Sia - Everyday is Christmas
Monkey Puzzle / Atlantic / WarnerVÖ: 17.11.2017
Frostsaufen
Alle Jahre wieder sitzen verzweifelte Rezensenten vor einem leeren Word-Dokument, versuchen sich fieberhaft, Aufhänger zu Weihnachtsalben zu überlegen, die nichts mit ausgelutschter Festlichkeits-Metaphorik zu tun haben, und landen dann schließlich doch bei der x-ten Abwandlung eines 200 Jahre alten Volksliedes. Sorry schon mal dafür. Es ist aber auch verdammt schwer, originell zu sein, wenn das zu erfassende Subjekt genau das eben nicht ist, denn was einem Chino Moreno seine "shades" und "waves" sind, waren der Weihnachtsmusik schon immer ihre "Ho Ho Hos", Mistelzweige und Zuckerstangen. So ist es wenig verwunderlich, dass auch der saisonale Themenabend von Sia Furler – die Hera des aktuellen Pop-Olymp und bekannteste Symmetrische-Zwei-Farben-Frisur-Trägerin seit Cruella De Vil – Songtitel wie eben "Ho ho ho", "Underneath the mistletoe" und "Candy cane lane" im Programm hat. Und doch stellt "Everyday is Christmas" seinen altbekannten Tropen genug Frische und Einfallsreichtum entgegen, um nicht komplett zu einer eingerosteten Zelebration totaler Rückwärtsgewandtheit zu verkommen.
Die zehn Songs sind alle von Furler selbst und Produzent Greg Kurstin komponiert, bauen mit ihren Glockenstäben und Blechbläsern zwar auf dem Fundament der Weihnachtsklassiker aus den 50ern und 60ern, werten diese aber mit kontemporärem Pop-Glanz und einem ausgereiften Songwriting auf. Wenn Michael Bublé, Eiskönig der biederen Festtags-Langeweile, dieses Jahr pünktlich zur Vorweihnachtszeit aufgetaut wird, kann er sich eigentlich auch gleich wieder einfrieren lassen, denn das ungemein kraftvolle, einen Reggae-Beat verschleppende "Santa's coming for us" wird ihm dann sowieso schon jede Show gestohlen haben. "Snowman" ist im Kontrast dazu ein süßes, aber nicht zu klebriges Liebeslied an einen schmelzenden Karottennasen-Freund, das dabei auch eine Deutung als nicht unclevere Metapher für die Vergänglichkeit romantischer Beziehungen zulässt. "Snowflake" kreist um ähnliche sprachliche Bilder, gerät mit seinen Piano-Arpeggios aber noch ein gutes Stück berührender und stellt, wie auch das strahlende "Sunshine", das für Radio-Pop-Verhältnisse außergewöhnliche schreiberische Talent der Australierin unter Beweis.
Dieses rettet sie allerdings auch nicht vor dem ein oder anderen Fehlgriff. "Bring a bottle of booze / We got nothing to lose", heißt es in "Ho ho ho", die am Fest der Liebe dauerbesoffenen Hedonisten wollen schließlich auch besungen werden, doch wären sie sicherlich auch glücklich darüber, wenn das weniger penetrant und nervig geschehen würde. "Candy cane lane" und "Puppies are forever" sind mit "pompös" noch charmant umschrieben, vor dem geistigen Auge tanzen Nussknacker in einem kunterbunten Winter-Wunderland, während einem plötzlich einfällt, dass der halbe Plätzchen-Teller in Kombination mit dem schon leicht angestaubten Eierlikör nicht die allerbeste Idee war. Letzteres bereitet seinen Tierrechts-Aktivismus dann auch passenderweise kleinkindgerecht auf: "They're so cute and fluffy with shiny coats / But will you love'em when they're old and slow?" Dass die mittlerweile 41-Jährige merklich älter als ihre Kolleginnen zum Weltstar aufgestiegen ist, hat eine erfrischende textliche wie kompositorische Reife ins Pop-Geschäft gebracht, doch wenn am Ende von "Everyday is Christmas" gleich drei zwar gelungene, aber auch ur-generische, dramatische Sia-Balladen stehen, lässt Furlers festliche Frischzellenkur dann doch ein bisschen den Mut vermissen. Zugegebenermaßen ist Weihnachten da aber auch vielleicht nicht die richtige Zeit für.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Snowflake
- Sunshine
Tracklist
- Santa's comig for us
- Candy cane lane
- Snowman
- Snowflake
- Ho ho ho
- Puppies are forever
- Sunshine
- Underneath the mistletoe
- Everyday is Christmas
- Underneath the christmas lights
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Armin
2017-11-30 22:38:36- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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