Cursive - The ugly organ
Saddle Creek / EFAVÖ: 10.03.2003
Böses Erwachen
Was passiert, wenn Tim Kasher mal einen über den Durst trinkt, wissen wir ja jetzt. Schließlich hat er mit The Good Life den Soundtrack zur nächtlichen Kneipentour samt all ihrer Nebenwirkungen aufgenommen, der dann folglich auch wie ein einziger Vollrausch klang. Sehnsuchtsvoll, surreal, größenwahnsinnig. In dieser Reihenfolge. Wer sich danach gefragt hat, wie wohl Kashers Morgen danach aussieht, bekommt die Antwort von Cursive, seinem bereits etwas älteren Spielzeug. Und eins auf die Fresse noch gratis dazu.
"The ugly organ" hat alles, was zu einem ausgewachsenen Kater dazugehört. Bedauern, Wut, Erkenntnis. Schmerzen. Die man sich übrigens selbst eingebrockt hat. "I'm writing songs to entertain / But these people... they just want pain", bekennt Kasher unschuldig, um den Leuten danach zu geben, was sie von ihm wollen. Kompromißlos, roh und ehrlich bis aufs Mark. "Everything I hide ends up in lyrics."
Dreh- und Angelpunkte der Platte sind Kasher an der Orgel und Gretta Cohn am Cello. Man könnte meinen, daß beide nicht viel voneinander halten, denn ständig fallen sich in den Rücken, spielen einander aus oder pushen sich in einem atemberaubenden Wettrennen bis an die Grenze zur Unerträglichkeit. Für schwache Ohren ist das nichts, wenn man durch einen Spießroutenlauf wie "Some red handed slight of hand" geprügelt wird oder die Instrumente in "Butcher the song" plötzlich wie Hackebeile um sich schlagen. Das Cello scheppert von rechts, die Orgel knarzt von links, und Kashers Stimme kommt von ganz weit draußen: "Can't stop the monster I created." Das Album entwickelt eine beängstigende Eigendynamik.
Dabei geht der Wahnsinn eigentlich erst mit "A gentleman caller" so richtig los. Die Gitarren ticken völlig aus, der Cellobogen fängt Feuer, und gemeinsam wird knochentrockener Krach veranstaltet, der sich mit Kernseife gewaschen hat. Bis das Stück auf einmal umkippt und sich langsam in den Schlaf wiegt. "Doo do doo do / The worst is over." Wenig später läßt das zehnminütige "Staying alive" den Vorhang in Zeitlupe fallen, und ein Mädchenchor jubiliert die gleichen Worte: "Doo do doo do / The worst is over." Immer und immer wieder. Ein Licht flackert am Ende des Tunnels. Bleibt nur die Frage, warum es so schnell näher kommt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Some red handed slight of hand
- Driftwood: A fairytale
- A gentleman caller
- Staying alive
Tracklist
- The ugly organist
- Some red handed slight of hand
- Art is hard
- The recluse
- Herald! Frankenstein
- Butcher the song
- Driftwood: A fairy tale
- A gentleman caller
- Harold Weathervein
- Bloody murderer
- Sierra
- Staying alive
Im Forum kommentieren
Watchful_Eye
2023-01-06 16:45:27
Für diejenigen, die es noch nicht haben, empfehle ich nach wie vor das Original. Bei der Deluxe hat man die Grundlautstärke ein gutes Stück erhöht.
Ich weiß, nerviges Thema, aber das ist wirklich mal kein Album, wo man "Loudness War" will: Laut-Leise-Dynamik ist für das Album essentiell.
Chrisb
2023-01-06 14:36:36
Auch mit den 8 Bonustracks bleibt das noch eine 10/10.Die Blackout von the Good Life ist auch sehr zu empfehlen.
fakeboy
2023-01-03 10:39:28
Besser spät als nie! Ich weiss noch wie das Album bei mir einschlug, als es erschien. Kannte zuvor die Domestica, die auch gut ist aber noch etwas sperriger. Ugly Organ war dann die grosse Offenbarung. Tim Kasher hatte damals definitiv einen guten Lauf (man höre auch seine Alben als The Good Life, v.a. Blackout und Album of the Year).
Autotomate
2023-01-03 10:04:15
Wow, warum habe ich das denn nie angehört, was für ein geiles Album! Gleich nochmal...
fakeboy
2022-12-29 18:12:20
Auch schon lange nicht mehr gehört und jetzt grad weggeblasen.
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