Chvrches - Love is dead

Vertigo / Universal
VÖ: 25.05.2018
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Im Porzellanladen

Als vor fünf Jahren das Debütalbum von Chvrches erschien, war sich die Musikpresse einig: "The bones of what you believe" gehörte mit zum Besten, was der Elektropop so zu bieten hatte. Ein wesentlicher Grund dafür waren die einzelnen Soundelemente, die sich beim schottischen Trio so unwiderstehlich zu einem Ganzen fügten – harmonisch im Klang, auf der inhaltlichen Ebene emotional aufwühlend. Da war zuvorderst natürlich die Stimme Lauren Mayberrys, eigentlich süß und zart, dadurch aber gerade so fragil und zerbrechlich wie edles Porzellan. Sie stand stets im Fokus der Songs, war deren Hauptakteurin und bestimmte im Wesentlichen die Stimmungslage. Hinzu kamen die gleißenden, zwischen dichter Atmosphäre und drängender Hittigkeit changierenden Synthie-Flächen von Ex-Aereogramme-Mastermind Iain Cook und Martin Doherty, die den Songs oftmals eine paradox scheinende Tanzbarkeit auf den Leib schneiderten. Und genau diese Spannung, diese Polarität, war wohl der wesentliche Faktor für die Anziehungskraft von Chvrches.

Der zwei Jahre später erschienene Nachfolger "Every open eye" schlug in die gleiche Kerbe, und überzeugte zwar, jedoch weniger nachhaltig: Zu sehr rieben sich die drei Schotten am vielversprechenden Erfolgsrezept auf, zu stark standen die neuen Stücke dabei aber im Schatten des fantastischen Debüts. Für Album Nummer drei sollte es nun der, nun ja, "Erfolgsproduzent" Greg Kurstin richten. Jener hat schon Bestseller-Produktionen von Adele, Sia, Pink oder Lily Allen zu verantworten, so dass Chvrches davon ausgehen konnten, dass er mit dem groben Schleifpapier umzugehen weiß. Entsprechend pop-verliebt und weitestgehend kantenlos klingt auf "Love is dead" nun auch das Elektropop-Trio aus Glasgow. Überhaupt, der Titel: "Love is dead". Im Ernst, jetzt? Die Stirn liegt jedenfalls sorgenvoll in Falten, denn die Karten sind gemischt und Chvrches haben erst mal nicht das beste Blatt auf der Hand.

Es gibt verschiedene Erklärungsmöglichkeiten, weshalb die neue Platte nur zum Teil überzeugt: Es könnte einerseits freilich am Hörer liegen, der das aktuelle Material zu sehr in Bezug zu den früheren Sachen setzt. Oder aber die neuen Stücke fallen qualitativ wirklich ab. Keine Frage: Ihren eigenen Charme, ihren funkelnden Appeal haben Chvrches-Songs nach wie vor. Doch Kompositionen wie "Get out" oder "Graffiti" wirken sehr schematisch, kratzen nur noch an der emotionalen Oberfläche, schürfen nicht mehr tiefer. Es wird zunehmend schwieriger, Halt zu finden an den mittlerweile spiegelglatten Oberflächen, die zwar in Hochglanz blitzen, denen aber im Umkehrschluss die Wucht abgeht. Jene Melacholie, die einem so unmittelbar ins Herz stach und die hier nur noch vereinzelt spürbar wird: "My enemy" ist so ein Song, der insbesondere durch den Wechselgesang von Mayberry und dem gastierenden Matt Berninger von The National wirklich zu überzeugen weiß.

"Love is dead" bleibt letzten Endes natürlich ein ordentliches Elektropop-Album, im Kontext der Band aber eben ein wenig hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück. Dennoch vermisst man bei einem generischen Stück wie "Miracle", das in Stil und Klang an Gruppen wie Imagine Dragons erinnert, die Zerbrechlichkeit, die Chvrches früher ausgezeichnet hat. "Graves" hingegen stampft vorwärts wie ein schwarzgetünchter Emo-Popsong aus den mittleren 00er-Jahren und kommt damit nur so halb aus dem Quark. Gelungen ist hingegen "God's plan", vorgetragen von Doherty, das so nachtschwarz und flirrend daherkommt wie ein trippiger Depeche-Mode-Remix. Und das beweist, wie gut Chvrches in manchen Momenten der Bruch mit dem eigenen Werk zu Gesicht steht. Denn dann kann man auch als Hörer die Erwartungen getrost beiseite legen.

(Kevin Holtmann)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • My enemy (feat. Matt Berninger)
  • Never say die
  • God's plan

Tracklist

  1. Graffiti
  2. Get out
  3. Deliverance
  4. My enemy (feat. Matt Berninger)
  5. Forever
  6. Never say die
  7. Miracle
  8. Graves
  9. Heaven/Hell
  10. God's plan
  11. Really gone
  12. ii
  13. Wonderland
Gesamtspielzeit: 48:56 min

Im Forum kommentieren

Mr Right

2018-08-10 10:00:08

Wie findet ihr die neue Version von "Out of my Head"?

https://m.youtube.com/watch?v=4w9Zs_OfEgs

Gefällt mir so wie er jetzt ist mehr als alles andere vom Album.

So schlimm ist es nicht

2018-08-10 08:08:01

Ich weiß nicht, wie es mittlerweile ist, aber ich hab CHVRCHES zweimal gesehen und es war eher das typische Indie/Hipster-Publikum, schätzungsweise zwischen 25 und 35.

tjsifi

2018-08-09 15:40:57

Wie ist denn so das Publikum bei den Konzerten?
Teenies mit Eltern?
Hatte mir überlegt nach Stuggi zu gehen will aber nicht als einziger alter Sack hervorstechen...

meinemeinung

2018-05-29 01:09:49

Das zweite Album war zwar gut, aber m.E. doch ein Abstieg im Vergleich zum ersten. Teilweise bereits zu glatt und auch ideenloser(z. B. Clearest Blue) und auch die Lyrics fand ich im Vergleich schlechter.

musie

2018-05-28 21:12:31

Meine Bewertung, nach jahrelangen Berechnungen:

Album 1 8.4/10
Album 2 7.6/10
Album 3 6.4/10

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum