
Fishbach - À ta merci
Columbia / SonyVÖ: 16.02.2018
Die goldenen 80er
Im Jahr 2016 brachte Drangsal die 80er zurück in den deutschen Pop. Jetzt, rund zwei Jahre später, ist der New-Wave-Hype auch in Frankreich angekommen: Die androgyne Sängerin Fishbach, die bei den Nachbarn gerade große Erfolge feiert, huldigt mit ihrem dunklen Synthie-Pop Helden der Vergangenheit. Wahrscheinlich. Die Rezensentin kann das nicht so richtig beurteilen, sie war nämlich damals noch nicht dabei. Genau wie Flora Fishbach und Max Gruber von Drangsal. Macht aber nichts: Die Musik ist auch ohne Nostalgie melancholisch genug. Und sie passt ebenso gut in diese Zeit wie ins letzte Jahrtausend: Alles ist hier pessimistisch, eine düstere Scheinwelt, in der alles künstlich und maschinell und nichts organisch ist. Und man will trotzdem – oder gerade deshalb – einfach nur tanzen.
Die 25-jährige Fishbach, die für ihr Alias das C aus dem Deutsch anmutenden Nachnamen gestrichen hat, ist unverkennbar ein Kind ihrer Zeit: Sie ist nicht nur Harry Potter-Fan, sie mischte auch ihre ersten Tracks auf dem iPad zusammen. Ihre Vorliebe galt dabei schon immer dröhnenden, hallenden, manchmal gespenstischen Synthieklängen, kombiniert mit tanzbaren Beats und Melodien, die mitunter wahres Pop-Gold beinhalten. Diese trägt sie auf Französisch klischeehaft mit tiefer, verraucht-sinnlicher Stimme vor. Ihr Debütalbum überzeugte die französischen Kritiker mit genau diesen Stärken. In "Y crois-tu" gesellt sich zu schwebenden Harmonien eine unbedarfte Melodie, die dann aber im Refrain Fahrt aufnimmt, nicht an Dramatik spart und sich sofort ins Gedächtnis einbrennt. "Éternité" erinnert besonders stark an die Neue Deutsche Welle: Der Beat klingt wie eine weit entfernte Schießerei, dazu ein leicht quäkender Synthie-Sound und ein flottes Tanzmotiv. In "Un autre que moi" sorgen Bongos und Marimba für tropische Leichtigkeit – allerdings eine fragile, denn die Instrumente sind hörbar rein elektronisch und zu perfekt, um wirklich Trost zu spenden. Die verzweifelte Suche nach etwas Echtem, Unmaskiertem ist das sehr zeitgenössische Leitmotiv.
Ernst und Schwermut trifft man in "Feu" und "On me dit" an – letzterer Song spielt ausgiebig mit einem "Phantom der Oper"-Motiv, einem pathetischen Auf-und Abstieg in bedrohlichen Akkorden und chromatischen Tonschritten. Fishbach beherrscht das Spiel mit Verweisen und Zitaten, die mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit, aber auch immer kreativ verfremdet eingewoben werden. "Invisible désintégration de l'univers" klingt wie ein feierlich-schauriger, mehrstimmiger Choral. Der leicht bitzelnde Bass, der nebenher immer zwischen zwei Tönen hin- und herspringt, könnte auch dem im Soundtrack der Netflix-Serie "Stranger things" entstammen – einem weiteren Referenzpunkt für Nachgeborene, wie sich die 80er angefühlt und angehört haben mögen. Die Vorabsingle "Mortel" hält nach einem ebenso netten wie unspektakulären Vers einen Knaller-Refrain bereit, der sich klagend und sehnsuchtsvoll windet und Pop-Größen wie Kim Wilde oder Bonnie Tyler sicher vor Neid erblassen ließe. Auch die Live-Tracks auf der Deluxe-Version lohnen allemal: Die Songs funktionieren auch analog sehr gut, Fishbachs Stimme von lässt hier mehr Verletzlichkeit zu und schafft es so ganz allein, die Spannung stets aufrechtzuerhalten. Die 80er müssen ein schaurig-schönes Jahrzehnt gewesen sein.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Y crois-tu
- Un autre que moi
- Mortel
Tracklist
- Ma voie lactée
- Y crois-tu
- Éternité
- Un beau langage
- Un autre que moi
- Feu
- On me dit tu
- Invisible désintégration de l'univers
- Le château
- Mortel
- Le meilleur de la fête
- À ta merci
- Dans une boîte en papier
- Ajmal logha (Un beau langage) (feat. Bachar Mar-Khalifé)
- A ta merci (Live au Bataclan, 2017)
- Le meilleur de la fête (Live au Bataclan, 2017)
- Feu (Live au Bataclan, 2017)
- La babouche (Live au Bataclan, 2017)
- Y crois-tu (Live au Bataclan, 2017)
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Armin
2018-02-23 20:39:22- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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