Phillip Boa & The Voodooclub - Earthly powers
CargoVÖ: 10.08.2018
Der Rumpelkumpel
Robert De Niro, Al Pacino, Phillip Boa. Gar nicht mal so unwahrscheinlicher Dreisatz, berücksichtigt man, dass das Cover von "Earthly powers" eine in Spektralfarben erstrahlende Kintopp-Fassade zeigt, wobei wir an dieser Stelle eine gewisse Ähnlichkeit zum Artwork von Unheiligs "Lichter der Stadt" mal tapfer von der Hand weisen wollen. Vielmehr geistern die eingangs erwähnten Herren durch den 19. Longplayer des altgedienten Indie-Veteranen – in der gleichen Rolle als emotional verkrachte Existenzen und stolze Antihelden, zu denen sich auch Boa in seinen Songs immer wieder gerne stilisiert. Da bleibt der Damenwelt zuweilen nur noch der Stoßseufzer "You're so cool / But a heart you have none" übrig – und selbst den kleidet er bei "60's black C" in einen zwingenden, minimalistisch geloopten Rocksong. Prioritäten wollen nun mal gesetzt sein.
Sein Herz hat der 55-Jährige nämlich nach wie vor an meist unruhig vorwärtsdrängelnden Gitarrenpop zwischen rumpelig und kumpelig verloren, der zusätzlich Spuren von Punkrock und der Schwermut des New Wave enthalten kann. Auch wenn von Letzterer zunächst keine Rede ist, sobald der Opener "A crown for the wonderboy" im Schweinsgalopp die Riffs anspitzt und der mehrstimmige Gesang genau das frenetische Machenwollen demonstriert, mit dem Boa samt Club ungeachtet aller Umbesetzungen seit 1985 prächtig über die Runden kommt. Und da der Mann nicht mehr der Allerjüngste ist, sei ihm direkt danach ein stimmungsvoll groovender Schlurfer gestattet, deren Protagonist sich als "Cowboy on the beach" vermutlich deplatzierter vorkommt als der delikat-sumpfige Twang auf "Earthly powers".
Und auch der gebürtige Dortmunder fragt sich des Öfteren, wo er hier eigentlich gelandet ist, nachdem er seiner früheren Wahlheimat Malta wegen Korruption und politischer Wirren unlängst den Rücken gekehrt hat. Beziehungsweise was das alles um ihn herum soll. Warum "The wrong generation" an ihrer Lethargie verdämmert oder die "Silicon men" für das neueste iPhone vor dem Apple Store kampieren, statt es an der Biegung des Flusses zu begraben. Und es verwundert nicht, dass Boa vor lauter Unverständnis mitunter die Gäule durchgehen, die krakeelende Vehemenz früher Brecher wie "Kill your ideals" aufblitzt und der Hörer sich mehr als einmal vor heißen elektronischen Fettspritzern in Sicherheit bringen muss – nicht dass "Earthly powers" ihm kurz nach der Hälfte noch krachend um die Ohren fliegt. Es wäre schade drum.
Nicht nur wegen der freudig durchgepaukten Ohrwurm-Single "Nightclub flasher", die kurz mit dem "Loyalty"-Titelstück Gassi geht, oder dem elektrifizierten Dance-Rocker "Moonlit", dem man das beiläufig reingeraunte Geständnis "I hate music" partout nicht abnehmen will. Warum auch, wenn der trunkene Piano-Leisetreter "Drown my heart in moonshine" oder das elegische "Strange days after the rain" vom exakten Gegenteil künden? Passend dazu stapft die "Dirty raincoat brigade" zu einer umarmenden, halbakustischen Hymne schließlich etwas begossen, aber würdevoll von dannen – unterm Arm die Brocken der zersägten Stromgitarren von "Chas and Billie Ray", mit dem "Earthly powers" ein letztes lärmiges Ausrufezeichen setzt. Kühl bis ans Herz? Ist Boa auch nach über 35 Jahren noch lange nicht. Erst recht nicht auf diesem Album.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Cowboy on the beach
- Nightclub flasher
- Moonlit
- 60's black C
Tracklist
- A crown for the wonderboy
- Cowboy on the beach
- Nightclub flasher
- The wrong generation
- Drown my heart in moonshine
- Moonlit
- Silicon men
- Strange days after the rain
- Cruising
- 60's black C
- Chas and Billie Ray
- Dirty raincoat brigade
Im Forum kommentieren
VelvetCell
2020-08-25 22:56:40
Ach – und was an dem Album "rumpelig" sein soll, wie die Rezension suggeriert, leuchtet mir nicht ein.
VelvetCell
2020-08-25 22:53:27
Ui – so wenig los hier? Für mich eines seiner besten Alben. Das beste gar? Großartige Melodien, super Songs und ein guter Mix aus langsameren Stücken, wunderbarem Pop und treibendem Punk. Und viele, viele Hits! Ich mag tatsächlich am ehesten die langsameren Stücke:
Cowboy on the beach, Drown my heart in Moonshine und vor allem Strange Days after the Rain.
Ich neige dazu, die 9 zu zücken!
Armin
2018-09-05 21:22:48- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Gerd
2018-09-04 00:20:14
Irgendwo stand, eine von Boas besseren Platten :-)
Da ist was dran.
MM13
2018-09-03 19:17:13
jetzt doch noch die deluxe version gekauft,da er mal eben so eine 2.cd mit neuen songs dazupackt,die auch sehr gut ist.ich bleib bei der 8/10.
ein kleiner wermutstropfen ist das vanessa anne redd und nadine axisa hier nur als backgroundsängerinnen ran dürfen.(einzige ausnahme,vanessa mit pale blue eyes von lou reed auf cd2).
schade,wär definitiv eine rezi wert gewesen.
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