Loney Dear - Loney Dear
Real World / PIAS / Rough TradeVÖ: 29.09.2017
Hör mal, wer da sledgehammert
Ohne weitergehende Kenntnis liest sich das Zitat von Peter Gabriel zu Loney Dears neuem Album, ebenfalls "Loney Dear" betitelt, tatsächlich ein bisschen lustig: "Loney Dear is a wonderful talent and we're delighted he's joining the real world." Willkommen in der echten Welt, alter Schwede! Ach, Moment. Real World ist freilich Gabriels eigenes Label, bei dem Singer-Songwriter Emil Svanängen pünktlich zur Veröffentlichung seines siebten Werkes unterschrieben hat. Macht ja nix. Problematisch wird es ohnehin erst, wenn man sich den Rest des Zitats anschaut: "He's Europe's answer to Brian Wilson."
Zunächst: Wer soll denn gefragt haben? Und wonach? Und zweitens: nein. Der Sänger aus dem südschwedischen Jönköping ist ein durchaus talentierter, zuweilen gar unterschätzter Künstler, dessen Vielschichtigkeit im Vergleich zu größeren, bekannteren Kollegen des Genres oft unbeachtet bleibt. Aber mitnichten ist er vergleichbar mit einer Ikone wie Brian Wilson, der die Musiklandschaft nicht nur geprägt, sondern stellenweise gleich selbst beackert und aufgebaut hat. Svanängens neues Album "Loney Dear" ist dahingehend sogar gleich doppelt schwierig. Denn er hat das gute Stück mit voller Absicht quasi nach sich selbst benannt, weil er sich erstmals in seiner Karriere vollkommen verstanden und wohl mit dem musikalischen Ergebnis fühle. Aber wenn "Loney Dear" wirklich Loney Dear ist, dann ist er oft auch jemand anderes.
Peter Gabriel beispielsweise. Der Einfluss seines neuen Labelchefs kommt nicht nur als Wink mit dem Zaunpfahl, sondern mit der Eleganz eines Sledgehammers daher. Schon die World-Music-Rhythmen des Openers "Pun" oder des ausladenden "Dark light" lassen derart lebhafte Erinnerungen an Gabriels 1992er-Album "Us" vor dem inneren Auge aufziehen, dass man beinahe den Text von "Digging in the dirt" anstimmen möchte. Andernorts übt sich Svanängen in großen John-Grant-Gesten: Das geradezu gespenstisch-intensive "Humbug" synthpoppt sich durch verhuschte Dramatik, während "Sum" zwar zurückhaltender, aber auch pointierter daherkommt. Beides ist keinesfalls schlecht – aber eben auch längst nicht so innovativ, wie der Künstler es verkaufen mag.
Und auch Justin Vernon, oder vielmehr dessen Band, dürften für die Produktion von "Loney Dear" als Inspirationsquelle gedient haben. "Isn't it you?" könnte zumindest fast als Fortführung des kitschigen (aber nichtsdestotrotz immer noch fantastischen) "Bon Iver" durchgehen, während sich das etwas experimentellere "There are several Alberts here" an "22, a million" versucht, aufgrund von mangelnder Konsequenz aber glatt verhebt. Zum Glück gibt es freilich auch Lichtblicke: Das von Svanängens Landsmann Jay-Jay Johanson unterstützte "Lilies" ist wirklich herzzerreißend schön geraten und setzt die beiden glasklaren wie starken Gesangsstimmen bestens in Szene, und das polternd-rasante "Harbours" wäre wohl der gelungere Finaltrack gewesen. So bleibt am Ende die Erinnerung an viel – aber nicht unbedingt an "Loney Dear". Oder gar Loney Dear.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Lilies (feat. Jay-Jay Johanson)
- Harbours
Tracklist
- Pun
- Humbug
- Hulls
- Sum
- Lilies (feat. Jay-Jay Johanson)
- Little jacket
- Isn't it you?
- Dark light
- Harbours
- There are several Alberts here
Im Forum kommentieren
dogs on tape
2017-10-21 20:50:52
Schönes Album wie ich finde, weil alles was mich am Bon Iver Album so genervt hat hier wegfällt. Keine Autotuneunfälle, lächerliche Songtitel und verkrampftes Hipstergeschwurbel.
Obrac
2017-10-13 09:21:39
Häh?
captain kidd
2017-10-12 20:52:12
Ach, Obrac.
Obrac
2017-10-12 20:25:13
Heute sind bestimmt alle Teilnehmer aus dem damaligen Loney-Dear-Thread glücklich verheiratet. Und die, die darüber gelacht haben, vertrocknen als alte Jungfern.
The MACHINA of God
2017-10-12 20:05:27
Ich mochte ja besonders "My heart".
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