Rolling Blackouts Coastal Fever - Hope downs

Sub Pop / Cargo
VÖ: 15.06.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die drei Ausrufezeichen

Der Hype, den Rolling Blackouts Coastal Fever in den letzten Jahren genossen haben, ist erstaunlich. Nicht nur wegen ihres sperrigen Namens, sondern gerade, weil sich die Australier aufs oberflächliche erste Ohr lediglich wie die x-ten Epigonen von Jangle-Pop und -Rock anhören. Doch es steckt mehr dahinter, denn tatsächlich klingt das Quintett so frisch und eigen wie lange nichts mehr im Genre. Schon die beiden EPs "Talk tight" und "The French press" zelebrierten sommerlichsten Tanz-Indie mit einer guten Prise australischer Verschrobenheit und Melancholie sowie einem ganz besonderen Clou – oder besser gesagt drei: Fran Keaney, Tom Russo und Joe White, drei Gitarristen, allesamt gleichgestellte Sänger, Songwriter und Frontmänner. Sie sorgen dafür, dass sich die Band perfekt zwischen Pop und Jam platziert, ihre konzisen und melodieverliebten Songs mit spannungs- und abwechslungsreichem Exzess anreichert. In seinen besten Momenten erinnert das Zusammenspiel der elektrischen Sechssaiter nicht vom Sound, aber von seiner symbiotischen Wirkungskraft her sogar an Sonic Youth – ein größeres Kompliment kann man einer Gitarrenband wohl kaum machen.

Das Debütalbum "Hope downs" kommt nun etwas gestraffter daher, ist bei deutlich mehr Songs mit seinen 35 Minuten kaum länger als die EPs, behält aber die Zutaten bei. Der Opener "An air conditioned man" poltert los, als hätte die Band schon Minuten vor Aufnahmebeginn gezockt, Gitarren-Soli buhlen um die Aufmerksamkeit, bis Russo mit einem nachdenklichen Spoken-Word-Part den Sack zumachen darf. Der 80er-College-Rock von "Talking straight" ruft die I.R.S.-Phase von R.E.M. ins Gedächtnis und wird in seiner Eingängigkeit nur vom folgenden Über-Hit "Mainland" übertroffen, der dazu noch eine weitere Tiefenebene offenbart. Russo reflektiert hier seine eigenen Privilegien und die Ambiguität mediterraner Urlaubsorte, an denen die sorgenfreie Entspannung europäischer Touristen unweit von im Mittelmeer ertrinkenden Flüchtlingen stattfindet. Der tonale Spaß transportiert nicht selten ernste und kritische Inhalte, wie auch in der tollen, luftigen Ballade "Capuccino city". Hier ist es Keaney, der die zunehmende Hipsterisierung australischer Vororte beklagt und mit Zeilen wie "FM on the stereo / Belgians in the Congo" sogar unerwartet zynische Vergleiche zum europäischen Kolonialismus zieht.

Doch auch wenn sich Rolling Blackouts Coastal Fever als durchaus gewiefte Texter erweisen, bleiben die größten Asse auf diesem traumhaft unvorhersehbaren Album definitiv musikalischer Natur. Da erfindet das kraftvolle "Time in common" mal eben den Jangle-Punk, nur damit "Sister's jeans" direkt im Anschluss wieder runterfährt und mit seinem Midtempo-Pathos sogar an die späten Oasis erinnert. Weiterhin ist "Exclusive grave" ein zackiger New-Wave-Hit mit einem fantastischen Instrumental-Finale, während sich für die Pop-Perlen "Bellarine" und "The hammer" auch The Go-Betweens nicht hätten schämen müssen. Und doch fehlt ein kleines Bisschen zum Meisterstück: Zieht man den naheliegenden Vergleich zum R.E.M.-Debüt "Murmur", hat auch "Hope downs" sein "We walk" in Form des etwas laxen "How long?" und insgesamt auch nicht ganz den endgültigen Punch, mit dem "The French press" 2017 einer ganzen Szene die Schuhe ausgezogen hat. Einen Grund, die Hoffnungen so herunterzuhängen, wie es der Albumtitel suggeriert, gibt es aber nicht. Rolling Blackouts Coastal Fever haben sich ihre eigene Nische zwischen Nostalgie und energiegeladener Aufbruchsstimmung geschaffen und noch genug Zeit, sie weiter zu bearbeiten. Würde jede 80er-Revival-Band so unverbraucht klingen, hätte der Indie sein oft beklagtes Selbstreferenz-Problem über Nacht abgeschafft.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Mainland
  • Capuccino city
  • Exclusive grave

Tracklist

  1. An air conditioned man
  2. Talking straight
  3. Mainland
  4. Time in common
  5. Sister's jeans
  6. Bellarine
  7. Capuccino city
  8. Exclusive grave
  9. How long?
  10. The hammer
Gesamtspielzeit: 35:28 min

Im Forum kommentieren

cargo

2019-03-01 09:19:20

Sie können einfach keine schlechten Songs schreiben. Jetzt schon für mich ein "Sommer"-Song des Jahres.

Gordon Fraser

2019-02-27 08:46:45

Neue Single!

http://www.undertheradarmag.com/news/rolling_blackouts_coastal_fever_share_new_song_in_the_capital

Julie

2019-01-09 21:50:09

Bin erst durch die Wahl von "Talking Straight" zum Song des Jahres hier auf die Band aufmerksam geworden. Ich bin total begeistert! Sowohl die beiden EPs als auch das Album wissen zu überzeugen. Danke PT!

MopedTobias (Marvin)

2018-09-26 00:24:23

Generisch zu sein, wäre einer der letzten Kritikpunkte, die mir bei dieser Band einfallen würden.

Die Indie-Formel

2018-09-25 18:40:03

Dass Hater auftauchen zeigt dass die Band durchaus Qualität hat!

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