Andreas Dorau & Gereon Klug - Koenig der Moewen
Tapete / IndigoVÖ: 03.08.2018
Die Hanse-Platte
Immer mal wieder ein beliebtes Motiv in der Popmusik: die Möwe. A Flock Of Seagulls ehrten sie mit katastrophalen Achtziger-Frisuren, Eagle Seagull mit prächtigem Indie-Pop, Ty Segall schreibt sie falsch und Guildo Horn ... aber lassen wir das. Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch Andreas Dorau, der schon über Trottellummen, "Blaumeise Yvonne" und den "Ossi mit Schwan" sang, des geselligen Seevogels annehmen würde. Doch es handelt sich nicht um irgendeine Möwe, sondern um ein riesiges Exemplar mit Krone, das im Hamburger Hafen residiert und das Dorau nun zusammen mit dem hanseatischen Kultur-Faktotum Gereon Klug auf die Theaterbühne bringt. Klingt lustig – wie so oft, wenn es um überdimensionierte Piepmätze geht. Ist es auch. Aber vor allem haben wir es hier mit einer "musikalischen Dramödie" zu tun. Also Vorhang auf.
Denn Drama gibt es in "Koenig der Moewen" genug – um Gentrifizierung, Existenzkampf und finanziellen wie persönlichen Ruin. Hauptfigur und Leidtragender ist Hans, Inhaber eines Hamburger Plattenladens, der sich mit einer ominösen Stadtmarketing-Firma einlässt und seine Geschäftsräume in die angesagte Hafencity verlegt. Der Anfang vom scheinbaren Ende, bis die gefiederte Majestät dem Protagonisten den Kopf zurechtrückt. Die heimliche Hauptrolle in dieser so scharfsinnigen wie liebenswerten Parabel über die Loyalität zu Idealen und den Verrat ebendieser kommt Klug selbst zu: Die Analogie zu dessen Pseudonym Hans E. Platte, unter dem er im wirklichen Leben die berüchtigten Newsletter seines gleichnamigen – genau – Plattenladens im Karolinenviertel verschickt, ist unübersehbar. Musik gibt es wie eingangs erwähnt nämlich auch.
Und zwar in Form einer Nummernrevue von enormer stilistischer Bandbreite, die Dorau und Klug zusammen mit Carsten Friedrichs und Gunther Buskies von Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen sowie dem notorischen Zwanie Jonson in Szene setzen. Ein fideles Quintett, das Doraus abseitigen Humor mit Mod-Garage und beschwingtes Singer-Songwritertum mit Northern-Soul-Versatzstücken koppelt und der prekären Lage stets eine schief grinsende Seite abringt. Etwa in der von Friedrichs herzzerreißend gesungenen Verlierer-Hymne "Wie ein Kronkorken auf dem weiten Meer", dem staksigen Trap-Unfall "Existieren und krepieren" oder "Acht Euro am Tag", wo Friedrich-Sunlight-Frontmann Kenji Kitahama zum traurigen Kassensturz lädt. Doch das verspielte "Möwenthema" lässt hoffen: Ist am Ende vielleicht alles nur halb so schlimm?
Ein Clou, der vor Premiere des Stücks natürlich nicht verraten wird – bis dahin bleibt eine vergnügliche Schnitzeljagd. Julia Wilton von Das Bierbeben sorgt dabei für die charmante weibliche Note – bei der perkussiven Rumba "Biologica" wie im Molotow-Cocktaildunst von "So ist hier der 1. Mai", das ständig zwischen "Lust for life" und "Town called Malice" hin und her torkelt. "Drogenzug" hingegen grantelt mit Suicide um die Wette, während "Wir haben alte Leute gern" zu Kylie Minogues "I should be so lucky" tanzt und die komplette Besetzung beim Showdown "Willkommen im Hamburger Keller" noch einmal groß aufspielt. Wenn Du also das nächste Mal in der Hansestadt bist und eine Möwe Dir das Butterbrot klaut: Arger Dich nicht, sondern schreib einen Song darüber. Oder gleich ein ganzes Album. Es muss ja nicht gleich so gut sein wie dieses.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Wie ein Kronkorken auf dem weiten Meer
- Biologica
- So ist hier der 1. Mai
- Wir haben alte Leute gern
Tracklist
- Feelingsgefühle
- Wie ein Kronkorken auf dem weiten Meer
- Drogenzug
- Wehr Dich nicht
- Biologica
- Das Möwenthema (instrumental)
- So ist hier der 1. Mai
- Acht Euro am Tag
- Der momentane Moment
- Wir haben alte Leute gern
- Existieren und krepieren
- Willkommen im Hamburger Keller
- Das Möwenthema
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Armin
2018-07-29 20:29:29- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- Andreas Dorau & Gereon Klug - Koenig der Moewen (1 Beiträge / Letzter am 29.07.2018 - 20:29 Uhr)