und zu Anfang und Ende des Stückes sorgt ein genügsamer aber kraftvoller Groove für das Gefühl, mit einer Lokomotive die Wüste zu durchkreuzen. Der Verzicht auf das ganz große Spektakel ist natürlich riskant, gerade bei dieser Songlänge, doch vertrauen Motorpsycho hier auf die Kraft der Stimmungen und ja, auch das geht auf. Direkte Wucht findet man auf dieser Platte ebenso wie filigrane Differenzierung, genau in der richtigen Gewichtung und mit einer Intuition aneinandergefügt, die einen staunen lässt. Motorpsycho befinden sich damit nach wie vor auf einem Höhepunkt ihres Schaffens, König Midas lässt grüßen.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Lux aeterna

Tracklist

  1. Psychotzar
  2. Lux aeterna
  3. The crucible
Gesamtspielzeit: 40:29 min

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dreckskerl

2020-08-18 22:09:56

Ja, den muss man schon ein paar Mal gehört haben, dann gehörts aber mit zu ihren besten long Tracks.

Analog Kid

2020-08-18 22:06:11

So, hab's in letzter Zeit öfter mal wieder gehört, und siehe, es ist heftigst gegrowt.

Der 20-Minüter Titelsong rult ja mal wieder alles weg. Offenbarte sich tatsächlich erst nach mehrmaligem Hören so richtig. Ging mir mit dem Album also so ähnlich wie mit der Behind the Sun. War ja auch so'n Spätzünderalbum bei mir.

Mayakhedive

2019-07-16 20:21:07

Ich bin auch wieder schwer begeistert. Bei ausreichend Zeit mal am Stück anschauen und die Vorfreude auf Oktober steigen lassen :D

dreckskerl

2019-07-16 20:08:17

Smile...of course its Tussler not Hustler.

Ja, geile Setlist/Konzert die ersten 35 Minuten haben mir es hier besonders angetan, geile Versionen.

Mayakhedive

2019-07-16 19:40:25

Hustler Society... Hihi.
Danke für's Posten, gerade auf The Alchemyst hab ich schwer Bock.
Die Setlist ist allgemein ziemlich geil.

Und bei dem Arbeitspensum fragt man sich echt, ob die auch mal einfach im Gammelshirt auf der Couch hängen und nichts tun.

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