Laibach - The sound of music

Mute / GoodToGo
VÖ: 23.11.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 3/10
3/10

Kim Jong-un listening to things

"And the hills are alive / With the sound of music." Was für ein hinreißend überkandideltes lyrisches Bild, das Sparks 1994 in ihrem Hit "(When I kiss you) I hear Charlie Parker playing" entwarfen, möchte man meinen. Aber halt: Die rechtschaffen kitschige Zeile zitiert vielmehr den US-Musicalfilm "The sound of music", in dem die Trapp-Familie vor den Nazis aus Salzburg nach Amerika flieht und fortan eine steile Gesangskarriere hinlegt. In Deutschland ist der Streifen unter dem Titel "Meine Lieder – meine Träume" weitgehend unbekannt, die Österreicher betrachten ihn wegen angeblicher Verzerrung der nationalen Identität sogar mit unverhohlener Skepsis. In den USA kennt "The sound of music" hingegen jeder, und auch bei Kim Jong-un – also in ganz Nordkorea – erfreut sich der Film größter Beliebtheit. So gesehen kein Wunder, dass Laibach nicht weit sind.

Denn wenn man an "Spectre" eins ablesen konnte, dann vor allem, dass dem Kollektiv um Ivo Saliger allmählich die Feindbilder ausgehen – oder zumindest zu enteilen drohen. Donald Trump jedenfalls hat schon 50 Tweets abgesetzt und Viktor Orbán drei Mal das Pressegesetz verschärft, bis die nicht gerade unproduktiven Slowenen einen Song aufgenommen haben. Laibach können also ihrem zuweilen als ungnädiger Cyborg auftretenden Herrgott danken, dass sie 2015 für ein Konzert nach Nordkorea eingeladen wurden – in den letzten Staat, wo die Herrschaftsform der totalitären Diktatur noch so konsequent wie bedenkenlos gelebt wird. Andererseits: "Welches Land ist heutzutage nicht totalitär?", wie der Bandsprecher im Interview zum Thema zu bedenken gab. Motto der Veranstaltung: Keep your friends close – keep your enemies closer.

Das heißt für "The sound of music", dass Laibach die Originale des Broadway-Komponistenduos Rodgers & Hammerstein wenigstens vordergründig mit Rücksicht bearbeiten und zwischen Soundtrack, Reiseandenken und künstlerischer Diplomatie melodramatisieren. Als Widerpart zum pastoral grunzenden Milan Fras fungiert Silence-Sänger Boris Benko, dessen vergleichsweise glockenhelle Stimme den opulenten Chören und aufgeplusterten Orchester-Schönklängen des Titelstücks eine feierliche Grandezza verleiht, bis Fras' gutturales Organ eine bedrohliche Schlagseite addiert. Auch die gereizte Synthie-Grundierung von "Climb ev'ry mountain" verheißt trotz meterdicker Harmonie-Patina nichts Gutes, wenn plötzlich die ganz und gar nicht lustigen Stiefel durch den Song marschieren und sich der Nazi-Terror ins Gedächtnis ruft. Unkultur reißt, na ja, Hochkultur.

Laibach können eben nicht anders: Lieblichkeit trifft auf Schrecken, überzeichneter Humor auf grimmige Realsatire. Wie "Edelweiß" mit kosmischen Kraftwerk mauschelt, ist genauso unterhaltsam wie "Favorite things", das zu versonnener Klimperei "Apfelstrudel" auf "schnitzel with noodles" reimt. Der Elektro-Shuffle "Sixteen going on seventeen" wiederum macht pädophilen alten Säcken die Hölle heiß, und Kim Jong-un bekommt eine Version der gesamtkoreanischen Hymne "Arirang" und in "The sound of gayageum" die landestypische Wölbbrettzither spendiert. Die Bewohner der Alpenrepublik lehnen sich derweil süffisant zurück: "Das schlaueste Volk sind immer noch wir, weil wir es geschafft haben, dass die Welt glaubt, Beethoven sei ein Österreicher gewesen und Hitler ein Deutscher." Ein Satz, der Laibach ähnlich gut gefallen dürfte wie uns dieses Album.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The sound of music
  • Climb ev'ry mountain
  • Favorite things
  • Sixteen going on seventeen

Tracklist

  1. The sound of music
  2. Climb ev'ry mountain
  3. Do-re-mi
  4. Edelweiß
  5. Favorite things
  6. Lonely goatherd
  7. Sixteen going on seventeen
  8. So long, farewell
  9. Maria / Korea
  10. Arirang
  11. The sound of gayageum
  12. Welcome speech
Gesamtspielzeit: 42:13 min

Im Forum kommentieren

Thomas

2024-10-22 15:52:06

Knapp 6 Jahre später: moly hat vollkommen Recht, gravierender Fehler meinerseits und korrigiert. Sachen gab's damals. :)

moly94

2019-01-25 15:13:53

Mozart war wirklich Österreicher (auch wenn die Zugehörigkeit Salzburgs damals als Bistum natürlich noch mehr oder weniger unabhängig war, das Zitat kenne ich allerdings mit Beethoven, der ja eigentlich Deutscher war in den Köpfen vieler aber fälschlich als Österreicher bekannt ist ;)

Armin

2018-12-20 20:45:58- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

MasterOfDisaster69

2018-10-26 18:38:02

https://www.youtube.com/watch?v=EavTye99eZA

"....apfel strudels
....schnitzel with noodles
...these are a few of my favorite things"

genau mein "Geschmack"...
egal, was da noch kommt, schon jetzt eines der Highlights in 2018 !!!

Sonst immer motze

2018-09-05 19:44:12

Sehr gut!!

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