Sick Of It All - Wake the sleeping dragon!

Century Media / Sony
VÖ: 02.11.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Backenfutter

Hach ja, alt ist er geworden, der New York Hardcore. Selbst der große Hype, als jeder, der wichtig zu sein meinte, irgendwo ein NYHC-Logo platzieren zu müssen, ist lange her. Auch die kommerzielle Ausschlachtung durch Vertreter der zweiten Welle wie Biohazard hat das Genre klaglos überstanden. Die alten Kämpen jedoch, die so manchen Straßenkampf zumindest musikalisch geschlagen haben, die nur deshalb so glaubwürdig soziale Missstände anprangern konnten, weil sie selbst irgendwie außen vor standen, die sind immer noch da. Gut, Agnostic Front sind momentan eher auf der Bühne als auch im Studio aktiv, und auch die Cro-Mags als weithin bekannte Vertreter sind in Person ihres ehemaligen Sängers Harley Flanagan eher dabei, ihr eigenes Erbe zu ruinieren. Und dann sind da noch Sick Of It All. Wohl kaum eine Band der ersten Reihe des NYHC ist so konstant, wohl kaum eine Band so glaubwürdig. Und wohl kaum eine Band ist immer noch dermaßen zornig wie das Quartett um die Brüder Lou und Pete Koller.

Schon der Blick auf die Trackliste flößt Respekt ein, denn die New Yorker hämmern die 17 Songs von "Wake the sleeping dragon!" in gerade einmal 33 Minuten herunter. Ganz klar: Hier werden keine Epen erzählt, hier erfolgen keine wortreichen Analysen des Systems, hier gibt es ansatzlos zwei links, zwei rechts an die Backen. "Inner vision" ist so eine Abrissbirne. Eine knappe Minute lang keift Lou Koller seinen Zorn hinaus, bis ein mörderischer Groove einsetzt. Und wenn woanders Gangshouts aufgesetzt wirken, hier bekommt man das Gefühl, als würde wirklich an der nächsten Ecke der Mob warten. "Robert Moses was a racist" wiederum ist selbst für bandeigene Verhältnisse erstaunlich explizit, wenngleich sich der hier geschmähte New Yorker Stadtplaner in der Tat aufgrund diverser Brückenbauten den Vorwurf gefallen lassen musste, dass die Rampen jener Brücken zu niedrig für Busse seien, wodurch die insbesondere schwarze Unterschicht ausgegrenzt würde. Und weil sie schon so in Fahrt sind, dürfen sich beim folgenden "Self important shithead" so genannte Influencer und Selfie-Junkies in weniger als einer Minute erklären lassen, wohin sie sich ihr Deppenzepter stecken dürfen.

Nun wäre es allzu billig, wenn sich Sick Of It All in der knappen Spielzeit auf stumpfe Pöbeleien reduzieren. "That crazy white boy shit" zum Beispiel ist eine Hommage an die legendären Genre-Mitgründer Bad Brains, während "Beef between vegans" alleine durch den Songtitel durchaus augenzwinkernd daher kommt. "Bull's anthem" hingegen überzeugt vor allem dadurch, dass das Anprangern von Tierquälerei sehr wohl mit Schunkel-Gesang und Mitgröl-Refrain einhergehen kann. Und als wollten die New Yorker auch noch die Metal-Fraktion zufrieden stellen – allemal sind die Zeiten des Hasses zwischen Metalfans und Hardcore-Punks glücklicherweise lange vorbei –, holzt "Hardcore horseshoe" noch ein paar zünftige Thrash-Riffs heraus.

Jetzt könnten bösartige Zeitgenossen behaupten, wenn alle Interessen bedient werden, könne man niemandem weh tun. Auf der einen Seite mag das sogar auch so sein. Doch ist die zweite Seite des Hardcore neben der Sozialkritik nicht auch die Beschwörung des Miteinander, so wie es "Always with us" tut? Somit bleibt das einzig Schmerzhafte der verbale Tritt in die Visage, mit dem die Band ihre Message verbreitet. Und da diese wichtiger ist denn je, dürfen filigrane Songstrukturen wie schon beim Debüt "Blood, sweat and no tears" außen vor bleiben. Manchmal muss es eben der grobe Knüppel sein, und den schwingen Sick Of It All nach wie vor so routiniert wie hochklassig. New York Hardcore mag schon einige Jahre auf dem Buckel haben. Altmodisch ist er deswegen noch lange nicht. "Wake the sleeping dragon!" ist das beste Beispiel seit langem dafür.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • That crazy white boy shit
  • Bull's anthem
  • Self important shithead
  • Hardcore horseshoe

Tracklist

  1. Inner vision
  2. That crazy white boy shit
  3. The snake (Break free)
  4. Bull's anthem
  5. Robert Moses was a racist
  6. Self important shithead
  7. To the wolves
  8. Always with us
  9. Wake the sleeping dragon!
  10. 2+2
  11. Beef between vegans
  12. Hardcore horseshoe
  13. Mental furlough
  14. Deep state
  15. Bad hombres
  16. Work the system
  17. The new slavery
Gesamtspielzeit: 33:04 min

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Sleeping Dragon

2018-11-08 23:54:11

Das Beste seit der Erfindung.

Armin

2018-11-08 21:20:12- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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