Wanda - Niente

Vertigo / Universal
VÖ: 06.10.2017
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

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Kaum eine Band aus Deutschland, Österreich, Schweiz hat in den letzten Jahren derart polarisiert wie Wanda. Die einen liebten die Wiener Schlawiner für ihre Gossen-, Beisl- und Heuriger-Romantik, ihren Machismo, ihren dahingeschluderten Stil: immer schön mit der speckig-braunen Lederjacke über'm fleckigen Unterhemd. Das war aber eben auch nicht jedermanns Sache. Geil aber, dass man unter Musikfreunden wieder einen Grund zu streiten hatte, es gab (und gibt) Lager, auch und gerade in den Musikredaktionen. Egal sind Wanda jedenfalls keinem. Egal ist auch ihr dritter Streich "Niente" nicht. Die einen hieven die Band für ihre neue Platte würdigend aufs Cover ihres Magazins, andere verteufeln sie und droppen Julia Engelsmann als Referenz in Sachen Nichtigkeit. Aber die Wahrheit liegt sicherlich irgendwo dazwischen, Baby.

Und dann ist da ja noch die Sache mit dem "schwierigen dritten Album": Ein strunzblöder Mythos für Leute, die noch nie "London calling", "Parklife" oder "OK computer" gehört haben. Ist es nicht eher so, dass nahezu jede Band ein Mindesthaltbarkeitsdatum hat, welches manche eben schon vor Veröffentlichung des Debüts, einige mit ihrem zweiten Album und andere niemals überschreiten, weil sie sich ohnehin schon vorher auflösen? Wanda jedenfalls wurden schon vorher gerne mit Oasis verglichen, weil das halt irgendwie schön edgy klingt. Und daher kann das dritte Album freilich nix werden, history repeating und so. Ist "Niente" nun also wirklich das "Be here now" der 10er-Jahre? Die Platte beantwortet derlei Fragen jedenfalls mit Achselzucken und Gleichgültigkeit: Wanda wollten raus aus der Komfort-Zone, haben stilistisch klare Brüche vollzogen und können wohl nur müde schmunzeln, wenn man ihnen mangelnde Weiterentwicklung vorwirft.

Die erste Single "0043" beispielsweise macht doch schon sehr früh klar, dass es hier nicht mehr nur um Schnäpse oder stehengelassene Weinflaschen geht, sondern um die zarte Melancholie, die Einzug hält, wenn man sich an die eigene Jugend erinnert. Dazu erklingen sachte Pianoklänge, behutsam gezupfte Gitarren, Frontmann Marco Michael Wanda singt so waidwund wie noch nie zuvor, es hallt: "Traurig-schöne Kindheit in 0043." Und auch die zweite Auskopplung "Columbo" schlägt andere, betont ruhigere Töne an: Es geht um die Liebe, freilich, und was sie mit einem macht. Ist sie die Rettung? Oder geht man an ihr zugrunde? Ein Rätsel, das selbst für erfahrene Kommissare nicht immer ergründlich ist. Für Wanda jedenfalls ist Amore immer einen Versuch wert: So beziehen sie sich auch im kurzweiligen "Lascia mi fare" wieder auf ihre Lieblingsvokabel, ohne dabei zu sehr Richtung Eros Ramazzotti zu schielen.

"Niente" kommt natürlich nicht an ihr funkelndes Debüt "Amore" heran. Das hat aber auch sicherlich niemand erwartet: Neben den starken Highlights gibt es auch zwei, drei standardisierte Nummern, die im klassischen Schmäh-Duktus bleiben, ohne aus ihrer Haut zu können. "Ein letztes Wienerlied" hingegen hätte man den schlecht rasierten Burschen aus Wien vor drei Jahren noch gar nicht zugetraut, egal wie man nun zu ihnen steht: Hier wagen Wanda den großen Schritt ins Variete, mit einer Art Todessehnsucht in der Stimme fleht Marco Michael Wanda den "lieben, guten Himmelsvater" an, er möge ihm doch noch eine letzte Fahrt in der Grottenbahn auf dem Wiener Prater zugestehen. Und auch "Café Kreisky" überzeugt mit Lokalkolorit, vor allem aber mit einem flotten Beat, der die Melancholie bricht. Eine befreiende Schwermut, die sich wie ein roter Faden durch "Niente" zieht und dieses nostalgische Album nicht unerheblich bereichert. Sagen zumindest die einen ...

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Columbo
  • 0043
  • Das Ende der Kindheit

Tracklist

  1. Weiter, weiter
  2. Columbo
  3. 0043
  4. Lieb sein
  5. Wenn Du schläfst
  6. Schottenring
  7. Lascia mi fare
  8. Das Ende der Kindheit
  9. Café Kreisky
  10. Einfacher Bua
  11. Ein letztes Wienerlied
  12. Ich sterbe
Gesamtspielzeit: 40:54 min

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The MACHINA of God

2019-08-31 13:26:14

Nee, ich versteh das schon. Es klingt nur manchmal recht hart von dir. Aber werde dran arbeiten, dass nicht zu hart zu verstehen. :)

boneless

2019-08-31 13:23:28

Ich glaube, mein Experiment, ironisch gemeinte Posts ohne entsprechenden Smiley hier abzugeben, ist auf ganzer Linie gescheitert. :/ Ich muss das wohl wieder offensichtlicher machen und ja, sagen wir, du hast einen Musikgeschmack. ;)

(Das kam jetzt bestimmt wieder arroganter rüber als beabsichtigt. Naja...)

The MACHINA of God

2019-08-31 13:17:20

Joah... weiss auch nicht. Ich höre halt viel Musik aller Art. Da wirst du sicher einiges hassen. Einen Musikgeschmack besitze ich trotzdem. :)

boneless

2019-08-31 13:14:14

Meine Meinung zu dieser "Gruppe" hab ich im Bussi-Thread mal ausführlich zu Papier gebracht. Wie ich gerade sehe, hast du da sogar drauf reagiert. ;D

The MACHINA of God

2019-08-31 13:08:23

@boneless:
Du hasst Wanda, nehm ich an?

Ansonsten: Opener und "0043" sind schon gut, das stimmt.

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