Die Türen - Exoterik

Staatsakt / Caroline / Universal
VÖ: 25.01.2019
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Am Herzen des Nichts

Hätten Sie mal eben knapp zwei Stunden Zeit? Dieser Tage keine gängige Aufmerksamkeitsspanne, schon klar. Doch so sind sie eben, Die Türen: immer das machen, was niemand von ihnen erwartet. Im Anschluss an das von beginnendem Muckertum ausgebremste "ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ" die tapfere Maskulinitäts-Sause "Wir sind Der Mann" unter ebendiesem Namen, zwei Jahre später die Allstar-Revue "Der Spielmacher – Ein Fussical" zur halb verkorksten EM und 2017 die P-Funk-Hommage "Bmerica" – stilecht als Maurice & Die Familie Summen. Nun aber: das erste Die-Türen-Album seit fast sieben Jahren, inklusive bedeutungshubernden Titel und Begleitschreiben mit der vom Zweitling "Unterwegs mit Mother Earth" stibitzten Überschrift "Draußen ist wie drinnen (nur draußen)". Und Unrecht hat der Wisch nicht, denn weit draußen ist "Exoterik" in der Tat.

Und das gleich an mehreren Orten. Dada-Pop, psychedelische Kraut-Installationen, ambiente Drone-Flächen, Dub-Bässe, die aus jedem Magen eine Mördergrube machen – "überall und nirgends" trifft "von allem ein bisschen und nichts so richtig". Für Letzteres spricht, dass Die Türen gerade offenbar eine Wandlung von der zielsicheren, um kein hirnverbranntes Wortspiel verlegenen Diskurs-Combo zur Helikopter-Band für assoziative Gemütszustände durchmachen. Oft reichen dem Quintett inzwischen nämlich schon Mantra-artig wiederholte, jedoch wenig pointierte Einzeiler, um bei "Miete, Strom, Gas" oder "Fiesta Antifa" störende Beimengungen von Sinn geschickt zu vermeiden. Und heißt es "Heute ist Welthundetag und wir gehen in den Park / Lassen uns kraulen, die Hundeseele baumeln" ist das fast schon das Höchste des (Be-)Greifbaren.

Vergleichbar diffus: die von Spechtl gehetzt ins Mikro gejapsten Fluchtfantasien der überrissenen Post-Punk-Grobheit "Abgehauen" – zweifelsohne ein lichter Moment dieses Albums, aber auch ein Song, der inmitten des köstlichen Discounter-Agitprop von "Popo" oder auf dem famosen "Das Herz war Nihilismus" lediglich Quark bei Aldi gewesen wäre. Und tatsächlich befanden sich Die Türen selten näher am Herzen des Nichts als in den fast viertelstündigen Jam-Improvisationen "Lieber Gott" und "Irgendwo hingelegt", die "Exoterik" ähnlich irrelevant machen wie das merkwürdige zweite Von-Spar-Album als Nachfolger der Wuchtbrumme "Die uneingeschränkte Freiheit der privaten Initiative". Aus dem "Rave Regime" wird ein technoides Kellerkabinett und aus "Ich bin eine Krise" eine träge-dystopische Umdeutung von Jeans Teams "Das Zelt" – viel ist das nicht.

Da freut sich der Hörer auch über ein leidlich bedeutungstragendes, wenngleich tautologisches Statement wie "Information ist der Unterschied, der soziale Unterschiede macht", während dazu flockiger Indie-Pop mit Motorik-Beat läuft. Allemal überzeugender als der 25-minütige Titeltrack in drei Parts, der sich genauso schwerfällig durch repetitive Space-Rock-Grooves und defekt flackernde Kometenmelodien schleppt wie "Regionalexpress", die Bummelzug-Variante von Kraftwerks Großtaten aus den Siebzigern. Endstation: der "Gasthof zur Eisenbahn", wo zähflüssige Muzak wie teigiger Kartoffelbrei aus den Boxen quillt. Und etwas anderes war nach diesem komatösen Trip auch gar nicht zu erwarten. Wer Die Türen also schon immer von ihrer bedröhntesten Seite kennenlernen wollte, hat hier reichlich Gelegenheit dazu. Zu viel mehr aber leider nicht.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Welthundetag
  • Abgehauen
  • Information

Tracklist

  1. Welthundetag
  2. Miete, Strom, Gas
  3. Fiesta Antifa
  4. Abgehauen
  5. Lieber Gott
  6. Ich bin eine Krise
  7. Information
  8. Selbstverständlichkeit
  9. Rave Regime
  10. BBI
  11. Exoterik I
  12. Exoterik II
  13. Exoterik III
  14. Regionalexpress
  15. Gasthof zur Eisenbahn
  16. Keine Angst
  17. Oma
  18. Lake Angela
  19. Irgendwo hingelegt
Gesamtspielzeit: 112:42 min

Im Forum kommentieren

Sick

2019-09-29 00:16:49

Na hier liegt Plattentest ja sowas von verkehrt. Psychedlisches Kraut-Postpunkmonster mit Elektronik-Dub-Anleihen. Für ein komplettes Hören natürlich zu lang, aber man kann das gut in zwei Teilen hören.
Die Rezi ist natürlich Blödsinn.

False Flac (unangemeldet)

2019-01-30 11:14:06

Kenne nur "Miete Strom Gas". Schrecklicher Song. Andererseits fand ich "Popo" damals klasse. Sind da auch Songs in dem Stil drauf?

Don

2019-01-30 00:03:27

@rhdf, ja ich weiss, dass die Texte bei dieser Platte eher, sagen wir mal, knapp gehalten sind. Meinte damit auch in erster Linie andere. Ändert aber nichts daran, dass ich auch bei dieser Platte gerne irgendetwas in der Hand hätte. Auch wenn es nur ein dünnes Booklet mit Angaben zu den Musikern etc. ist.

Aircraft

2019-01-29 19:24:47

Das ist ja mal eine richtig gude Pladde und Ihr gebt 4 Punkte ... gehts noch!

rhdf

2019-01-29 15:59:21

miete strom gas,na dann lies dich mal satt!

tolles album, extrem schlechte rezi

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