Nick Mulvey - Wake up now
Fiction / Caroline / UniversalVÖ: 08.09.2017
Herzgebirge
Was würde die Welt profitieren, wenn jeder Mensch tagtäglich nur zwei Prozent weniger scheiße wäre. Zu sich, seinem Umfeld, den Mitmenschen, zur Umwelt. Nick Mulvey, ohnehin das, was weltoffen ganz gut beschreibt, nutzt sein Künstlerdasein für einen Appell an alle zwecks mehr Humanität. Erreichte Personen: mindestens eine. Nämlich Mulvey selbst. Er schimpft nicht mit erhobenem Zeigefinger auf andere – das würde auch weder zu seinem Typ noch zur Musik passen –, sondern startet bei der eigenen Nase. Diese Denkweise verinnerlicht, schält er aus seinen Beschreibungen Zeilen mit resolutivem Charakter. "I don't want to see us lose any more time / This moment is a mountain to move, so move it inside", singt er in "Mountain to move", das seine bis dato wohl besten Lyrics enthält und ebenso den durchaus plakativen Albumtitel "Wake up now".
Plump ist Mulvey eigentlich gar nicht. In "We are never apart" beäugt der 32-Jährige Fracking-Vorhaben, jene umstrittene Methode, um nach Erdgas und Erdöl zu bohren. Er verbindet dies mit der Geschichte von Myelas Familie, die für die Bohrungen wegziehen muss: "Oh Myela my love, can you still hear the sirens moan, calling you home", textet Mulvey zu dunklem Dröhnen. "Myela" tauchte einen Track vorher auf, als Stellvertreterin der von Mulvey vertonten Flüchtlingsschicksale. Da ist die in Lampedusa gestrandete, schwangere Sudanesin und Myela, die mit Millionen anderen ihr Heil über den Seeweg sucht: "They'd rather die once in the sea than dying every day a little more." Das Stück beeindruckt, weil die Stimmung nach drei Minuten Nachdenklichkeit in ein packendes, alternierendes Mantra kippt: "Freedom from the cage of this supposed civilization", singt Mulvy, während der Background "I am your neighbour, you are my neighbour" an- und einstimmt.
Der Brite sucht im großen Ganzen und globalen Kontexten nach Lichtpunkten im Kleinen. Und das spiegelt sich im Klang dieser detailgespickten und vitalen Platte, die dem Folk von "First mind" gleich mehrere Herzschrittmacher einsetzt und viel mehr Rückgriffe auf Mulveys musikalische Biografie erlaubt, insbesondere sein Studium in Kuba und das der Ethnomusik an der School of Oriental and African Studies. Viel rhythmischer und perkussiver als der Vorgänger, mit ansteckenden Basslines, Bläsern und synthetischen Tupfern lebt der Nachfolger vom Jam im Bandgefüge und gemeinschaftlichem Gesang – adaptiert aus dem Spirit der Gnawa-Musik und personell unter anderem umgesetzt mit Mitgliedern aus Mulveys Familie. Nach "Unconditional" und dem Wahnsinn von "Transform your game", das alte Wah-Wah-Sounds ausgräbt, bratzige Gitarren aufmucken lässt und gut und gerne noch zehn Minuten länger hätte gehen können, beweist Mulvey schon sehr früh: Er hat seinen inneren Groove gefunden – und uns postwendend damit infiziert.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Unconditional
- Transform your game (We remain)
- Myela
- Mountain to move
Tracklist
- Unconditional
- Transform your game (We remain)
- Imogen
- Myela
- We are never apart
- Remembering
- Mountain to move
- When the body is gone
- Lullaby
- In your hands
- Infinite tree
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Armin
2017-09-20 21:16:25- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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