Tomahawk - Mit Gas
Ipecac / EFAVÖ: 12.05.2003
Struktur und Genuß
Ein Donnergrollen vom Baß, die Gitarre mimt eine verstimmte Sirene, dazu Vogelgezwitscher. "Mit Gas" beginnt atmosphärisch, wartet darauf, daß das Schlagzeug die Musik strukturiert. Mit den einsetzenden Beats verwandelt sich das konturlose Grummeln des Tieftöners in ein heftig pumpendes Herz, umspielt von einer einfachen Melodie. Ganz langsam werden Mike Pattons Stimmbänder mit immer mehr frischem Blut versorgt, immer tiefer greift er in die vokalistische Trickkiste, bis der "Birdsong" nach fast drei Minuten im ersten Refrain gipfelt. Hier sind Menschen am Werk, die mit dem Wort Spannungsbogen noch etwas anfangen können. Und deren Aufmerksamkeitsspanne länger als anderthalb Minuten dauert.
Tomahawk verlangen von ihren Zuhörern nicht mehr und nicht weniger, als sie selbst zu bieten haben. Das ist eine Menge, aber "Mit Gas" auch ist jede Stunde Aufmerksamkeit wert, die man dieser Scheibe schenkt. Weitab von leicht konsumierbar sind Tomahawk doch näher an konventioneller Musik als alles andere, an dem sich Mr. Patton seit dem Ende von Faith No More beteiligt hat. Vielleicht liegt das daran, daß er nicht als Bandleader fungiert, sondern nur für "Vocals" und "Effects" zuständig ist. Sein Chef Duane Denison bearbeite früher die Gitarre Jesus Lizard und achtet darauf, daß das Werken seiner Band nicht allzu sehr in unkoordinierten Lärm ausartet.
Der vergleichsweise enge Song-Käfig bringt Mike Pattons wirklich unfaßbare Stimme aber erst richtig zur Geltung. Daß er sich nicht alles jederzeit erlauben darf, sondern auf den passenden Moment für seine Sangeseskapaden warten muß, steigert die Spannung ind Unermeßliche. Die erkennbaren Strophe-Bridge-Refrain-Schemen (sic!) auf "Mit Gas" geben dem Zuhörer Orientierung, erleichtern den Zugang zur Musik und helfen, der Band bei ihren Ausritten in die weglosen Gefilde des Noise zu folgen. Und ist man erst einmal dort, will man gar nicht mehr fort.
"Mit Gas" ist im besten Sinne das bisher genießbarste Album aus dem Hause Patton bzw. Ipecac. Noch immer weit von Massentauglichkeit oder gar Langeweile entfernt, bereiten Tomahawk ihren Zuhörern einen Spaß, der alles andere als oberflächliche Belustigung ist. Lediglich das verwirrte "Hä?", das die ersten Durchgänge anderer Veröffentlichungen aus dem Tomahawk-/Mr.-Bungle-/Fantômas-/Melvins-Umfeld häufig begleitete, bleibt bei diesem Album aus. Es wird durch ein erstauntes "Wow!" ersetzt. Kein schlechter Tausch.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Rape this day
- Mayday
- Capt. Midnight
- When the stars begin to fall
Tracklist
- Birdsong
- Rape this day
- You can't win
- Mayday
- Rotgut
- Capt. Midnight
- Desastre natural
- When the stars begin to fall
- Harelip
- Harlem clowns
- Aktion 13F14
Referenzen
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