
Alice In Chains - Rainier fog
BMG / WarnerVÖ: 24.08.2018
Zeitlos in Seattle
Seattle. Eine Stadt, in der vor – man mag es kaum aussprechen – knapp dreißig Jahren, ein Musikgenre entstand, welches zuerst die Rockmusik revolutionieren und später Dank bis zum Erbrechen ausgewalzter Trends zum Schimpfwort werden sollte. Die Rede ist natürlich von Grunge. Und klar, hier zu erklären, dass Alice In Chains zu den großen Protagonisten zu zählen sind, dürfte eine Beleidigung unserer Leserschaft gleich kommen. Warum dies trotzdem erwähnenswert ist? Nun, zum einen ist "Rainier fog" nicht nur die erste Platte der Amerikaner seit fünf Jahren, sondern nach über zwei Dekaden das erste, welches in der Heimatstadt im abgeschiedenen Nordwesten der USA aufgenommen wurde.
Die im Titel erwähnte Witterung am Hausberg der Metropole mag nach drei Dekaden trotz Klimawandels dieselbe sein, eines ist anders: Bekanntermaßen schied im Mai 2017 mit Chris Cornell einer der ganz Großen der Szene freiwillig aus dem Leben. Grund genug für Co-Frontmann und Gitarrist Jerry Cantrell, nachdenklich zu werden. Geerdet. Ohne jedoch mit seiner Band in diese Larmoyanz zu verfallen, die das Genre in seinen späteren Jahren so in Verruf brachte. Vielmehr steckt die erste Single "The one you know" voller Selbstzweifel, lässt mit dem Refrain eine tiefe Zerrissenheit spüren. "Tell me, does it matter / If I'm still here or I'm gone / Shifting to the after / An imposter, I'm not the one you know."
Der folgende Titeltrack ist eine wunderbare Hommage an das Genre, an die großen Vertreter der vergleichsweise kleinen Stadt, überzeugt mit einem mächtigen Riff und herrlichem mehrstimmigen Gesang von Cantrell und William DuVall. Überhaupt die Gitarrenarbeit: Immer wieder lässt Cantrell kleine Erinnerungsmomente blitzen, immer wieder sind da diese Verbeugungen vor der Vergangenheit, ohne je rückwärtsgewandt zu sein. So lässt "Red giant" die großen Zeiten von Queensrÿche aufblitzen, während "Fly" tatsächlich ein klassischer Grunge-Song sein könnte und doch modern klingt. "Drone" hingegen ist hypnotisch und zieht unweigerlich in seinen Bann, erst recht unter dem Kopfhörer, wo zudem der kleine, aber feine Gastbeitrag des früheren Queensrÿche-Gitarristen Chris DeGarmo an der akustischen Gitarre besonders herrlich zur Geltung kommt.
Die wahre Großtat allerdings versteckt sich dezent am Ende der Platte und trägt den Titel "Never fade". Was vor allem an den Lyrics aus der Feder von William DuVall liegt, die dem verstorbenen Cornell einen nachdenklichen Gruß hinterherschicken. "Never fade / I know you think you're someone I forgot / Never fade / I'm everything you really think I'm not." Doch bei aller Trauer steckt dieser Song voller positiver Energie, voller Mut zum Leben. Fast könnte man meinen, Alice In Chains seien in den letzten Jahren nochmals gereift. Der Band ist mit "Rainier fog" eine großartige Platte gelungen, die auf einzigartige Weise an die Vergangenheit erinnert, ohne sie zu glorifizieren. Die wohlige Erinnerungen an den Soundtrack der Jugend weckt, damals, als Seattle eine brodelnde Musikszene voller Kreativität vorweisen konnte. Grunge im engeren Sinne ist das natürlich weiß Gott nicht mehr, sollte es auch nie sein. Sondern schlicht brillante, zeitlose Rockmusik. Danke für diesen wundervollen Blick zurück nach vorn.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The one you know
- Rainier fog
- Drone
- Never fade
Tracklist
- The one you know
- Rainier fog
- Red giant
- Fly
- Drone
- Deaf ears blind eyes
- Maybe
- So far under
- Never fade
- All I am
Im Forum kommentieren
Robert G. Blume
2021-03-23 11:34:54
Schon ein tolles Album, aber in letzter Zeit hab ich vor allem den (tatsächlich grandiosen) Vorgänger gehört. Den hab ich mir jetzt endlich gekauft, nachdem ich den damals aus irgendeinem Grund ignoriert habe. Beim Überfliegen des Threads hatte ich aber sofort wieder Lieder wie Never Fade, Drone oder Red Giant im Ohr. Ich bleibe bei meinem Fazit von 2018.
fuzzmyass
2021-03-22 20:39:40
Sehr schönes Album... kommt nicht ganz an den grandiosen Vorgänger ran, aber das ist auch nicht ganz leicht
Gomes21
2021-03-22 19:56:16
Ich find das ALbum immer noch ganz gut. Mehr war es bei mir nie. Aber das gilt für mich überhaupt für AiC.
Paar geile Nummern sind auf jeden Fall drauf.
Corristo
2021-03-22 16:16:59
Tatsächlich das Einzige AIC-Album, das ich noch nicht kenne, weil ich seinerzeit irgendwie nicht in Stimmung und von den Vorgängern noch gesättigt war. Aber jetzt gleich mal blind bestellt das Teil. Für mich war es zwar nur mit Staley das einzig wahre AIC, aber auf Cantrell ist eigentlich immer Verlass und selbst wenn es das angeblich schlechteste Werk wäre, immer noch Wert gehört zu werden.
NeoMath
2021-03-22 11:54:06
Ne, wollte einfach neu. Bin damals raus, hatte ne lange Pause, hab aber inkognito ;-) immer mitgelesen. Naja, nun bin wieder da. Mal gucken was wird.
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