White Hills - Stop mute defeat

Thrill Jockey / Rough Trade
VÖ: 19.05.2017
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Verunsichern heißt verstehen

"Technology will not always win", so das Innencover. Erzählt das mal jemandem, der in seinem Facebook-Account nach den letzten "Gefällt mir"-Klicks plötzlich Viagra-Werbung ausgespielt bekommt oder dessen Handyempfang bei Massenveranstaltungen wie dem ehrwürdigen Plattentests.de-Fest alle Viere von sich streckt. Immerhin: White Hills bleiben kämpferisch und machen Hoffnung, dass sich in einer kaputtdigitalisierten, mit macht- und profitgierigen Politikern, hassenswerten Sexisten und fundamentalistischen Unmenschen vollgestopften Welt vielleicht doch etwas ändern kann. Wie bei ihnen selbst, denn Lynnea Scalora alias Ego Sensation und Dave Weinberg mischen ihre Band bei nahezu jeder Veröffentlichung stilistisch ordentlich auf und durch. "Stop mute defeat" macht dabei keine Ausnahme – und lässt die Technik irgendwie doch gewinnen.

White Hills beschränken sich nämlich lange nicht mehr auf den zerdröhnt-verdichteten Space-Rock, mit dem sie noch Longplayer wie "Heads on fire" oder "Frying on this rock" bestritten. Lobte Rezensent Maerten Letzteren noch als energische Genre-Platte, ist das achte reguläre Album des Duos nun ein noch eklektischeres Vergnügen als der 2015er Vorgänger "So you are ... so you'll be". Hier springen dem Hörer neben Wut über die herrschenden Zustände und donnernden Gitarrenschlägen auch nervös flackernde Keyboards, geräuschiges Gerüttel und Versatzstücke aus der No-Wave-Hexenküche der späten siebziger Jahre entgegen. Dazu orakeln Scalora und Weinberg mantraartig Warnungen ob der prekären Gesamtsituation vor sich hin – aber Achtung: Teile dieser Aussagen könnten die Bevölkerung verunsichern. Sollten sie sogar.

Nein, ein sanftes Ruhekissen ist "Stop mute defeat" keineswegs. Was auch daran liegt, dass man nie weiß, was als nächstes passiert. Der stoisch durchgepaukte Acid-Rocker "Trick of the mind" mit bedrohlichem "No one is safe"-Raunen direkt nach dem schwer atmenden Dub-Opener "Overlord", der auch von den Post-Punk-Kubisten Disappears stammen könnte – hier eine Selbstverständlichkeit. Mit der perkussiv aufgerauten Durchlauferhitzer-Sequenz von "Important 101" auf maschinelle Joy Division machen und anschließend den rabiaten Riffbrecher "Attack mode" zu Tribal-Drums übers Knie legen – kein Auftrag. Und es spricht für den langen musikalischen Atem dieses so vorzüglichen wie vielfältig informierten Albums, dass viele Stücke sowohl die EBM-Vorreiter Cabaret Voltaire als auch die Anarcho-Elektroniker Add N To (X) beleihen.

Diese scheinen vor allem in den unrund schleifenden Rhythmen der zweiten Albumhälfte durch, wobei "If ... 1 ... 2" die Kriechströme besonders missmutig knurren lässt und sich mit zunehmender Spieldauer außerdem rigide dazwischenhauenden Drum-Patterns gegenübersieht. Von Psych- oder gar Space-Rock hat "Stop mute defeat" zu diesem Zeitpunkt kaum noch etwas, sieht man einmal von den disparat durch den beständig morphenden Bass-Groove von "Sugar hill" irrlichternden Reverbs ab. Da ist es nur folgerichtig, dass das abschließende Titelstück endgültig den Schritt zum zischend-tonlosen Techno-Floor vollzieht und dem Anliegen dieses Albums mit gnadenloser Monotonie noch einmal gehörig Nachdruck verleiht: Manchmal muss man eben auch wissen, wie man mit dem Hammer revolutioniert. White Hills haben jedenfalls verstanden.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Importance 101
  • Attack mode
  • Stop mute defeat

Tracklist

  1. Overlord
  2. A trick of the mind
  3. Importance 101
  4. Attack mode
  5. If ... 1 ... 2
  6. Sugar hill
  7. Entertainer
  8. Stop mute defeat
Gesamtspielzeit: 42:51 min

Im Forum kommentieren

Gähn

2017-06-26 15:44:16

Boring Version of Front Line Assembly meets Skinny Puppy

Retro

2017-06-21 13:04:52

Retro 80er. Noch ein Beweis, wie wegweisend die 80er Jahre waren.

7/10

Armin

2017-06-14 23:08:04- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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