Kala Brisella - Ghost
Tapete / IndigoVÖ: 14.09.2018
Endlich Ruhe?
Das ging schnell: 2017 waren Kala Brisella noch "Endlich krank", und nur knapp eineinhalb Jahre später spuken sie bereits als "Ghost" herum. Dazwischen liegt nicht etwa ein mutwillig verschwiegenes Ableben – vielmehr zollen die Berliner einer schnelllebigen Zeit Tribut, indem sie sich planvoll von A nach C hangeln. Schon auf dem vorzüglichen Debüt schlug ein Stück wie "Braun Oral" unvermittelt vom Plädoyer für elektrische Zahnbürsten in eine beißende Parabel über nationalistische Klobürsten-Rhetorik um, dazu stampfte das Donnergrollen aus schneidender Gitarre, kantiger Rhythmusgruppe und kehligem Gezeter entweder stoisch auf der Stelle oder raste ruinös vor die Wand. Wenn sich da selbst die "Zeit" zu Formulierungen wie "Deutschpunk ist sowas von nicht tot" hinreißen lässt, ist es wohl amtlich. Und außerdem Zeit für Entschleunigung.
Hierzu gibt "Ghost" zumindest im direkten Vergleich zum Vorgänger etwas mehr Gelegenheit – schließlich müssen Jochen Haker, Anja Müller und Dennis Deter angesichts hauptberuflichen Theater-Engagements und zwei Platten in zwei Jahren irgendwann mal durchpusten. Auch wenn das bei Hakers atemlosen Gesangsstil einigermaßen unwahrscheinlich klingt und der Rest der Band zunächst wenig zur Entspannung beiträgt. Kettcars "Kein Außen mehr" setzen Kala Brisella ein gereiztes "Alles außen" entgegen, in dem zu gedämpftem Sonic-Youth-Klirren sämtliche Körperteile auf Ausbruch drängen, während "King of the moon" ansatzweise zum schluffigen Grunge-Hit mit Rucksack in New York und beginnendem Ja, Panik-Zungenreden taugt. Und nimmt man schon das Wort Punk in den Mund, sollte ihm spätestens jetzt ein "Post" vorausgehen.
Denn auch auch "Ghost" wankt zwischen den deutschen Epizentren des Quasi-Genres, sprich zwischen Berlin samt musikalischer Isolation und der dunkelgrau nörgelnden Stuttgarter Blase um Die Nerven hin und her – hat aber naturgemäß viel Platz in der Mitte. Und so schieben sich neben den missmutig paukenden Rocker "Dein Du" inklusive halsbrecherischen Stakkato-Riffs und den psychedelisch verhallten Drohgebärden von "In Spiralen" auch zusehends weichgezeichnete Momente ohne glasharte Rigidität auf dieses Album. Wo Kala Brisella dem Hörer früher vorgaukelten, "Immer neu immer fresh" zu sein, lässt "Versteck" gedoppelte Dream-Pop-Harmonien auf wattierte Lick-Spitzen zulaufen, "Gezackte Linie" kommentiert die jährlichen Mai-Unruhen mit wenig mehr als Vocal-Mantra und kokeliger Orgel. Endlich Ruhe statt "Endlich krank".
Typisch jedoch, dass das Trio diese allenfalls bis zum zornigen "I'm sorry" durchhält: "Hallo Welt, ja Du / Ich meine, wir wissen / Alles ist hin, hin, hin / Alles ist total beschissen." Welch befreiende Feststellung, sofern man sich um acht Uhr morgens fragt, warum der Tag schon wieder nicht rumgehen will. Saiten zersplittern, ein Basslauf macht Druck, und am Ende ist der Hörer zwar nicht schlauer, aber um eine grob geschliffene Desillusion reicher. Warum man der Aufforderung "Kommst Du mit mir" dennoch strammen Schrittes Folge leistet? Wegen der wohldosierten Power, die Kala Brisella trotz vereinzelter Anzeichen von Milde versprühen? Weil es immer noch Dein Leben ist, auch wenn Du selbst nichts mehr entscheidest? Oder wegen der Zeile "Du hast alles richtig gemacht"? "Ghost" jedenfalls kann man ein treffenderes Kompliment als Letzteres kaum aussprechen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Alles außen
- King of the moon
- Dein Du
- I'm sorry
Tracklist
- Alles außen
- King of the moon
- In Spiralen
- Dein Du
- Gezackte Linie
- Gespenster
- I'm sorry
- Versteck
- Kommst Du mit mir
- Gelandet
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MasterOfDisaster69
2018-11-11 03:23:47
Starkes Video
https://www.youtube.com/watch?v=ub2j0og6SUY
Hoehepunkt: Wie der Bassist bei 1:40 die Moehre in den Mund gestopft bekommt.
Armin
2018-10-14 19:54:50- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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