Low - Double negative

Sub Pop / Cargo
VÖ: 14.09.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die Kunst der Stunde

"Ist das ein Witz?", fragte der unregistrierte User starfire da am 12. Juni 2018 im Plattentests.de-Forum in Bezug auf "Quorum", eine von drei Vorab-Singles des neuen Low-Albums "Double negative". Nein, das war kein Witz. Das Trio Alan Sparhawk, Mimi Parker und Steve Garrington meinte das alles durchaus ernst, jeden einzelnen der drei Tracks mitsamt der dazugehörigen Videos. Waren die beiden Vorgänger "The invisible way" von 2013 und das zwei Jahre später veröffentlichte "Ones and sixes" zwar deutlich eingängiger, so ist "Double negative" doch das zumindest etwas spannendere Album. Mit der erneuten Hilfe von Produzent BJ Burton, der auch beim letzten Werk der Band aus Minnesota hinter den Reglern saß, schufen sie elf neue Songs, die trotz des merklichen Kunst-Anspruchs nahbar und berührend sind und tief unter die Haut gehen. Hörst Du das, Trevor Powers?

Womöglich liegt es an der generell sehr einnehmenden Art von Low. Da wäre etwa das aufs erste Ohr zwar etwas monotone und sich dann doch langsam, aber stetig aufbauende "Always up" mit Chorgesang und Parkers glockenhellem Solo, das immer weiter in die Sonne blickt, obwohl die Augen schon anfangen zu schmerzen. Oder die wie ein gefährliches Raubtier knapp unter dem Meeresspiegel verharrende, zwischen Ruhe und Unruhe wandelnde Atmosphäre des Quasi-Instrumentals "The son, the sun", der man sich kaum entziehen kann. Oder die wirklich schöne Lagerfeuer-Folk-Nummer "Dancing and fire" für etwas traditionellere Augenblicke. Es ist erstaunlich: Sogar nach über zwei Jahrzehnten definieren Low sich und ihren Sound immer wieder neu. Und damit auch ihre Hörerschaft. Wobei – die ganz Treuen von damals werden sich mit Sicherheit auch noch nicht vom Acker gemacht haben.

Zu neugierig machen Sparhawk, Parker und Garrington nach wie vor, sei es mit dem eingangs erwähnten und vollkommen verzerrten "Quorum", das als Opener ebenso ungeeignet wie offensichtlich ist – der Name "Double negative" ist hier durchaus Programm – oder mit einer Laut/Leise-Studie wie "Tempest", das nicht nur mit viel Leidenschaft mit dem Stromkasten spielt, sondern auch mit den Nerven des Zuhörers. Es ist genau diese Experimentierfreude, diese nach wie vor vorhandene Lust auf Entwicklung und Veränderung, die nicht nur auf diesem Album eine der größten Stärken Lows ist, hier aber zumindest mal wieder etwas deutlicher wird. "Always trying to work it out" ist vertontes Zuckerbrot mit eingestreuter Peitsche, einerseits ein sanfter Hochgenuss fürs Gehör, andererseits ein Stabilitätstest für den berühmt-berüchtigten Geduldsfaden – besonders dann, wenn im letzten Drittel plötzlich die Hölle losbricht und man das kurzzeitig mit bestem Willen nicht mehr als Musik bezeichnen kann. Ebenso schnell ist das Unwetter verzogen, Low machen unbeirrt weiter, als wäre nie etwas gewesen. Wenn das wirklich ein Witz sein sollte, ist es zumindest ein sehr guter. Bitte mehr davon!

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Always up
  • Always trying to work it out
  • Dancing and fire

Tracklist

  1. Quorum
  2. Dancing and blood
  3. Fly
  4. Tempest
  5. Always up
  6. Always trying to work it out
  7. The son, the sun
  8. Dancing and fire
  9. Poor sucker
  10. Rome (Always in the dark)
  11. Disarray
Gesamtspielzeit: 49:02 min

Im Forum kommentieren

NOK

2020-03-22 14:17:58

"Ja, wirklich ein tolles Album. Was mich fast noch mehr beeindruckt als der in der Tat coole Sound, ist das unter der Oberfläche richtig gute Songs stecken, die auch ohne die Ästhetik überzeugen - live reihen sich die Songs von Double Negative makellos in die Setlist ein."

Richtig. Ich hab sie, als sie damit auf Tour waren, zweimal gesehen und kann das nur bestätigen. Sie haben nur leider "Tempest" nicht gespielt, und das ist ja, wenn man nach den YouTube-Mitschnitten geht, das ultimative Beispiel für das, was du schilderst, vom brüllenden Soundmatsch hin zum fragilen Wunderwerk. Beides toll, aber halt so ganz verschiedene Paar Schuhe.

"Hatte beim Erscheinen die Sorge, dass das Album mehr Soundspielerei ist und das Songwriting vernachlässigt. Hat sich überhaupt nicht bewahrheitet."

Auch richtig. Witzig eigentlich, dass Anthony Fantano meint, dass das sehr wohl so ist:

https://youtu.be/fvJc33l7Dhc?t=259

Was ich auch ohne die rosa Fanboybrille - soweit möglich - eigentlich kaum verstehe.

boneless

2020-03-22 13:33:23

live reihen sich die Songs von Double Negative makellos in die Setlist ein.

Von Double Negative hätte ich gern ein Live-Album, denn die Songs klingen da doch teilweise erheblich anders (und ähnlich genial) wie auf Platte.

VelvetCell

2020-03-22 12:36:54

Richtig. Hat man sich erstmal an den Sound gewöhnt, ist es ein klassisches Low-Album.

Der Untergeher

2020-03-22 12:26:19

Ja, wirklich ein tolles Album. Was mich fast noch mehr beeindruckt als der in der Tat coole Sound, ist das unter der Oberfläche richtig gute Songs stecken, die auch ohne die Ästhetik überzeugen - live reihen sich die Songs von Double Negative makellos in die Setlist ein.

Hatte beim Erscheinen die Sorge, dass das Album mehr Soundspielerei ist und das Songwriting vernachlässigt. Hat sich überhaupt nicht bewahrheitet. Nach "I Could Live in Hope" und "The Curtain Hits the Cast" mein liebstes Album.

VelvetCell

2020-03-22 11:25:36

Ach, witzig – ich höre das Album auch gerade mal wieder und bin hierher, um genau das Gleiche zu sagen wie du, Machina. Abgefahrener Sound, mutiges Album.

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