Of Montreal - White is relic / Irrealis mood

Polyvinyl
VÖ: 09.03.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

12 inch / 7 points

Eigentlich gibt es nichts, womit nicht zu rechnen war. Weil man bei Kevin Barnes sowieso mit allem rechnen muss. Of Montreal sind halt eine Wundertüte, ob es nun Folk, Progrock oder EDM im Mix gibt – es ist fast schon eine beliebige Wahl. Wenn Barnes ankündigt, das mittlerweile 15. Album "White is relic / Irrealis mood" sei von 12-Inch-Extended-Mixes alter Disco-Singles aus den Siebzigern und Achtzigern inspiriert, ist das halt auch nur ein weiterer Referenzpunkt in der ohnehin überquellenden Liste. Interessant in diesem Kontext ist dann eher, dass sich tatsächlich nur sechs ausschweifende Songs auf der Platte breit machen, alle zwischen fünf und neun Minuten lang. Und nach dem Vorbild des gesamten Albums selbst bekommt jeder gewohnt kryptische Songtitel auch hinter dem Slash ein nicht minder kryptisches Gegenstück zur Seite. Wem "Sophie Calle private game" nicht genug des Exzentrik bietet, dürfte sich über den Zusatz "Every person is a pussy, every pussy is a star!" freuen. Klar, es ist immer noch Kevin Barnes am Ruder.

Streng zweigeteilt wirken die ausladenden Songs jedoch nicht, vielmehr wird der gepflegte Tanzboden-Jam in Stroboskop-Sphären bis zum Exzess geprobt. Waren Gitarren auf dem Vorgänger "Innocence reaches" bestenfalls nur noch Nebendarsteller, gibt sich "White is relic / Irrealis mood" beinahe ausschließlich der Synthesizer-Leibungsübung hin. Während zu Beginn meist ein eingängiges Motiv gepflegt wird, werden ab der Mitte die Fasern aufgetrennt, mit Elementen gespielt und die Kapsel in den Orbit geschossen, bevor man am Ende vielleicht wieder dort ankommt, wo man startete. Besonders erfolgreich macht das die Single "Paranoiac intervals / Body dysmorphia". Allein der Basslauf würde schon Stunden unterhalten, asiatisch anmutende Pentatonik schleicht sich hinterrücks herein, nur um den Weg für einen zunehmend derangierten Barnes freizumachen. Der stellt trocken fest "You should be fucking with no one else", zerlegt sich selbst im Rausch der Beats und gibt zu: "I know how it feels / It feels ugly / Body dysmorphia." Derweil hat sich der Track in düstere Gefilde verabschiedet.

Das Konzept – wenn man es denn so nennen will – geht voll auf. Barnes selbst gab zu, dass "White is relic / Irrealis mood" im Sinne der Studioarbeit konstruierter als seine Vorläufer ist. Und glitten Of Montreal zuletzt des Öfteren in ziellose Gniedeleien ab, sitzt hier praktisch jede Wendung, jede Entwicklung genau da, wo sie sein soll. Unterhaltsamkeit, die nicht zu Lasten des psychedelischen Effekts geht. Dass in charmanter Larmoyanz weiterhin Beziehungskisten abgehandelt werden, ist gerade angesichts der Disco-Schlagseite Ehrensache. "This acute loneliness that you feel / Has nothing to do with other people", säuselt Barnes, während das blökende Saxofon hinter ihm nicht weiß, ob es Parodie oder Ernst sein möchte. Eine ungeliebte Ex wird im Titel des tanzbaren, spacigen Closers gleich nur noch als "Symbol" abgehandelt. Über welches er natürlich hinweg ist. "I'm not as fragile as before / I've decided not to be a voyeur of this war."

Dass "White is relic / Irrealis mood" trotz der langen Stücke in sich kompakt und fokussiert ist, bleibt der große Pluspunkt. Auch die beiden Schlussstücke, welche die meiste Zeit in Anspruch nehmen, belohnen durch einen stimmigen Spannungsbogen. Die alte Verpeiltheit scheint lediglich im kürzesten und etwas zu schludrigen Stück "Plateau phase / No careerism no corruption" durch. Die Trap-Beats wollen nicht so recht ins umgebende Psycho-Pop-Setting passen, welches sich wiederum mit der Gesamtstimmung des Albums beißt. Es wäre wohl einfach zu untypisch gewesen, wenn überall Stringenz geherrscht hätte. Denn die anderen Songs halten so gut zusammen, wie man es kaum hätte erwarten können. Obwohl wir doch inzwischen wissen, dass man bei Of Montreal mit wirklich allem rechnen muss.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Paranoiac intervals / Body dysmorphia
  • If you talk to Symbol / Hostility voyeur

Tracklist

  1. Soft music / Juno portraits of the Jovian sky
  2. Paranoiac intervals / Body dysmorphia
  3. Writing the circles / Orgone tropics
  4. Plateau phase / No careerism no corruption
  5. Sophie Calle private game / Every person is a pussy, every pussy is a star!
  6. If you talk to Symbol / Hostility voyeur
Gesamtspielzeit: 41:06 min

Im Forum kommentieren

yanqui

2018-09-11 20:05:01

Krasses Postings. Zum Glück haben die ihren Zenit schon längst überschritten. Vor zehn Jahren war das eine meiner Top-5-Bands, in das aktuelle Album hab ich noch nichtmal reingehört.

hallogallo

2018-09-05 09:45:45

Spannende Diskussion:

https://www.facebook.com/ofmontreal/posts/10156677255203686

Unabhängig davon ist das letzte Werk sehr hörenswert. "Sophie Calle Private Game" ist auf seinem Gebiet ein Highlight des Jahres.

Fuck Off Montreal

2018-09-05 06:46:18

Noch so ne Israel-Boykott-Truppe. Drecksband.

Armin

2018-03-29 20:39:04- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Felix H

2018-03-22 14:21:31- Newsbeitrag

Der Vollständigkeit halber auch das Video:



Rezension kommt noch, aber noch nicht heute.

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