Thomas Azier - Rouge

Island / Universal
VÖ: 12.05.2017
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Ist alles, was ich wage

Thomas Azier ist im Sinne der Assoziationsbildung gut beraten gewesen, sein neues Album "Rouge" zu taufen. Beim englischen "Red" springen die Hirnwindungen unfreiwillig umher zwischen dem gleichnamigen Promi-Magazin, einer mittelprächtigen Action-Komödie mit Bruce Willis, dem sagenumwobenen Zerstörungsbutton, einer Lady von Chris De Burgh, und UB40, die Neil Diamonds Songs mit viel zu viel gemaischtem Traubensaft abgefüllt haben. Das französische "rouge" hingegen hübscht den Teint auf, bringt Farbe dorthin, wo Blässe herrscht. Oder es erinnert ans legendäre "Moulin Rouge". Im Französischen liegt also definitiv mehr Eleganz – was Aziers Zweitwerk auch besser charakterisiert.

Ganz banal betrachtet erzählt "Rouge" auch von seinem Umzug nach Paris. In Frankreich kamen die dämmernden, synthetischen Pop-Songs seines Debüts "Hylas" schließlich gut an. Nun blättert die elektronische Hülle ab. Zeigte "Hylas" auf dem Cover noch die verchromte Büste von Aziers Kopf, schaut hier ein Mensch aus Fleisch und Blut in die Kamera, gibt mehr von sich preis. "Rouge" ist somit auch die Farbe des strömenden Lebenssaftes, unter der Haut, in den Venen: "Under my surface, where my blood runs thinner." Im Opener "Concubine" sitzt der gebürtige Niederländer bereits dicht am Mikrofon, wechselt für den Refrain ins Falsett, legt nur sporadisch verzerrende Effekt auf und verschreibt sich ansonsten den Pianotönen, die genauso taumeln und dahinfließen wie der alkoholgetränkte Abend mit der Liebhaberin.

Es folgt das wunderbare "Talk to me", das all seine Instrumentierung – von der wankelmütigen Rhythmik bis zum tollen Basslauf – auf ein Minimum beschränkt und daraus ein kleines Stück über die Lebensbereich-überspannende Frage nach Realität und Fake arrangiert. Mit Vorgaukelei hat Azier es jedenfalls nicht. In "Winners" spielt der 29-Jährige ein – so scheint es – altes Salon-Piano und während ein weicher Beat pulsiert, spricht die Verzweiflung des unsicheren Voranschreitens aus jeder seiner Silben: "Trying to be winners". Gefühle zu transportieren hat er zweifelsfrei drauf, auch die Ballade "Sandglass" besticht durch ein gesundes Maß Pathos.

In all den Fragen der Identität, den Geschichten aus Verlangen und Vermissen, Glück und Unglück, Trieben und Treiben tritt Azier auf "Rouge" mehr als Singer-Songwriter in Erscheinung. Bis hin zum beinahe klassischen Abschluss "Babylon" regelt er die auf "Hylas" vorherrschende Elektronik runter. Aber nicht auf Null. "And sometimes we fall back into the darkness", singt er in "Gold", baut sich selbst eine Brücke zum Vorgänger, der Beat setzt ein und was dann so schimmert, ist ein lupenreiner Hit mit Achtzigerjahre-Insignien. "Crucify" peitscht unmittelbar danach monumentale Synth-Stränge auf Aziers Rücken, seine Seele und endet mit tief wummernden Subbass. Etwas mehr Electro-Güte in der zweiten Hälfte hätte vielleicht nicht geschadet, aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Azier hat sein Soundbild entschlackt, verfolgt lieber eine Idee konsequent als mehrere anzureißen, kreist viel mehr und stringenter um den Kern namens Pop. Und in "Berlin", der Stadt, die lange seine Heimat war, so wird es bald heißen, klatscht Ryan Tedder anerkennend.

(Stephan Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Talk to me
  • Gold
  • Crucify
  • Sandglass

Tracklist

  1. Concubine
  2. Talk to me
  3. Winners
  4. Gold
  5. Crucify
  6. Berlin
  7. Sandglass
  8. Starling
  9. Call
  10. Babylon
Gesamtspielzeit: 34:01 min

Im Forum kommentieren

Wolf

2017-05-22 07:52:04

Klingt wirklich vielversprechend beim ersten Reinhören

musie

2017-05-18 15:20:46

mag das album sehr. vor allem im achtung wortspiel kontext zum contest ist achtung perfekter titel winners ein hit. aber das ganze album ist ausserordentlich schön.

Paranoidn

2017-05-17 22:57:47

völlig zu unrecht unbeachtet.
9/10 nach dem ersten durchlauf.

Armin

2017-02-24 18:35:08- Newsbeitrag

Thomas Azier kündigt neues Album "Rouge" an

Nach den beiden Kostproben „Talk To Me“ und „Winners” gibt Thomas Azier seinen Fans mit der Veröffentlichung der Single „Gold“ heute einen weiteren Vorgeschmack auf sein neues Album.

▶ Anhören: Thomas Azier „Gold" im Stream



Ohne Zweifel ist “Gold” der wohl triumphalste Song des Albums. Azier selbst beschreibt ihn als „kompromisslosen Pop, bei dem ich dennoch ich selbst bleibe“. Dabei gehen die pianobegleiteten Strophen mühelos über in einen riesigen, feierlichen Chorus. Azier singt dazu über die Schönheit der Liebe, trotz der Fallstricke, die sie bergen mag.
„Gold“ beschreibt dabei auch einen Schlüsselmoment, den Azier beim Songschreiben erlebte: „Der Song handelt von dem Augenblick der Erkenntnis, in dem mir klar wurde, dass das, wonach ich die ganze Zeit suchte, nicht das ist, was wirklich zählt.“

„Rogue” ist das zweite Album des 29-jährigen Holländers, das direkt nach seinem Umzug von Berlin nach Paris entstand.
Der Albumtitel lehnt sich an den französischen Ausdruck ‘le fil rouge’ (’der rote Faden’) an, was Aziers künstlerische Intention ganz gut auf den Punkt bringt. Denn er hatte sich zum Ziel gesetzt, ein ganzheitliches Album zuwege zu bringen, bei dem sich Text und Musik thematisch fortlaufend aufeinander beziehen. „Ich bin geradezu besessen von Alben mit einem roten Faden“, gesteht Azier. „und ich bin noch faszinierter von dem Umstand, dass mehr als nur ein Faden in einem Werk verwoben sein kann.“

„Rouge" ist ein Album von außergewöhnlicher Integrität, das zugleich einen substantiellen Fortschritt in Aziers Entwicklung darstellt. Innerhalb von wenigen Sekunden wird bereits der Unterschied zum Vorgänger deutlich: Aziers Piano steht hier direkt im Mittelpunkt und bleibt im Laufe des Albums ein zentrales Element (und dementsprechend ein roter Faden). Natürlich wird auf „Rouge" nicht vollkommen auf digitale Technologie verzichtet, doch von dem delikaten, nahezu zärtlichen Opener „Concubine“ über das hymnische „Gold“ und das herzergreifende „Call“ bis zum melancholischen Finale „Babylon“ macht sich ein ganz anderer künstlerischer Ansatz deutlich bemerkbar. Man könnte sagen, dass hier die elfenbeinfarbenen Tasten des Klaviers aus den 1920ern auf die Plastiktastatur seines Laptops treffen. Für Azier hat der neue Ansatz eine ganz einfache Ursache: „Gutes Songwriting ist zeitlos und ich wollte, dass sich hier alles um die Songs dreht.“




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