Silverstein - Dead reflection
Rise / BMGVÖ: 14.07.2017
Vertreter einer Pseudo-Bewegung
Kurz nach der Jahrtausendwende erreichte die Debatte darüber, welche Bands in die umstrittene Musikrichtung "Emo" gepackt werden dürfen und welche sich dieses Siegel aus Marketinggründen nur selbst in die Arme ritzen, ihren absoluten Höhepunkt. In Internetforen warf man sich gegenseitig die virtuellen Rasierklingen an den Kopf und wollte bis auf den letzten Tropfen Blut den eigenen, gerade aufkeimenden Favoriten in diese Schublade stecken, während andere auf ihre längst eingestaubten Hardcore-Ableger wie Rites Of Spring oder Embrace pochten und meinten, dass diese das Genre begründeten und gleichzeitig beendeten. Ein so unbekannter wie kongenialer Diskussionsteilnehmer kam schließlich auf die grandiose Idee, die diskutierten Pseudo-Gefühlstruppen einfach in eine Unterkategorie zu packen. Der unfassbar treffende Name hierfür: Mall-Emo.
Und genau dieser lebt auch heute unverändert weiter – in Form von Silverstein, die sich von Anfang an neben anderen Vertretern wie My Chemical Romance, Dashboard Confessional und Taking Back Sunday an der Speerspitze dieser vermeintlichen Bewegung befanden und 2003 ihr Debütalbum "When broken is easily fixed" veröffentlichten. Vierzehn Jahre später mischen Silverstein immer noch mit und bringen mit "Dead reflection" ihr mittlerweile achtes offizielles Studioalbum raus. Während die anderen Mall-Emo-Vorreiter schlichtweg nicht mehr existieren, ewig pausieren oder sich dann doch eher in eine noch massentauglichere Richtung orientiert haben, setzen die Kanadier ihren Weg unbeirrt fort. Will heißen: Ob hier nun "Discovering the waterfront", "Rescue" oder eben "Dead reflection" draufsteht, macht keinen Unterschied. Vielmehr ist ein Auseinanderhalten der einzelnen Alben nahezu unmöglich, ausgenommen höchstens die ersten beiden Werke, die sie in der Szene etablierten.
Und so werden eben weiterhin die gefühlsbetonten Texte ausgepackt. Man "getted close to you", aber "she looks away" – und dennoch gilt stets: "life goes" irgendwie "on". Genau diese Emotionen müssen wenigstens ab und zu rausgebrüllt werden, wobei das Verhältnis zwischen cleanem Gesang und Krächzen in etwa 66 zu 33 Prozent beträgt. Das alles verpackt in einem gleichbleibenden Midtempo lässt die Köpfe der Mall-Emo-Jünger vor ihren Laptopboxen stets exakt im richtigen Takt wippen, wobei die eigentlich obligatorischen Quoten-Balladen komplett ausbleiben. Lediglich "Wake up" am Ende packt ansatzweise die verlangsamte Gefühlsschmusekeule aus, holt dabei jedoch glücklicherweise nicht allzu viel Schwung
"Dead reflection" rauscht auf keinem überragenden, aber dafür beachtlichen Niveau durch. Doch wieso sollte man sich auch heutzutage bewusst dafür entscheiden, Silverstein eine Chance zu geben? Entweder man ist schlichtweg hängengeblieben und hat sich seit der Jahrtausendwende jeglichem Zeitgeist verschlossen oder es sollen Erinnerungen an eine Zeit hervorgerufen werden, in der der Kopf noch nicht wusste, wohin der Lebensweg führen wird. Andererseits: Warum sollten Silverstein gegen Vorwürfe des Stillstands ankämpfen müssen, während Größen aus anderen Richtungen wie Bad Religion und Co. dies unbeirrt ausüben dürfen? Eben deswegen darf der Kajal gerne dranbleiben und die Mall-Emo-Fahnen weiterhin kräftig geschwungen werden.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Ghost
- Mirror box
Tracklist
- Last looks
- Retrograde
- Lost positives
- Ghost
- Aquamarine
- Mirror box
- Demons
- The afterglow
- Cut and run
- Secret's safe
- Whiplash
- Wake up
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Affengitarre
2017-07-16 18:39:03
Klingt vermutlich wie alle Alben der Band auch, wie in der Rezension ja schon angedeutet. Schon recht durchschnittliche Gruppe, aber irgendwie mag ich die doch ein wenig.
Armin
2017-07-12 21:06:41- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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