Biffy Clyro - The vertigo of bliss

Beggars Banquet / Zomba
VÖ: 16.06.2003
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Toys & girls

Junge Männer und ihr Kampf mit der Einsamkeit. Wenn man vom schönen Geschlecht benutzt wird wie eine Wegwerf-Kamera. Wenn Selbsthaß und -Zweifel am eigenen Nervenkostüm nagen. Wenn die aufgestaute Wut jeden Moment durch die brodelnde Schädeldecke zu schießen droht. Dann passiert etwas wie Biffy Clyro. Eine Band, die so echt ist, das es weh tut. Die mit allem soweit durch ist, daß sie ihr zweites Album "The vertigo of bliss" nennt. Glückseligkeit ist Schwindel. Alles ist scheiße.

Das Leben ist hart und diese Platte wie das Leben. 13 verzwickte, komplizierte Songs möchten entschlüsselt werden. Stücke, die keine Gelegenheit zur plötzlichen Kehrtwende auslassen. Die sich erst zutraulich geben und dann doch um sich schlagen, wenn man ihnen zu nahe kommt. Die in ihrer 60minütigen Gesamtheit zunächst einmal vollkommen erdrückend und überfordernd wirken. "The vertigo of bliss" ist das Album einer ungeheuer ambitionierten Band. Und es ist Schwerstarbeit. Als würde es nicht schon reichen, daß Biffy Clyro einem mit ihrer bloßen Ehrlichkeit das Herz aus der Brust reißen.

Schon "Blackened sky" war alles andere als einfach. Ein herzen- und nackenbrechender Brocken Rockmusik, selbstbewußt und eigensinnig inszeniert. "The vertigo of bliss" nun denkt den gleichen Gedanken weiter und gerät noch mehr als sein Vorgänger zur Geduldsprobe. Nicht alles springt einen so offensichtlich an wie die Single "The ideal height". Aufgeregt wippt der Song von einen auf den anderen Fuß, bevor die Gitarren sich nach Kräften mühen, der ehemals Angebeteten zu nahe zu treten. "How well do you think that you know me?" Gute Frage. Fest steht nur: Wer sich durch dieses verwachsene Dickicht aus Schreikrämpfen und Schrammelgitarren schlägt, bekommt eine Emo-Platte im besten Wortsinn.

Leidenschaft, Kampfgeist und beherztes Forechecking - Biffy Clyro schreiten mit urschottischen Tugenden zur Tat. Daß Bertis Buben trotzdem weit mehr als eine hölzerne Kloppertruppe sind, beweisen Melodien ohne falsche Bescheidenheit, ein trickreicher Rhythmusverband und perfekt ausbalancierte Streicherarrangements. Das heißkalte "With aplomb" wächst unter dramatischen Geigen zur großen Tragödie, "All the way down: prologue chapter 1" ist Wachtraum und Hymne zugleich. Es wimmelt von Songs, die noch nie eine Haut von außen gesehen haben.

Und doch ist all das Kinderkram im Vergleich zu dem atemberaubenden Feuerwerk, das Biffy Clyro im Schlußstück abfackeln. "Now the action is on fire!" faßt die Qualitäten der Platte in einen Song, ist Trauer, Wut, Angst, Verzweiflung, Hoffnung und Erlösung in einem. "You change the world / You change the world". Der Kopf wird schwer, die Bilder verschwimmen, aber die Gedanken sind klarer als jemals zuvor. Wenn Glaube wirklich Berge versetzen kann, wird diese Band die Welt verändern. Und der Himalaya bald vor unserer Haustür stehen.

(Daniel Gerhardt)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • The ideal height
  • Now the action is on fire!

Tracklist

  1. Bodies in flight
  2. The ideal height
  3. With aplomb
  4. A day off...
  5. Liberate the illiterate / A mong among mingers
  6. Diary of always
  7. Questions & answers
  8. Eradicate the doubt
  9. When the faction's fractioned
  10. Toys, toys, toys, choke, toys, toys, toys
  11. All the way down: prologue chapter 1
  12. A man of his appalling posture
  13. Now the action is on fire!
Gesamtspielzeit: 62:13 min

Im Forum kommentieren

jo

2020-09-03 21:26:13

Sehe ich ganz genauso. Meistens gewinnt aber tatsächlich die "Vertigo", weil ich die Stimmung irgendwie (oft) mehr mag.

Affengitarre

2020-09-02 23:03:51

Immer wieder echt toll. Diese Mischung aus tollen Melodien und Vertracktheit bekommen sie hier wunderbar hin, streitet sich bei mir immer mit dem Nachfolger um den ersten Platz.

Autotomate

2019-12-19 13:24:52

Seit längerer Zeit mal wieder gehört. Die ersten 3 Songs sind echt nicht von dieser Welt, die gehören, so wie sie sind, am Stück in meine ewige Biffy-Top-10. Danach begibt sich das Niveau des Albums auf eine erdnahe Umlaufbahn, bis es, wie sich das gehört, mit dem Closer nochmal komplett in andere Sphären rotiert... Eins meiner liebsten Alben überhaupt.

Autotomate

2019-10-31 17:53:57

Der Wischmop hat alles, was auf dieser Seite zu sagen war, gesagt. Bitte umblättern.

Affengitarre

2019-10-31 17:00:40

Ja, vielleicht ist es das sogar. Die beiden nehmen sich nicht viel.

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Threads im Forum