Faber - Sei ein Faber im Wind

Vertigo / Capitol / Universal
VÖ: 07.07.2017
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Bitte beachtet mich!

Schon klar. Wer in der heutigen deutschsprachigen Musiklandschaft auffallen will, der muss sich was Originelles einfallen lassen, um in der Bourani-Bendzko-Masse nicht sang- und klanglos unterzugehen. Selbst Mundart und Dialekt versetzen niemanden mehr ins Staunen, seit sich einige Österreicher wieder auf den Wiener Schmäh verständigt haben. Genauso wenig Folk-Instrumentierung, die das hassgeliebte Trio AnnenMayKantereit für ihre Zwecke einspannte. Der junge aufstrebende Züricher Songwriter Julian Pollina alias Faber verbindet auf seinem Erstling "Sei ein Faber im Wind" beides. Vom Balkan inspiriertes Gebläse und Getrommel trifft auf rauhes, versoffen klingendes Timbre mit leichtem Schweizer Zungenschlag – kein Schwyzerdütsch allerdings, alles für Flachländler verständlich. Leider, muss man sagen.

Denn es sind in erster Linie die Texte, die nicht selten dem Fass den Boden ausschlagen. "Es ist schön, dass es mich gibt" ist das erste, was man nach kurzem Intro vernimmt, bevor es die nächsten drei Minuten in den Niveaukeller geht. Kostprobe? "Bist zwar nicht schlauer als ein Schaf / Aber scharf / Ich bin in love." Die Frage "Kann ich bitte Deine Tits sehen?" lässt nicht lange auf sich warten, bevor es gegen Ende im plattesten Schüttelreim heißt "Du bist zwar erst 16 / Ach komm, wir drehen Sexszenen." Der dazugehörige Song heißt "Wem Du's heute kannst besorgen" – so viel zur Fremdscham anregende, versoffene Altherrengeilheit von einem gerade mal 23-Jährigen in einem Lied gab es wohl selten. Die Krone ist, dass der Promotext tatsächlich stolz verkündet, Faber würde man auch 50 Jahre auf dem Buckel abnehmen. Würde man, aber ob das auf diese Weise beabsichtigt war? Überhaupt, diese Werbekampagne. Gerühmt wird sich, dass da mal einer "ficken" und "blasen" singt. Ein Song heißt "Brüstebeinearschgesicht". Bächtig möse!

Es passt jedoch zu "Sei ein Faber im Wind". An jeder Ecke wird mit den Armen gerudert, "Hallo!" und "Hier!" gerufen. Verkrampft versucht der Züricher Bub, Tabus aufzuspüren, aufzubrechen, hier heißt es "Du Nutte, warum träumst Du nicht von mir?", dort "Du gehst steil / Nachts sind alle Katzen geil" (leider wirklich nicht vom Rezensent erfunden). Das einzige, was dabei zutage tritt, sind die verklemmten Vorstellungen des Liedermachers, was denn subversiv sei. Wenn bis hierhin einige Abneigung durchkam, liegt das allerdings auch am Frust. Weil Faber eben durchaus anders kann. In "Alles Gute" schmettert er die trunkene Tresenphilosophie "Wenn Du merkst, dass Du ganz alleine bist / Weißt Du, dass Du es noch so lange sein wirst" hinaus und die Band begleitet das Ding schmissig – da weht ein angenehm pathetischer Wind. "Wer nicht schwimmen kann der taucht" kontrastiert spitzfindig die Fronten im Urlaubsgebiet. "Schaue Schlauchbooten beim Kentern zu / Am Swimmingpool im Mittelmeer." In die gleiche Kerbe, wenn auch plakativer, schlägt das stille "In Paris brennen Autos".

Was "Sei ein Faber im Wind" außerdem zugute gehalten werden muss, ist die virtuose Musikgestaltung. Nicht selten an die kosmopolitische Perspektive von Beirut erinnernd, fasziniert der Mix aus krummen Bläsern, Klavier und flotten Gitarren. "Nichts" stibitzt gar vom alten Dschungelbuch-Schlager "Ich wär' so gern wie Du", wer hätte das erwartet? Die Weltparty könnte so schön sein. Aber wenn sich Faber in – ha! – "Es könnte schöner sein" beschwert "Wir sind beim Kaffee in Paris / Du schreibst mit Freunden in Berlin", kann man es der Begleitung nicht verdenken, schon gar nicht, wenn entrüstet folgt: "Du fragst nach meinem Aids-Test / Bevor Du mit mir pennst." Wenn daneben selbst Wanda wie feingeistige Transparentträger gegen Sexismus wirken, läuft was schief. Faber möchte vielleicht gern der nächste Jacques Brel werden, kommt aber zu oft nur auf die Provokationsschiene von Ingo Appelt. Auch Gossenpoesie braucht Niveau, Humor und Sympathie. Alles ist auf Fabers Debütalbum noch viel zu ausbaufähig.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Bleib Dir nicht treu
  • Alles Gute
  • Wer nicht schwimmen kann der taucht

Tracklist

  1. Ouverture
  2. Wem Du's heute kannst besorgen
  3. Nichts
  4. Es könnte schöner sein
  5. Lass mich nicht los
  6. Bleib Dir nicht treu
  7. Alles Gute
  8. In Paris brennen Autos
  9. Bratislava
  10. Wer nicht schwimmen kann der taucht
  11. Brüstebeinearschgesicht
  12. So soll es sein
  13. Sei ein Faber im Wind
Gesamtspielzeit: 46:42 min

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Der Umhashtagger

2019-03-22 19:08:04

*umhashtag*

{(Hashtag)}

2019-03-22 19:07:48

#hashtag

Der Örsinger

2019-03-17 10:30:59

Faber macht dann beim nächsten mal wer anders Zitat
Danke, immerhin

Der Örsinger

2019-03-17 10:10:52

Ich gehe davon aus, dass sich faber die Kritik des Autors nicht zu sehr zu Herzen nehmen wird. Ganz klar gehören die vom rezensenten durch den Fleischwolf gedrehten Text zeilen mindestens zu den stärksten des Albums. Wer das nicht aushält kann sich ja das neuste toco tronic Album reinziehen, die hier auch in 30 Jahren noch abgefeiert werden, wenn Dirk endlich bei seiner Kindheit angekommen ist.

MarkusE

2019-02-06 09:13:50

Ja, Faber kann schnell missverstanden werden. Da gibt es sicher Passagen, die nicht geschmackskompatibel für jeden sind. Aber eigentlich nicht zu viele.

Was ist er denn nun? Interessant musiziert, markante Stimme, Texte mit Haken und Ösen, Videos mit Tiefgang. Jemand, der herumprollen will, macht sich definitiv nicht sollche Mühe. „Alles Gute“ ist ziemlich zentral in dem Album. Der Text beschreibt Einsamkeit, nicht nur als Schicksal, sondern als zumindest zu einem großen Teil selbstgewählte Form des Lebens. Das mag aus dem Munde eines recht jungen Menschen arrogant wirken, ist aber am Ende ehrlicher als Mitleid.

Es gibt viele Ohrwürmer auf diesem Album, wenig Nerviges, selten Langweiliges. Ich glaube, wir werden noch mehr von ihm hören,
Nebenbei in sehr guter Klangqualität aufgenommen.

Ich bemitleide übrigens diejenigen, die die Ankündigungen von Plattenfirmen lesen müssen. Das muss bei Musikliebhabern spontane Würgreize auslösen.

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