Adel Tawil - So schön anders

Island / Universal
VÖ: 21.04.2017
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Das Gegenteil von gut

Das ist natürlich dankbar: Kurz bevor man sich eine Hand voll Zeilen zu Adel Tawils neuem Album "So schön anders" aus dem verstaubten Hirn schütteln soll, packt Jan Böhmermann den Holzhammer aus und haut – ob gelungen oder nicht, mag jeder für sich selber entscheiden – Max Giesinger exemplarisch für den deutschen Pop ungespitzt in den Boden. Und Echo war ja auch noch. Man kann sich kaum retten vor Aufhängern für diesen Text. Popmusik dissen, wie schön! Doch bevor man einen davon als Startpunkt eines weiteren, vor Wut schäumenden Pamphlets wider die seelenlose Industriemusik auswählt, mag man vielleicht ganz kurz inne halten. Und sich ein paar Dinge vor Augen führen. Draufhauen kann ja später immer noch.

Davor aber kann man schon mal anführen, wie bemerkenswert souverän die Angegriffenen, also Musiker wie eben Giesinger oder Tawil, mit der ganzen Geschichte umgehen. Dann kann man sich auch mal eingestehen, dass man unter dem Deckmäntelchen des scheinbar Alternativen auch schon mal ziemlichen Schmonz abfeiert, oder zumindest abgefeiert hat. Bevor sich jemand auf die Füße getreten fühlt: Macht ja auch nichts, ist doch alles okay. Nur Distinktion per Musikgeschmackt lassen wir hier mal bei Seite. Damit nur nichts den Blick verstellt, auf "So schön anders". Bei eben diesem Blick fällt erst mal auf: Adel Tawil hat in Sachen Quantität schon mal nicht gegeizt. Zwei CDs, ganze 20 Songs, mehr als 70 Minuten Spielzeit. Value for money? Kann Adel Tawil schon mal. Klar kann man jetzt einwenden, dass all dieses Songmatieral erst mal etwas taugen muss. Und natürlich wird niemand in verklärte Begeisterung verfallen, der mit dem Kerl noch nie so richtig was anfangen konnte.

Und selbstverständlich bietet "So schön anders" Angriffsfläche bis zum Horizont. Weil eine Menge an Textbausteinen wirken, als wären sie erst gestern direkt aus dem Phrasenschwein entnommen worden und genau deshalb eben auch nur Bausteine sind. Die den Emotionen, die diese Songs im Überfluss zu vermitteln suchen, an jeder Ecke im Weg stehen. Oder weil der pompös produzierte Breitwandpop, den Tawil zumeist darbietet, nach all den Jahren nun wirklich so ziemlich alles, aber bestimmt nicht interessanter geworden ist. Man könnte so weiter machen, oder ganz einfach längst Bekanntes wiederholen: Das hier ist alles mit den besten Intentionen erdacht worden. Aber zu oft eben nicht mehr. Genau deshalb hat man mal wieder nicht auf Songs wie das titelgebende "So schön anders", das alle gängigen Standards abfrühstückende "Ich bin wie ich bin", oder das generische "Erinnern" gewartet.

Und trotzdem wird man "So schön anders" nicht ganz gerecht, wenn man nur auf den eh schon zu Allgemeinplätzen gewordenen Kritikpunkten herumreitet. Und nicht erwähnt, dass man einen Song wie "Eine Welt eine Heimat" durchaus mal honorieren kann. Weil Tawil hier genau das macht, was zum Beispiel Böhmermann gefordert hat und was man sich oftmals wünscht: Stellung beziehen, relevant sein. Vielleicht nicht total subtil, aber sei's drum. Und weil er gerade dabei ist, macht er es mit "Gott steh mir bei" gleich noch mal. Auch hier kann man sich zu Recht über viel Pathos und den prominenten Bezug zu Gott mockieren, oder einfach froh sein, dass nicht über Menschen, Leben, Tanzen und die Welt palavert wird. Die Frage ist natürlich, ob das der Anspruch sein kann. Wahrscheinlich nicht. Und so macht sich beim Blick über "So schön anders" doch Ernüchterung breit. Weil nur "Polarlichter" ziel-und geschmackssicher des Weges kommt. Und ansonsten fast alles unter "gut gemeint" einsortiert wird. Und was das ist, weiß man ja.

(Martin Smeets)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Eine Welt eine Heimat
  • Polarlichter

Tracklist

  • CD 1
    1. So schön anders
    2. Ist da jemand
    3. Ich bin wie ich bin
    4. Eine Welt eine Heimat (feat. Youssou N'Dour und Mohamed Mounir)
    5. Worte
    6. Bis hier und noch weiter (feat. KC Rebell und Summer Cem)
    7. Mein Leben ohne mich
    8. Gott steh mir bei
    9. Endgegner
    10. Nur Liebe mitgebracht
    11. Polarlichter (feat. MoTrip)
    12. Bei dir
    13. Erinnern
    14. Sensation
  • CD 2
    1. Wahr ist
    2. Tänzer und Soldaten
    3. Die schönsten Tage
    4. Zwischen den Lieben
    5. Brüder
    6. Ist da jemand (Akustik-Version)
Gesamtspielzeit: 72:54 min

Im Forum kommentieren

fridolina

2017-05-25 08:35:19

und mir gefällt dieses forum ganz gut

fridolino

2017-05-25 07:03:53

mir gefällt die deutsche pop musik ganz gut

21. Jahrhundert

2017-04-30 17:05:50

Der Grundfehler ist, von dieser Musik mehr Anspruch als von jedem beliebigen aktuellen Schlager zu erwarten. Ohne diese Anspruchshaltung ist es problemlos hörbar.

Handbuch

2017-04-30 15:19:00

Da waren ja die Boybands der 90er ein Segen dagegen.

Wahre Worte.

Ben Dzko

2017-04-30 08:00:51

Ihr seid doch alle Maschinen.

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