Kurt Vile - Bottle it in

Matador / Beggars / Indigo
VÖ: 12.10.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Panta rhei

Kurt Vile kann vieles. Eines aber sicher nicht: Maß halten. Sein neues, mittlerweile siebtes Studioalbum "Bottle it in" ist ein überbordernder Quell atmosphärisch vor sich hinfließender Gitarrenmusik, die weder Anfang noch Ende kennt. Mach mal halblang, möchte man Vile manchmal an gewissen Stellen zurufen, aber es würde ja doch nichts ändern. Wie eine Mutter, die sich nicht von ihrem frisch eingeschulten Sprössling trennen kann, hängt Vile an seinen Stücken, kann nicht loslassen, klammert gar. Kurt Vile also eine Art Helikopter-Songwriter? Schon möglich. Und der geneigte Zuhörer muss sich eben daran gewöhnen, dass hier teilweise minutenlang nichts wesentlich Neues passiert. Tut es im realen Leben ja auch nicht. "Bottle it in" ist so gesehen der perfekte Soundtrack zum Wändeanstarren. Cooles Hobby, bei dem man sich immerhin nicht verletzen kann.

Verletzen kann man sich auch bei der Rezeption von "Bottle it in" kaum: Die dreizehn neuen Stücke bieten schließlich uferlosen Wohlklang, dem manchmal vielleicht sogar der letzte Biss fehlt. Die erste Singleauskopplung "Loading zones" macht dabei aber noch alles richtig: Hier bringt Vile seinen Sound auf den Punkt, die schlingernden Sehnsuchtsgitarren treffen auf Viles wunderbar nöligen Vortrag, der meist eher wenig mit klassischem Gesang zu tun hat. Was ja auch gar nicht schlimm ist. Die Musik des ehemaligen Mitglieds von The War On Drugs lebt ohnehin, wie auch jene seiner Ex-Band, von den vielfältigen Assoziationen, die sie hervorruft. Üblicherweise denkt man an Weite, an Freiheit, möglicherweise gepaart mit ein wenig Einsamkeit, um die nötige Dosis Melancholie nicht außen vor zu lassen. "Bottle it in" schlägt auch in jene Kerbe und macht dabei seinen Job sehr gut, auch wenn es dem Vergleich mit Viles Meisterwerk "Wakin on a pretty daze" nicht ganz standhält.

Das neue Album gefällt, weil es den Hörer einlullt, ihn weich spült und mit seinen Melodien immer gefügiger macht. Ein Relaxans für Ohren, Herz und Seele, wenn man so möchte. "Bassackwards" beispielsweise beherrscht diese Fertigkeit perfekt, wirkt die Nummer doch so herrlich beruhigend mit ihrer rückwärts geloopten Gitarre. Entschleunigung durch Wiederholung, Kontemplation via Lo-fi-Indierock. In den knapp zehn Minuten vergisst man Raum und Zeit, um sich voll und ganz hinzugeben. In den allermeisten Kompositionen gelingt Vile eben genau dies, manchmal verliert er vielleicht den roten Faden, vielleicht gab es aber auch gar nie einen. Alles fließt, alles muss fließen. Dass gerade das über zehn Minuten lange Stück "Skinny mini" gen Ende doch etwas länglich wirkt, verzeiht man dem US-Amerikaner dann auch, weil man nach über 78 Minuten so relaxed ist, dass einen gar nix mehr umhaut.

Auffallend schön sind einmal mehr die kleinen Details, die meist erst nach mehrmaligem Hören auffallen. Klitzekleine Soundspielereien, wie das Rauschen zu Beginn von "Cold was the wind" oder das lässig eingeworfene "How's it goin'?" zu Beginn des schunkeligen Alt.-Country-Tracks "Rollin with the flow". "Mutinies" erzählt von Viles Hang zu Medikamenten, ganz unaufgeregt, von Stimmen in seinem Kopf, die manchmal komische Sachen flüstern, die wiederum dazu führen, dass man nochmal beherzter ins Medizinschränkchen greift. Dabei perlt die Gitarre so warm und freundlich, dass es eine fast schon paradoxe Freude ist. Wodurch der Song natürlich ein Paradebeispiel für die gesamte Platte darstellt: Trotz der Länge, der Repetition, des dauerhaften Rauschs, beginnt "Bottle it in" irgendwann, einem regelrecht ans Herz zu wachsen. Gut so: Blutdrucksenkend wirkt dieses Album nämlich gewiss.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Loading zones
  • Yeah bones
  • Bassackwards
  • Mutinies

Tracklist

  1. Loading zones
  2. Hysteria
  3. Yeah bones
  4. Bassackwards
  5. One trick ponies
  6. Rollin with the flow
  7. Check baby
  8. Bottle it in
  9. Mutinies
  10. Come again
  11. Cold was the wind
  12. Skinny mini
  13. (Bottle back)
Gesamtspielzeit: 78:51 min

Im Forum kommentieren

Hogi

2018-11-26 14:56:01

Wie War on drugs wohl klingen würden, wenn er bei denen noch dabei wäre?

hallogallo

2018-11-26 14:43:21

Bei mir rangiert das Album derzeit auf Platz 4 bis 5 :)

saihttam

2018-11-26 13:22:01

Mir sind die letzten paar Songs etwas zu ziellos, bis gut über die Hälfte ist es aber gewohnt stark. Mal schauen wo es bei mir am Ende landet. Top 10 sollte schon drin sein, viel mehr aber vermutlich auch nicht.

myx

2018-11-26 10:02:36

Mir geht es genauso mit dem Album, ich mag diese lässige, unbekümmerte, raumgreifende Atmosphäre ungemein. Am besten kommt dies m. E. im Song "Mutinies" zum Ausdruck, mit diesen wundervoll schwebenden letzten 80 Sekunden – einfach nur traumhaft schön ...

Für mich ist "Bottle it in" ganz klar ein Kandidat für die Top 3 in diesem Jahr, wenn nicht sogar für ganz zuoberst.

Quirm

2018-11-26 09:20:45

Jap, super Album. Hat ziemlichen Suchtcharakter. Wenn die Platte einmal, läuft kann man sich ihr kaum mehr entziehen.

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