INVSN - The beautiful stories

Dine Alone / Caroline / Universal
VÖ: 07.07.2017
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Freiheit, die sie meinen

Es gibt Musiker, die einfach nicht anders können. Dennis Lyxzén zum Beispiel. Ob er nun als Vorsteher von Refused "The shape of punk to come" definierte und auf dem Comeback auch 17 Jahre später für "Freedom" eintrat oder mit The (International) Noise Conspiracy Marx und Engels in einen qualmend verorgelten Mod-Rock-Schuppen zerrte – der Schwede würde vermutlich jedes aufrührerische Traktat unterzeichnen, solange ein Satz wie "Entweder es tanzen alle oder es tanzt niemand" drinsteht. Nichts einfacher als das: Auch sein Post-Punk-Standbein INVSN gibt sich äußerst beweglich. Auf dem 2014er Debüt wie auf dem Nachfolger, der auch bei knapper Spieldauer von einer halben Stunde ordentlich ins Schwitzen gerät. Und natürlich das Revoluzzen nicht vergisst – dagegen ist Tocotronics "Rebel boy" allenfalls ein maulfauler Dialektiker.

"Immer zu" heißt im Zusammenhang mit "The beautiful stories" also nicht etwa "jeden Tag besoffen", sondern eher "Vorwärts und niemals vergessen". Korrupte Regierungen, bombende Gewalttäter, Diskriminierung und Sexismus – all das unterwandern INVSN auf der stampfenden Single zu robustem Basslauf und schepprigen Industrial-Untertönen. "You're endless abuse, you're terror, you're threat / You're the violent voice, you're rape, you're regret" schnarrt Keyboarderin Sara Almgren wutentbrannt Rassisten und Patriarchat an, bevor ein nachgeschobenes "Nothing's forever" keinen Zweifel daran lässt, dass die Band "das letzte Aufbäumen der weißen Bevölkerung" zumindest in ihrer skandinavischen Heimat so vehement niederzutrampeln gedenkt, wie dieses Album klingt. Mit roher Power, wilder Entschlossenheit und durchweg vorzüglichen Songs.

Nein, allzu schön sind die Geschichten nicht, die der Fünfer aus Umeå erzählt. Dafür lassen sie an präzisem Songwriting und akzentuierten Arrangements nicht das Geringste zu wünschen übrig. Schon der perkussive Talking-Blues "Love's like a drug" treibt eingangs ein vielschichtiges Spiel mit raumgreifenden Drum-Hieben, drohendem Maschinengerüttel sowie punktgenauem Vocal-Duett zwischen Almgren und Lyxzén. Zusätzlich wetzt eine Leadgitarre die Messer, die jederzeit in vernichtende "New noise"-Raserei ausarten könnte – es bleibt allerdings bei der Andeutung. Wie im sehnigen Uptempo von "I dreamt music", das sich hier am ehesten an Joy Division orientiert – wenngleich nicht derart offensichtlich wie "Inheritance" von "INVSN" am Klassiker "Disorder". Ein fantastisches Album wie dieses ist auf solche Tricks schlicht nicht angewiesen.

Ebenso wenig wie Lyxzén es inzwischen noch nötig hat, stimmlich ständig den geifernden Punk zu geben oder seine Band pausenlos vor sich herzutreiben und zu immer neuen Lärmattacken anzustacheln: Den meisten Eindruck machen auf "The beautiful stories" oft die das Spannungsfeld zwischen laut und leise durchmessenden Stücke wie "Bom bom", das zu schwer atmender Rhythmusgruppe und brodelndem Sequenzer die Swamp-Riffs zersplittern lässt und sich ungeachtet der desillusionierten Zeile "Never asked to be born into this mess" freiheitskämpferisch bis zum bitteren Ende gibt. Damit, dass das Finale "This constant war" schließlich doch in einem tosenden Zusammenprall der Instrumente versinkt, sollte man bei INVSN und ihrem streitlustigen Frontmann trotzdem immer rechnen. Er kann eben einfach nicht anders. Zum Glück.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Love's like a drug
  • Immer zu
  • Bom bom

Tracklist

  1. Love's like a drug
  2. I dreamt music
  3. Immer zu
  4. The distance
  5. Deconstruct hits
  6. Bom bom
  7. This constant war
Gesamtspielzeit: 30:32 min

Im Forum kommentieren

FelixUdoKai

2018-01-04 22:38:54

Für mich eher eine Ep denn Album. Fazit : gut, aber viel zu kurz. Ist schließlich kein Hardcore, Dennis.

Armin

2018-01-03 21:40:55- Newsbeitrag

Frisch rezensiert als "Vergessene Perle".

Meinungen?

noise

2017-07-28 22:17:42

Sehr interessant, diese Mischung aus Wave, Postpunk und Industriell. Manchmal hört es sich an als wollten sie etwas zu viel. Trotz allem gefällt es. Könnte aber etwas länger sein als die 30 min. Spielzeit.

Leslie Magnafuzz

2017-03-18 00:55:36

Seltsame Veröffentlichungspolitik die Jungs von INVSN... Das Album ist nämlich schon seit dem 10. Februar erhältlich. Hab mich bereits gewundert, warum ihr da rezensionstechnisch so nen großen Bogen drum macht.

@derdiedas: Sehr treffend zusammen gefasst. Gilt so auch für das neue Werk!

eric

2017-03-14 11:26:30

Ich mag ihr Debüt auch sehr.

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